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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

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Namen und Titel seines Schützlings anführte: Herr Dr. Jacob Nirgend¬
heim, außerordentlicher, gehaltloser Professor und Staatsrath außer Dien¬
sten, Mitglied mehrerer geheimen Gesellschaften, Ritter des Kreuz Leid-
und Schwerenoth-Ordens mit der Halsschleife ze. ze. ze.

"LucKiuitv alt! s-üre votio corii.usscmcv" anwortete der Herr General.
Er saß da in dem Salon" -- so würde man wenigstens jetzt sagen, damals
hieß es noch schlechtweg: ti-ins les .ip-u-leinenes -- "der Frau von Voß,
Großgouvernante der Königin, die Hände gefallen, einen Daumen um den
andern drehend, und die Langeweile mit mehr als menschlicher Geduld er¬
tragend, so daß man zweifelhaft war, ob man Mitleid mit ihm haben, oder
ihm wünschen solle, daß ein Schlagfluß, der ihm zu drohen schien, rasch
der Sache ein Ende mache." -- S. 2.

Mein Begleiter und Einführer flüsterte mir allerlei kleine Scandale
in's Ohr. "Man sagt, der Herr General sei ein ehrlicher Mann; ich gebe
das gerne zu. Aber genügt es, ein ehrlicher Manu zu sein, um an der
Spitze eines Reiches zu stehen?" -- S. 4. -- Ich meinerseits bekam durch
diese Aeußerung uicht gerade die beste Meinung von meiner neuen Bekannt¬
schaft; denn als NichtHöfling kommt es mir so vor, als ob ein ehrlicher
Mann, selbst wenn er ein Dummkopf wäre, einem Reiche kaum so viel
schaden könne als ein Schuft, der uoch so fein und listig seine Karten zu
mischen wisse. Die Preußen hatten 1808 gar viele Dummheiten gemacht,
aber wenn sie nur halb so viele Schlechtigkeiten begangen, so würden sie
18l3 nicht wieder ans dem Flecke gewesen sein. "Ehrlich währt am Läng¬
sten," antwortete ich meinem Führer, der mich mit stillem Hohnlächeln ansah.

Er zischelte weiter: "Der General hat einen Bedienten, genannt Nagel,
und dieser und seine Frau haben sich seines ganzen Vertrauens bemächtigt,
und treiben ihn zu Allem, wozu sie wollen. Seit Friedrich Wilhelm III.
auf dem Throne ist, hat dies verkäufliche Pärchen 60,000 Thaler zusammen¬
gescharrt, ein Vermögen, das ohne Zweifel größer ist als das ihrer Herren.
Man hat die Dame bei Herrn -- --" Doch was geht uns das weiter an?
Ich fürchte, der Herr General und sein Bedienter haben meinem Führer
einmal irgendwo auf den Fuß getreten und er ist rachsüchtig genug, es
seinem ganzen Hanse bis auf Knecht und Magd nachzutragen. -- Die Hos¬
hühneraugen haben ein gutes Gedächtniß.


2.

Sehen Sie dort die edle Gestalt? Das ist der Großmarschall Herzog
Wilhelm von Braunschweig. Ein Mann. Als er zur Herrschaft kam, war


Namen und Titel seines Schützlings anführte: Herr Dr. Jacob Nirgend¬
heim, außerordentlicher, gehaltloser Professor und Staatsrath außer Dien¬
sten, Mitglied mehrerer geheimen Gesellschaften, Ritter des Kreuz Leid-
und Schwerenoth-Ordens mit der Halsschleife ze. ze. ze.

„LucKiuitv alt! s-üre votio corii.usscmcv" anwortete der Herr General.
Er saß da in dem Salon" — so würde man wenigstens jetzt sagen, damals
hieß es noch schlechtweg: ti-ins les .ip-u-leinenes — „der Frau von Voß,
Großgouvernante der Königin, die Hände gefallen, einen Daumen um den
andern drehend, und die Langeweile mit mehr als menschlicher Geduld er¬
tragend, so daß man zweifelhaft war, ob man Mitleid mit ihm haben, oder
ihm wünschen solle, daß ein Schlagfluß, der ihm zu drohen schien, rasch
der Sache ein Ende mache." — S. 2.

Mein Begleiter und Einführer flüsterte mir allerlei kleine Scandale
in's Ohr. „Man sagt, der Herr General sei ein ehrlicher Mann; ich gebe
das gerne zu. Aber genügt es, ein ehrlicher Manu zu sein, um an der
Spitze eines Reiches zu stehen?" — S. 4. — Ich meinerseits bekam durch
diese Aeußerung uicht gerade die beste Meinung von meiner neuen Bekannt¬
schaft; denn als NichtHöfling kommt es mir so vor, als ob ein ehrlicher
Mann, selbst wenn er ein Dummkopf wäre, einem Reiche kaum so viel
schaden könne als ein Schuft, der uoch so fein und listig seine Karten zu
mischen wisse. Die Preußen hatten 1808 gar viele Dummheiten gemacht,
aber wenn sie nur halb so viele Schlechtigkeiten begangen, so würden sie
18l3 nicht wieder ans dem Flecke gewesen sein. „Ehrlich währt am Läng¬
sten," antwortete ich meinem Führer, der mich mit stillem Hohnlächeln ansah.

Er zischelte weiter: „Der General hat einen Bedienten, genannt Nagel,
und dieser und seine Frau haben sich seines ganzen Vertrauens bemächtigt,
und treiben ihn zu Allem, wozu sie wollen. Seit Friedrich Wilhelm III.
auf dem Throne ist, hat dies verkäufliche Pärchen 60,000 Thaler zusammen¬
gescharrt, ein Vermögen, das ohne Zweifel größer ist als das ihrer Herren.
Man hat die Dame bei Herrn — —" Doch was geht uns das weiter an?
Ich fürchte, der Herr General und sein Bedienter haben meinem Führer
einmal irgendwo auf den Fuß getreten und er ist rachsüchtig genug, es
seinem ganzen Hanse bis auf Knecht und Magd nachzutragen. — Die Hos¬
hühneraugen haben ein gutes Gedächtniß.


2.

Sehen Sie dort die edle Gestalt? Das ist der Großmarschall Herzog
Wilhelm von Braunschweig. Ein Mann. Als er zur Herrschaft kam, war


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[0140] Namen und Titel seines Schützlings anführte: Herr Dr. Jacob Nirgend¬ heim, außerordentlicher, gehaltloser Professor und Staatsrath außer Dien¬ sten, Mitglied mehrerer geheimen Gesellschaften, Ritter des Kreuz Leid- und Schwerenoth-Ordens mit der Halsschleife ze. ze. ze. „LucKiuitv alt! s-üre votio corii.usscmcv" anwortete der Herr General. Er saß da in dem Salon" — so würde man wenigstens jetzt sagen, damals hieß es noch schlechtweg: ti-ins les .ip-u-leinenes — „der Frau von Voß, Großgouvernante der Königin, die Hände gefallen, einen Daumen um den andern drehend, und die Langeweile mit mehr als menschlicher Geduld er¬ tragend, so daß man zweifelhaft war, ob man Mitleid mit ihm haben, oder ihm wünschen solle, daß ein Schlagfluß, der ihm zu drohen schien, rasch der Sache ein Ende mache." — S. 2. Mein Begleiter und Einführer flüsterte mir allerlei kleine Scandale in's Ohr. „Man sagt, der Herr General sei ein ehrlicher Mann; ich gebe das gerne zu. Aber genügt es, ein ehrlicher Manu zu sein, um an der Spitze eines Reiches zu stehen?" — S. 4. — Ich meinerseits bekam durch diese Aeußerung uicht gerade die beste Meinung von meiner neuen Bekannt¬ schaft; denn als NichtHöfling kommt es mir so vor, als ob ein ehrlicher Mann, selbst wenn er ein Dummkopf wäre, einem Reiche kaum so viel schaden könne als ein Schuft, der uoch so fein und listig seine Karten zu mischen wisse. Die Preußen hatten 1808 gar viele Dummheiten gemacht, aber wenn sie nur halb so viele Schlechtigkeiten begangen, so würden sie 18l3 nicht wieder ans dem Flecke gewesen sein. „Ehrlich währt am Läng¬ sten," antwortete ich meinem Führer, der mich mit stillem Hohnlächeln ansah. Er zischelte weiter: „Der General hat einen Bedienten, genannt Nagel, und dieser und seine Frau haben sich seines ganzen Vertrauens bemächtigt, und treiben ihn zu Allem, wozu sie wollen. Seit Friedrich Wilhelm III. auf dem Throne ist, hat dies verkäufliche Pärchen 60,000 Thaler zusammen¬ gescharrt, ein Vermögen, das ohne Zweifel größer ist als das ihrer Herren. Man hat die Dame bei Herrn — —" Doch was geht uns das weiter an? Ich fürchte, der Herr General und sein Bedienter haben meinem Führer einmal irgendwo auf den Fuß getreten und er ist rachsüchtig genug, es seinem ganzen Hanse bis auf Knecht und Magd nachzutragen. — Die Hos¬ hühneraugen haben ein gutes Gedächtniß. 2. Sehen Sie dort die edle Gestalt? Das ist der Großmarschall Herzog Wilhelm von Braunschweig. Ein Mann. Als er zur Herrschaft kam, war

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/140>, abgerufen am 07.05.2024.