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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

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natliche Berichte über den Fortgang der abgelösten Robot unter nomineller Auf¬
führung der Parteien und des Betrages zu veröffentlichen. Das wäre einfach
und natürlich. Was das Publikum jetzt von seinen bureaukratischen Municipien
in Anspruch nimmt, das kann eS den Ständen um so weniger erlassen, da diese
mit dem Beispiel vorausgehen sollen.

Ferner erzählt man sich, daß die wegen Abschaffung des Lotto hier gewesene
Deputation der böhmischen Stände bei Hofe sehr trocken empfangen worden sei,
daß aber Gras Kollowrath mehrere Mitglieder Stunden lang bei sich unterhalten
und ihnen die besten Versicherungen ertheilt habe; namentlich 1) wegen des Vor¬
behaltes an der Verfassungsfrage, wobei sich der Graf geäußert haben soll, daß
die Regierung den Konflikt einsehe und daher ans die Deduction der Stände
keine Autwort geben werde; und 2) wegen des abgelehnten Betrags von 50,000
Fi. sür die Verbesserung der Kriminal-Gerichtsbarkeit, wobei die Regierung die
näheren Nachweisungen liefern und zugleich den Ständen erklären werde, daß
der Gesetzentwurf wegen Verbesserung der Kriminal-Gerichtspflcge bereits den
Behörden vorliege. Für diesen Fall dürften die Stände keinen Anstand nehmen,,
obige 50 Von 1-_ ,000 Fi. nachträglich zu bewilligen.


4.

Maßregeln in Beziehung auf das Getreide. -- Projecte und Wünsche über den Ver¬
kehr. -- Die Weisheit der Beamten und das Schweigen der Wissenden.

Schon zu Ende des vorigen Monats sind die Kornpreise zu Vcsprim. einem
der Hanptgctreidemärkte Ungarns, bedeutend gewichen, und jetzt verspricht die
Ernte nach Eintritt des schonen Wetters so gut und reichhaltig zu werden, daß
ein bedeutendes Zurückweichen der Preise, ja deren Sinken ans die Hälfte zu
erwarten steht, da die Aufspeicherer, Zurückhalter und Wucherer, unter denen das
hiesige Publikum gar hohe und reiche Namen nennt, sonst ihre vorjährigen Vor¬
räthe nicht los würden. Kornähren im Banate zählen 60 -- 70 Körner.

Es ist also der Zeitpunkt nahe, wo jene Regierungen, die sich xar ex-
cellonco väterlich nennen und das Geschäft des Bcfehlcns und Ueberwachens
allein übernommen haben, ohne daß ein anderes Menschenkind, als ein k. k. Be¬
stallter ein Wörtlein mitreden dürfte, Vorkehrungen treffen sollten, um für die
Zukunft Ereignisse zu verhüten oder wenigstens zu mildern, die uns Heuer so
betrübten und eine Menge gcldvcrgcudendcr, dabei des demoralisirenden so viel
in ihrem Schooße tragender Palliativmaßregcln nöthig machten. Mittelst gut
organisirter, der Öffentlichkeit verantwortlicher Gemeinden ließe
sich hier gar Vieles schneller und wohlfeiler ausrichten. Diesen Schatz besitzen wir
jedoch in Oesterreich nicht; darum sind diese Worte an die Regierungs- und städti¬
schen Behörden gerichtet, die doch einmal Ohren haben werden, um zu hören.
Man verzeihe uns diese trockene Sprache; wenn man aber Noth und Angst aus¬
gestanden hat und dabei dennoch ein rechtlicher Mann und loyaler Unterthan ge¬
blieben ist, da glauben wir das Recht erworben zu haben, frei von der Leber
weg zu reden.


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natliche Berichte über den Fortgang der abgelösten Robot unter nomineller Auf¬
führung der Parteien und des Betrages zu veröffentlichen. Das wäre einfach
und natürlich. Was das Publikum jetzt von seinen bureaukratischen Municipien
in Anspruch nimmt, das kann eS den Ständen um so weniger erlassen, da diese
mit dem Beispiel vorausgehen sollen.

Ferner erzählt man sich, daß die wegen Abschaffung des Lotto hier gewesene
Deputation der böhmischen Stände bei Hofe sehr trocken empfangen worden sei,
daß aber Gras Kollowrath mehrere Mitglieder Stunden lang bei sich unterhalten
und ihnen die besten Versicherungen ertheilt habe; namentlich 1) wegen des Vor¬
behaltes an der Verfassungsfrage, wobei sich der Graf geäußert haben soll, daß
die Regierung den Konflikt einsehe und daher ans die Deduction der Stände
keine Autwort geben werde; und 2) wegen des abgelehnten Betrags von 50,000
Fi. sür die Verbesserung der Kriminal-Gerichtsbarkeit, wobei die Regierung die
näheren Nachweisungen liefern und zugleich den Ständen erklären werde, daß
der Gesetzentwurf wegen Verbesserung der Kriminal-Gerichtspflcge bereits den
Behörden vorliege. Für diesen Fall dürften die Stände keinen Anstand nehmen,,
obige 50 Von 1-_ ,000 Fi. nachträglich zu bewilligen.


4.

Maßregeln in Beziehung auf das Getreide. — Projecte und Wünsche über den Ver¬
kehr. — Die Weisheit der Beamten und das Schweigen der Wissenden.

Schon zu Ende des vorigen Monats sind die Kornpreise zu Vcsprim. einem
der Hanptgctreidemärkte Ungarns, bedeutend gewichen, und jetzt verspricht die
Ernte nach Eintritt des schonen Wetters so gut und reichhaltig zu werden, daß
ein bedeutendes Zurückweichen der Preise, ja deren Sinken ans die Hälfte zu
erwarten steht, da die Aufspeicherer, Zurückhalter und Wucherer, unter denen das
hiesige Publikum gar hohe und reiche Namen nennt, sonst ihre vorjährigen Vor¬
räthe nicht los würden. Kornähren im Banate zählen 60 — 70 Körner.

Es ist also der Zeitpunkt nahe, wo jene Regierungen, die sich xar ex-
cellonco väterlich nennen und das Geschäft des Bcfehlcns und Ueberwachens
allein übernommen haben, ohne daß ein anderes Menschenkind, als ein k. k. Be¬
stallter ein Wörtlein mitreden dürfte, Vorkehrungen treffen sollten, um für die
Zukunft Ereignisse zu verhüten oder wenigstens zu mildern, die uns Heuer so
betrübten und eine Menge gcldvcrgcudendcr, dabei des demoralisirenden so viel
in ihrem Schooße tragender Palliativmaßregcln nöthig machten. Mittelst gut
organisirter, der Öffentlichkeit verantwortlicher Gemeinden ließe
sich hier gar Vieles schneller und wohlfeiler ausrichten. Diesen Schatz besitzen wir
jedoch in Oesterreich nicht; darum sind diese Worte an die Regierungs- und städti¬
schen Behörden gerichtet, die doch einmal Ohren haben werden, um zu hören.
Man verzeihe uns diese trockene Sprache; wenn man aber Noth und Angst aus¬
gestanden hat und dabei dennoch ein rechtlicher Mann und loyaler Unterthan ge¬
blieben ist, da glauben wir das Recht erworben zu haben, frei von der Leber
weg zu reden.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/223>, abgerufen am 07.05.2024.