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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

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frug ihn: "Seit wenn befaßt sich das Heer damit, an den Beschlüssen des
Cabinets zu mäkeln?" und entfernte sich, nachdem er ihn zurecht gesetzt
hatte. -- S. 109. -- Der General Kökeritz bot Alles auf, um den Zorn
des Königs zu beschwichtigen, was ihm auch halbwegs gelang.

In der Schlacht bei Jena aber kam der tapfere General mit seinem
Armeecorps zwei Stunden zu spät. Und mein Führer ließ durchschimmern,
daß dies nicht ohne Absicht und aus Eifersucht gegen den Prinzen Hohen-
lohe geschehen sei. Aber es war dies wahrscheinlich nicht nöthig. Es fehlte
damals an einem festen Willen in Preußen, und daher kam es, daß der
Herr von Rüchel sich selbst gegen den König barsch benehmen, und um so
mehr seinen Obergeneral bekritteln konnte.

Eine der lustigsten und charakteristischen Anecdoten jener Zeit war aber
folgende. Der General Rüchel wurde nach der Schlacht bei Jena gefangen,
aber bald wieder frei gegeben, und war dann Commandant in Königsberg.
Hier wurde der französische General Victor als Gefangener festgehalten,
und nicht zum besten behandelt. In Folge dessen ließ Napoleon im Moni-
teur eine Note einrücken, in der er den tapfern General einen "unit'.-u-c!"
inerte <-t IliA-t'in" nannte. Kaum war der Moniteur in Berlin angekommen,
als Herr Ernst von Ernsthausen, der jüngere Bruder des Generals von
Rüchel, einen offenen Fehdebrief an die Berliner Zeitungen schickte, in dem
er den Verfasser der Note im Moniteur einen "infamen Verleumder" nannte,
und zum Duell herausforderte. Die Zeitungen wurden von der französischen
Regierung unterdrückt, und Napoleon hatte nicht Courage genug -- sich mit
Herrn Ernst von Ernsthausen auf krumme Säbel, ohne Hut und Binden,
zwölf Gänge, oder bis ein commentmäßiger Anschiß herausgekommen, zu
schlagen! -- Von da an hatte Herr Ernst von Ernsthansen überall den
breiten Stein und das große Wort. Und von Rechtswegen!


5.

"Ich habe Ihnen schon von dem General von Blücher gesprochen" ^-
fuhr mein Führer fort. "Sie wissen, wie er sich bei Jena geirrt hat. Und
vou diesem Manne sagte Herr von Archenholz in seiner Minerva ("Gebäu>
ken am Grabe Preußens") daß er "der einzige General, in dem
die alte Tapferkeit der preußischen Armee aufrecht geblieben
sei. Aber so ein Zeitungsschreiber denkt gleich, er sei ein Prophet!"

"Ich will Ihnen beweisen, daß der Herr von Archcnholz eine zu gute
Meinung von Blücher hat. Er ist eigentlich gar kein General. -- Seine
Angriffe macht er stets ans dieselbe Weise, auf den Feind mit Ungestüm


frug ihn: „Seit wenn befaßt sich das Heer damit, an den Beschlüssen des
Cabinets zu mäkeln?" und entfernte sich, nachdem er ihn zurecht gesetzt
hatte. — S. 109. — Der General Kökeritz bot Alles auf, um den Zorn
des Königs zu beschwichtigen, was ihm auch halbwegs gelang.

In der Schlacht bei Jena aber kam der tapfere General mit seinem
Armeecorps zwei Stunden zu spät. Und mein Führer ließ durchschimmern,
daß dies nicht ohne Absicht und aus Eifersucht gegen den Prinzen Hohen-
lohe geschehen sei. Aber es war dies wahrscheinlich nicht nöthig. Es fehlte
damals an einem festen Willen in Preußen, und daher kam es, daß der
Herr von Rüchel sich selbst gegen den König barsch benehmen, und um so
mehr seinen Obergeneral bekritteln konnte.

Eine der lustigsten und charakteristischen Anecdoten jener Zeit war aber
folgende. Der General Rüchel wurde nach der Schlacht bei Jena gefangen,
aber bald wieder frei gegeben, und war dann Commandant in Königsberg.
Hier wurde der französische General Victor als Gefangener festgehalten,
und nicht zum besten behandelt. In Folge dessen ließ Napoleon im Moni-
teur eine Note einrücken, in der er den tapfern General einen „unit'.-u-c!»
inerte <-t IliA-t'in" nannte. Kaum war der Moniteur in Berlin angekommen,
als Herr Ernst von Ernsthausen, der jüngere Bruder des Generals von
Rüchel, einen offenen Fehdebrief an die Berliner Zeitungen schickte, in dem
er den Verfasser der Note im Moniteur einen „infamen Verleumder" nannte,
und zum Duell herausforderte. Die Zeitungen wurden von der französischen
Regierung unterdrückt, und Napoleon hatte nicht Courage genug — sich mit
Herrn Ernst von Ernsthausen auf krumme Säbel, ohne Hut und Binden,
zwölf Gänge, oder bis ein commentmäßiger Anschiß herausgekommen, zu
schlagen! — Von da an hatte Herr Ernst von Ernsthansen überall den
breiten Stein und das große Wort. Und von Rechtswegen!


5.

„Ich habe Ihnen schon von dem General von Blücher gesprochen" ^-
fuhr mein Führer fort. „Sie wissen, wie er sich bei Jena geirrt hat. Und
vou diesem Manne sagte Herr von Archenholz in seiner Minerva („Gebäu>
ken am Grabe Preußens") daß er „der einzige General, in dem
die alte Tapferkeit der preußischen Armee aufrecht geblieben
sei. Aber so ein Zeitungsschreiber denkt gleich, er sei ein Prophet!"

„Ich will Ihnen beweisen, daß der Herr von Archcnholz eine zu gute
Meinung von Blücher hat. Er ist eigentlich gar kein General. — Seine
Angriffe macht er stets ans dieselbe Weise, auf den Feind mit Ungestüm


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[0146] frug ihn: „Seit wenn befaßt sich das Heer damit, an den Beschlüssen des Cabinets zu mäkeln?" und entfernte sich, nachdem er ihn zurecht gesetzt hatte. — S. 109. — Der General Kökeritz bot Alles auf, um den Zorn des Königs zu beschwichtigen, was ihm auch halbwegs gelang. In der Schlacht bei Jena aber kam der tapfere General mit seinem Armeecorps zwei Stunden zu spät. Und mein Führer ließ durchschimmern, daß dies nicht ohne Absicht und aus Eifersucht gegen den Prinzen Hohen- lohe geschehen sei. Aber es war dies wahrscheinlich nicht nöthig. Es fehlte damals an einem festen Willen in Preußen, und daher kam es, daß der Herr von Rüchel sich selbst gegen den König barsch benehmen, und um so mehr seinen Obergeneral bekritteln konnte. Eine der lustigsten und charakteristischen Anecdoten jener Zeit war aber folgende. Der General Rüchel wurde nach der Schlacht bei Jena gefangen, aber bald wieder frei gegeben, und war dann Commandant in Königsberg. Hier wurde der französische General Victor als Gefangener festgehalten, und nicht zum besten behandelt. In Folge dessen ließ Napoleon im Moni- teur eine Note einrücken, in der er den tapfern General einen „unit'.-u-c!» inerte <-t IliA-t'in" nannte. Kaum war der Moniteur in Berlin angekommen, als Herr Ernst von Ernsthausen, der jüngere Bruder des Generals von Rüchel, einen offenen Fehdebrief an die Berliner Zeitungen schickte, in dem er den Verfasser der Note im Moniteur einen „infamen Verleumder" nannte, und zum Duell herausforderte. Die Zeitungen wurden von der französischen Regierung unterdrückt, und Napoleon hatte nicht Courage genug — sich mit Herrn Ernst von Ernsthausen auf krumme Säbel, ohne Hut und Binden, zwölf Gänge, oder bis ein commentmäßiger Anschiß herausgekommen, zu schlagen! — Von da an hatte Herr Ernst von Ernsthansen überall den breiten Stein und das große Wort. Und von Rechtswegen! 5. „Ich habe Ihnen schon von dem General von Blücher gesprochen" ^- fuhr mein Führer fort. „Sie wissen, wie er sich bei Jena geirrt hat. Und vou diesem Manne sagte Herr von Archenholz in seiner Minerva („Gebäu> ken am Grabe Preußens") daß er „der einzige General, in dem die alte Tapferkeit der preußischen Armee aufrecht geblieben sei. Aber so ein Zeitungsschreiber denkt gleich, er sei ein Prophet!" „Ich will Ihnen beweisen, daß der Herr von Archcnholz eine zu gute Meinung von Blücher hat. Er ist eigentlich gar kein General. — Seine Angriffe macht er stets ans dieselbe Weise, auf den Feind mit Ungestüm

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/146>, abgerufen am 08.05.2024.