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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

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Neue Critik eines alten Buches.
Valerie cke carüctervs prussiens.

Montauban ist eine sehr zu empfehlende Stadt. Selten habe ich mich
irgendwo gleich am ersten Tage so zu Hanse gefühlt, und an wenige Orte,
die ich gesehen, denke ich mit so viel innerer Seelenruhe zurück. Daran
war ein Clavier, daß vier Wochen mein nächster Nachbar gewesen, freilich
mit Schuld; aber doch nur theilweise. Die Stadt selbst ist so heimlich wie
wenige. Und als ich durch die Straßen zog und absichtlos vor einem Kram
alter Bücher stehen blieb, siel mein Blick auf einen Titel: "l^r-iotei-es
prussiens." Ans purem Patriotismus kaufte ich das Büchlein für 10 Sons,
las jeden Abend einen c-uactere darin und denke, daß die Gesellschaft, in
die ich so hineingerieth, sehr viel mit Ursache ist, daß ich mich in Montauban
häuslich niederlassen würde, wenn überhaupt für unser eins an dergleichen
zu denken wäre, und man mir versprechen wollte, daß ich alle Abende so
gute Gesellschaft fände wie damals.

"II v'est pas "I^oütel co --würde irgend ein deut¬
scher Hofrath sagen, wenn er wüßte, wer und was ich bin, und wer und
was die Gesellschaft ist, die ich mir ausgebeten: Prinzen, Minister, Gene¬
räle, Marschälle, Cabinetsräthe, Professoren u. s. w.

1.

Der erste hohe Herr, dem mich mein namenloser Führer vorstellte, war
kein anderer als der General von Kökeritz. Es war auch ganz gut, daß
er mit diesem anfing, denn die Andern würden mich weniger gut aufgenom¬
men, und am Ende den hofnnfähigen Wanderer -- der erst an demselben
Morgen ein paar Fnhrknechtschnhe gekauft hatte, die seinem blauen Kittel
alle Ehre machten -- gleich zur Thüre hinausgewiesen haben. Der General
von Kökeritz aber war ein guter Mann und schreckte gar uicht zurück, als
mein Geleitsmann mich ihm vorstellte und mit einem gewissen Hochgefühl



*) Offenbar ist dem Hrn. Referenten eine Übersetzung des "rothen Buchs" von
Der Setzer, Massenbach in die Hände gefallen.
GmlM-". III. ISO7. 13
Neue Critik eines alten Buches.
Valerie cke carüctervs prussiens.

Montauban ist eine sehr zu empfehlende Stadt. Selten habe ich mich
irgendwo gleich am ersten Tage so zu Hanse gefühlt, und an wenige Orte,
die ich gesehen, denke ich mit so viel innerer Seelenruhe zurück. Daran
war ein Clavier, daß vier Wochen mein nächster Nachbar gewesen, freilich
mit Schuld; aber doch nur theilweise. Die Stadt selbst ist so heimlich wie
wenige. Und als ich durch die Straßen zog und absichtlos vor einem Kram
alter Bücher stehen blieb, siel mein Blick auf einen Titel: „l^r-iotei-es
prussiens." Ans purem Patriotismus kaufte ich das Büchlein für 10 Sons,
las jeden Abend einen c-uactere darin und denke, daß die Gesellschaft, in
die ich so hineingerieth, sehr viel mit Ursache ist, daß ich mich in Montauban
häuslich niederlassen würde, wenn überhaupt für unser eins an dergleichen
zu denken wäre, und man mir versprechen wollte, daß ich alle Abende so
gute Gesellschaft fände wie damals.

„II v'est pas «I^oütel co --würde irgend ein deut¬
scher Hofrath sagen, wenn er wüßte, wer und was ich bin, und wer und
was die Gesellschaft ist, die ich mir ausgebeten: Prinzen, Minister, Gene¬
räle, Marschälle, Cabinetsräthe, Professoren u. s. w.

1.

Der erste hohe Herr, dem mich mein namenloser Führer vorstellte, war
kein anderer als der General von Kökeritz. Es war auch ganz gut, daß
er mit diesem anfing, denn die Andern würden mich weniger gut aufgenom¬
men, und am Ende den hofnnfähigen Wanderer — der erst an demselben
Morgen ein paar Fnhrknechtschnhe gekauft hatte, die seinem blauen Kittel
alle Ehre machten — gleich zur Thüre hinausgewiesen haben. Der General
von Kökeritz aber war ein guter Mann und schreckte gar uicht zurück, als
mein Geleitsmann mich ihm vorstellte und mit einem gewissen Hochgefühl



*) Offenbar ist dem Hrn. Referenten eine Übersetzung des „rothen Buchs" von
Der Setzer, Massenbach in die Hände gefallen.
GmlM-». III. ISO7. 13
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[0139] Neue Critik eines alten Buches. Valerie cke carüctervs prussiens. Montauban ist eine sehr zu empfehlende Stadt. Selten habe ich mich irgendwo gleich am ersten Tage so zu Hanse gefühlt, und an wenige Orte, die ich gesehen, denke ich mit so viel innerer Seelenruhe zurück. Daran war ein Clavier, daß vier Wochen mein nächster Nachbar gewesen, freilich mit Schuld; aber doch nur theilweise. Die Stadt selbst ist so heimlich wie wenige. Und als ich durch die Straßen zog und absichtlos vor einem Kram alter Bücher stehen blieb, siel mein Blick auf einen Titel: „l^r-iotei-es prussiens." Ans purem Patriotismus kaufte ich das Büchlein für 10 Sons, las jeden Abend einen c-uactere darin und denke, daß die Gesellschaft, in die ich so hineingerieth, sehr viel mit Ursache ist, daß ich mich in Montauban häuslich niederlassen würde, wenn überhaupt für unser eins an dergleichen zu denken wäre, und man mir versprechen wollte, daß ich alle Abende so gute Gesellschaft fände wie damals. „II v'est pas «I^oütel co --würde irgend ein deut¬ scher Hofrath sagen, wenn er wüßte, wer und was ich bin, und wer und was die Gesellschaft ist, die ich mir ausgebeten: Prinzen, Minister, Gene¬ räle, Marschälle, Cabinetsräthe, Professoren u. s. w. 1. Der erste hohe Herr, dem mich mein namenloser Führer vorstellte, war kein anderer als der General von Kökeritz. Es war auch ganz gut, daß er mit diesem anfing, denn die Andern würden mich weniger gut aufgenom¬ men, und am Ende den hofnnfähigen Wanderer — der erst an demselben Morgen ein paar Fnhrknechtschnhe gekauft hatte, die seinem blauen Kittel alle Ehre machten — gleich zur Thüre hinausgewiesen haben. Der General von Kökeritz aber war ein guter Mann und schreckte gar uicht zurück, als mein Geleitsmann mich ihm vorstellte und mit einem gewissen Hochgefühl *) Offenbar ist dem Hrn. Referenten eine Übersetzung des „rothen Buchs" von Der Setzer, Massenbach in die Hände gefallen. GmlM-». III. ISO7. 13

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/139>, abgerufen am 07.05.2024.