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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

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leicht nicht eher stattfinden kann, bis die Preußen und Deutschen noch ein¬
mal den Franzosen beweisen, daß Einer des Andern werth ist, nicht mehr
und nicht weniger.

Diese Ahndung einer Allianz zwischen Frankreich und Preußen lähmte
schou 1806 die tüchtigsten Söhne Preußens; sie war mit Ursache, daß die
Alten nicht wußten, was thun, ob angreifen oder zusehen, und daß die
Jugend ohnmächtig zurückwich. Die Zeit wird wohl kommen, wo die Ahn¬
dung in Erfüllung gehen wird, aber nur dann, wenn Preußen und ganz
Deutschland die Franzose" daran gewohnt hat, nie zu vergessen, daß, sobald
hier eine gemeinschaftliche Jagd möglich ist, Löwe und Löwe zusammengehen.


Leben Sie wohl, Herr v. X.
II.
I.

Ich hatte meinem Führer den Rücken gekehrt und ging blitzwild weg.
Er kam mir ruhig nach, klopfte mir auf die Schulter und sagte: "Sie
mögen Recht haben, ich selbst denke heute anders!---Wollen Sie nicht
auch die Herren von der Feder kennen lernen?" --

Es ist schwer lange böse zu bleiben, wenn unser Gegner, geduldig wie
ein Buch, unsere wildesten Beleidigungen hinnimmt, ohne seinen Ton zu
ändern. Ich ließ mich bereden und kehrte um, und wir gingen dann zu¬
sammen in den Nebensaal, wo die hohen Herren der Civilrcgiernng saßen.

"Der Herr Cabinetsrath Beyme!" -- Es freut mich sehr -- --

"Der Herr Cabinetsrath Lombard!" -- Ergebenster Diener -- -- --

Die innere Verwaltung und die äußern Angelegenheiten Preußens lie¬
gen in der Hand dieser beiden roturiei s, die, trotz ihres bescheidenen Titels:
Cabinetsräthe in Wahrheit die ersten Minister sind." -- S. 179. -- Die
Minister waren nur Strohmänner und haßten deswegen die beiden unver¬
antwortlichen Handhaber ihrer Stellen von Herzen. Herr Lombard hat sich
stets alle Mühe gegeben, sich durch -- französische Gedichte auszuzeichnen."
-- S. 189. -- "Zur Strafe dafür wurde er beauftragt, seinen Geist auf
die Folter zu spannen, um von allen Seiten die Phrasen zu sammeln , aus
denen er das famose Manifest des Herzogs von Braunschweig zusammen¬
setzte." -- S. 191.

"Die Ironie des Geschickes ist groß und der Reiz nicht schlecht, wenn
auch nur zufällig, denn zwischen jenen französischen Gedichten und dem Ma¬
nifeste lag eine Verwickelung, die ich überhört hatte, weil ich an etwas
anderes dachte. Ich sah nämlich einen Mann, der mich 5urch sein Aeußeres


leicht nicht eher stattfinden kann, bis die Preußen und Deutschen noch ein¬
mal den Franzosen beweisen, daß Einer des Andern werth ist, nicht mehr
und nicht weniger.

Diese Ahndung einer Allianz zwischen Frankreich und Preußen lähmte
schou 1806 die tüchtigsten Söhne Preußens; sie war mit Ursache, daß die
Alten nicht wußten, was thun, ob angreifen oder zusehen, und daß die
Jugend ohnmächtig zurückwich. Die Zeit wird wohl kommen, wo die Ahn¬
dung in Erfüllung gehen wird, aber nur dann, wenn Preußen und ganz
Deutschland die Franzose» daran gewohnt hat, nie zu vergessen, daß, sobald
hier eine gemeinschaftliche Jagd möglich ist, Löwe und Löwe zusammengehen.


Leben Sie wohl, Herr v. X.
II.
I.

Ich hatte meinem Führer den Rücken gekehrt und ging blitzwild weg.
Er kam mir ruhig nach, klopfte mir auf die Schulter und sagte: „Sie
mögen Recht haben, ich selbst denke heute anders!---Wollen Sie nicht
auch die Herren von der Feder kennen lernen?" —

Es ist schwer lange böse zu bleiben, wenn unser Gegner, geduldig wie
ein Buch, unsere wildesten Beleidigungen hinnimmt, ohne seinen Ton zu
ändern. Ich ließ mich bereden und kehrte um, und wir gingen dann zu¬
sammen in den Nebensaal, wo die hohen Herren der Civilrcgiernng saßen.

„Der Herr Cabinetsrath Beyme!" — Es freut mich sehr — —

„Der Herr Cabinetsrath Lombard!" — Ergebenster Diener — — —

Die innere Verwaltung und die äußern Angelegenheiten Preußens lie¬
gen in der Hand dieser beiden roturiei s, die, trotz ihres bescheidenen Titels:
Cabinetsräthe in Wahrheit die ersten Minister sind." — S. 179. — Die
Minister waren nur Strohmänner und haßten deswegen die beiden unver¬
antwortlichen Handhaber ihrer Stellen von Herzen. Herr Lombard hat sich
stets alle Mühe gegeben, sich durch — französische Gedichte auszuzeichnen."
— S. 189. — „Zur Strafe dafür wurde er beauftragt, seinen Geist auf
die Folter zu spannen, um von allen Seiten die Phrasen zu sammeln , aus
denen er das famose Manifest des Herzogs von Braunschweig zusammen¬
setzte." — S. 191.

„Die Ironie des Geschickes ist groß und der Reiz nicht schlecht, wenn
auch nur zufällig, denn zwischen jenen französischen Gedichten und dem Ma¬
nifeste lag eine Verwickelung, die ich überhört hatte, weil ich an etwas
anderes dachte. Ich sah nämlich einen Mann, der mich 5urch sein Aeußeres


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[0151] leicht nicht eher stattfinden kann, bis die Preußen und Deutschen noch ein¬ mal den Franzosen beweisen, daß Einer des Andern werth ist, nicht mehr und nicht weniger. Diese Ahndung einer Allianz zwischen Frankreich und Preußen lähmte schou 1806 die tüchtigsten Söhne Preußens; sie war mit Ursache, daß die Alten nicht wußten, was thun, ob angreifen oder zusehen, und daß die Jugend ohnmächtig zurückwich. Die Zeit wird wohl kommen, wo die Ahn¬ dung in Erfüllung gehen wird, aber nur dann, wenn Preußen und ganz Deutschland die Franzose» daran gewohnt hat, nie zu vergessen, daß, sobald hier eine gemeinschaftliche Jagd möglich ist, Löwe und Löwe zusammengehen. Leben Sie wohl, Herr v. X. II. I. Ich hatte meinem Führer den Rücken gekehrt und ging blitzwild weg. Er kam mir ruhig nach, klopfte mir auf die Schulter und sagte: „Sie mögen Recht haben, ich selbst denke heute anders!---Wollen Sie nicht auch die Herren von der Feder kennen lernen?" — Es ist schwer lange böse zu bleiben, wenn unser Gegner, geduldig wie ein Buch, unsere wildesten Beleidigungen hinnimmt, ohne seinen Ton zu ändern. Ich ließ mich bereden und kehrte um, und wir gingen dann zu¬ sammen in den Nebensaal, wo die hohen Herren der Civilrcgiernng saßen. „Der Herr Cabinetsrath Beyme!" — Es freut mich sehr — — „Der Herr Cabinetsrath Lombard!" — Ergebenster Diener — — — Die innere Verwaltung und die äußern Angelegenheiten Preußens lie¬ gen in der Hand dieser beiden roturiei s, die, trotz ihres bescheidenen Titels: Cabinetsräthe in Wahrheit die ersten Minister sind." — S. 179. — Die Minister waren nur Strohmänner und haßten deswegen die beiden unver¬ antwortlichen Handhaber ihrer Stellen von Herzen. Herr Lombard hat sich stets alle Mühe gegeben, sich durch — französische Gedichte auszuzeichnen." — S. 189. — „Zur Strafe dafür wurde er beauftragt, seinen Geist auf die Folter zu spannen, um von allen Seiten die Phrasen zu sammeln , aus denen er das famose Manifest des Herzogs von Braunschweig zusammen¬ setzte." — S. 191. „Die Ironie des Geschickes ist groß und der Reiz nicht schlecht, wenn auch nur zufällig, denn zwischen jenen französischen Gedichten und dem Ma¬ nifeste lag eine Verwickelung, die ich überhört hatte, weil ich an etwas anderes dachte. Ich sah nämlich einen Mann, der mich 5urch sein Aeußeres

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/151>, abgerufen am 07.05.2024.