Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite
T a g e b u et).



i.
Aus Paris.

Emil Girardin's Prozeß. -- Bugeaud und Guizot. -- Portugiesische Conflicte. -- Die
Perfidie des Einschreitens. -- Parallele mit der Schweiz.

Der Prozeß des Herrn von Girardin, die Demission des Marschal Bugeaud
und die Intervention in Portugal, sind die Hauptgegenstände, die die öffentliche
Aufmerksamkeit in den letzten acht Tagen in Anspruch genommen haben. --

Die Anklage, welche die "presso" erhob, daß Pairsstellcn, Orden ;c. verkauft
worden seien, war schwer genug, um von der einen oder anderen Behörde aufgefaßt
und verfolgt zu werden. Daß man wartete, bis die Pairskammer selbst dagegen
zu Felde zog, ist wahrscheinlich ein neuer Mißgriff der Regierung gewesen, da
auf diese Weise eine Privilcgienfrage zwischen der Deputaten- und der Pairs¬
kammer entstehen mußte, und man so jedenfalls erst auf einem Umwege zu einer
Entscheidung gegen Herrn von Girardin kommt. Diese Entscheidung selbst wird
doppelt zweifelhaft, da selbst, wenn die Deputirtenkammer die Anklage erlauben
sollte, es Herr von Girardin nicht schwer fallen wird, den Herren Pairs zu
beweisen, daß sein Angriff auf keinen Fall gegen sie gerichtet war, sondern viel¬
mehr ihre Würde gegen die Korruption des Ministeriums in Schutz nahm. Ge¬
nug, die Sache ist, wie sie jetzt steht, verkehrt eingeleitet. Vielleicht aber rettet
Herr von Girardin die Regierung. Dieser kluge Schütze hat in der letzten Zeit
allerlei Fehlschüsse gethan. Herr v. Girardin stellte seine erste Anklage so offen hin, daß
er den Eindruck machen mußte, als ob die Regierung und die Minister Pairs¬
stellcn für 80,000 Fr. verkauft oder wenigstens feil geboten hätten. Seit er
selbst aber als Angeklagter erscheint, schraubt er seine Worte so, daß es nur zu
klar wird, wie er mehr hat glauben machen wollen als er zu beweisen im Stande
ist. Deswegen versteckt er sich auch hinter sein Deputirtenprivilegium, um die An¬
klage der Pairskammer zurückzuweisen, und hinter seine Stellung als Angeklagter
vor der Pairskammer, um dem Äureaux der Kammer seine Beweise vorzulegen.
Es ist ihm nicht recht geheuer bei der Sache, und seine Beweise sind höchst wahr-


T a g e b u et).



i.
Aus Paris.

Emil Girardin's Prozeß. — Bugeaud und Guizot. — Portugiesische Conflicte. — Die
Perfidie des Einschreitens. — Parallele mit der Schweiz.

Der Prozeß des Herrn von Girardin, die Demission des Marschal Bugeaud
und die Intervention in Portugal, sind die Hauptgegenstände, die die öffentliche
Aufmerksamkeit in den letzten acht Tagen in Anspruch genommen haben. —

Die Anklage, welche die „presso" erhob, daß Pairsstellcn, Orden ;c. verkauft
worden seien, war schwer genug, um von der einen oder anderen Behörde aufgefaßt
und verfolgt zu werden. Daß man wartete, bis die Pairskammer selbst dagegen
zu Felde zog, ist wahrscheinlich ein neuer Mißgriff der Regierung gewesen, da
auf diese Weise eine Privilcgienfrage zwischen der Deputaten- und der Pairs¬
kammer entstehen mußte, und man so jedenfalls erst auf einem Umwege zu einer
Entscheidung gegen Herrn von Girardin kommt. Diese Entscheidung selbst wird
doppelt zweifelhaft, da selbst, wenn die Deputirtenkammer die Anklage erlauben
sollte, es Herr von Girardin nicht schwer fallen wird, den Herren Pairs zu
beweisen, daß sein Angriff auf keinen Fall gegen sie gerichtet war, sondern viel¬
mehr ihre Würde gegen die Korruption des Ministeriums in Schutz nahm. Ge¬
nug, die Sache ist, wie sie jetzt steht, verkehrt eingeleitet. Vielleicht aber rettet
Herr von Girardin die Regierung. Dieser kluge Schütze hat in der letzten Zeit
allerlei Fehlschüsse gethan. Herr v. Girardin stellte seine erste Anklage so offen hin, daß
er den Eindruck machen mußte, als ob die Regierung und die Minister Pairs¬
stellcn für 80,000 Fr. verkauft oder wenigstens feil geboten hätten. Seit er
selbst aber als Angeklagter erscheint, schraubt er seine Worte so, daß es nur zu
klar wird, wie er mehr hat glauben machen wollen als er zu beweisen im Stande
ist. Deswegen versteckt er sich auch hinter sein Deputirtenprivilegium, um die An¬
klage der Pairskammer zurückzuweisen, und hinter seine Stellung als Angeklagter
vor der Pairskammer, um dem Äureaux der Kammer seine Beweise vorzulegen.
Es ist ihm nicht recht geheuer bei der Sache, und seine Beweise sind höchst wahr-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0492" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/272391"/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> T a g e b u et).</head><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <div n="2">
            <head> i.<lb/>
Aus Paris.</head><lb/>
            <note type="argument"> Emil Girardin's Prozeß. &#x2014; Bugeaud und Guizot. &#x2014; Portugiesische Conflicte. &#x2014; Die<lb/>
Perfidie des Einschreitens. &#x2014; Parallele mit der Schweiz.</note><lb/>
            <p xml:id="ID_1587"> Der Prozeß des Herrn von Girardin, die Demission des Marschal Bugeaud<lb/>
und die Intervention in Portugal, sind die Hauptgegenstände, die die öffentliche<lb/>
Aufmerksamkeit in den letzten acht Tagen in Anspruch genommen haben. &#x2014;</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1588" next="#ID_1589"> Die Anklage, welche die &#x201E;presso" erhob, daß Pairsstellcn, Orden ;c. verkauft<lb/>
worden seien, war schwer genug, um von der einen oder anderen Behörde aufgefaßt<lb/>
und verfolgt zu werden. Daß man wartete, bis die Pairskammer selbst dagegen<lb/>
zu Felde zog, ist wahrscheinlich ein neuer Mißgriff der Regierung gewesen, da<lb/>
auf diese Weise eine Privilcgienfrage zwischen der Deputaten- und der Pairs¬<lb/>
kammer entstehen mußte, und man so jedenfalls erst auf einem Umwege zu einer<lb/>
Entscheidung gegen Herrn von Girardin kommt. Diese Entscheidung selbst wird<lb/>
doppelt zweifelhaft, da selbst, wenn die Deputirtenkammer die Anklage erlauben<lb/>
sollte, es Herr von Girardin nicht schwer fallen wird, den Herren Pairs zu<lb/>
beweisen, daß sein Angriff auf keinen Fall gegen sie gerichtet war, sondern viel¬<lb/>
mehr ihre Würde gegen die Korruption des Ministeriums in Schutz nahm. Ge¬<lb/>
nug, die Sache ist, wie sie jetzt steht, verkehrt eingeleitet. Vielleicht aber rettet<lb/>
Herr von Girardin die Regierung. Dieser kluge Schütze hat in der letzten Zeit<lb/>
allerlei Fehlschüsse gethan. Herr v. Girardin stellte seine erste Anklage so offen hin, daß<lb/>
er den Eindruck machen mußte, als ob die Regierung und die Minister Pairs¬<lb/>
stellcn für 80,000 Fr. verkauft oder wenigstens feil geboten hätten. Seit er<lb/>
selbst aber als Angeklagter erscheint, schraubt er seine Worte so, daß es nur zu<lb/>
klar wird, wie er mehr hat glauben machen wollen als er zu beweisen im Stande<lb/>
ist. Deswegen versteckt er sich auch hinter sein Deputirtenprivilegium, um die An¬<lb/>
klage der Pairskammer zurückzuweisen, und hinter seine Stellung als Angeklagter<lb/>
vor der Pairskammer, um dem Äureaux der Kammer seine Beweise vorzulegen.<lb/>
Es ist ihm nicht recht geheuer bei der Sache, und seine Beweise sind höchst wahr-</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0492] T a g e b u et). i. Aus Paris. Emil Girardin's Prozeß. — Bugeaud und Guizot. — Portugiesische Conflicte. — Die Perfidie des Einschreitens. — Parallele mit der Schweiz. Der Prozeß des Herrn von Girardin, die Demission des Marschal Bugeaud und die Intervention in Portugal, sind die Hauptgegenstände, die die öffentliche Aufmerksamkeit in den letzten acht Tagen in Anspruch genommen haben. — Die Anklage, welche die „presso" erhob, daß Pairsstellcn, Orden ;c. verkauft worden seien, war schwer genug, um von der einen oder anderen Behörde aufgefaßt und verfolgt zu werden. Daß man wartete, bis die Pairskammer selbst dagegen zu Felde zog, ist wahrscheinlich ein neuer Mißgriff der Regierung gewesen, da auf diese Weise eine Privilcgienfrage zwischen der Deputaten- und der Pairs¬ kammer entstehen mußte, und man so jedenfalls erst auf einem Umwege zu einer Entscheidung gegen Herrn von Girardin kommt. Diese Entscheidung selbst wird doppelt zweifelhaft, da selbst, wenn die Deputirtenkammer die Anklage erlauben sollte, es Herr von Girardin nicht schwer fallen wird, den Herren Pairs zu beweisen, daß sein Angriff auf keinen Fall gegen sie gerichtet war, sondern viel¬ mehr ihre Würde gegen die Korruption des Ministeriums in Schutz nahm. Ge¬ nug, die Sache ist, wie sie jetzt steht, verkehrt eingeleitet. Vielleicht aber rettet Herr von Girardin die Regierung. Dieser kluge Schütze hat in der letzten Zeit allerlei Fehlschüsse gethan. Herr v. Girardin stellte seine erste Anklage so offen hin, daß er den Eindruck machen mußte, als ob die Regierung und die Minister Pairs¬ stellcn für 80,000 Fr. verkauft oder wenigstens feil geboten hätten. Seit er selbst aber als Angeklagter erscheint, schraubt er seine Worte so, daß es nur zu klar wird, wie er mehr hat glauben machen wollen als er zu beweisen im Stande ist. Deswegen versteckt er sich auch hinter sein Deputirtenprivilegium, um die An¬ klage der Pairskammer zurückzuweisen, und hinter seine Stellung als Angeklagter vor der Pairskammer, um dem Äureaux der Kammer seine Beweise vorzulegen. Es ist ihm nicht recht geheuer bei der Sache, und seine Beweise sind höchst wahr-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/492
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/492>, abgerufen am 05.05.2024.