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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

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Bilder aus der Nahe "ut Ferne.
IV.
England.

G. Höslen, Englands Zustände, Politik und Machtentwickelung;
mit Beziehung auf Deutschland. 2 Bde. Leipzig 1846. Mayer.

Wir haben hier ein Werk von ganz anderer Bedeutung vor uns, als
die leichten Skizzen, deren wir bisher Erwähnung gethan; das Werk eines
einsichtsvollen Politikers, das nicht oberflächlich genossen, sondern studirt
sein will. Im Interesse Deutschlands, um dasselbe über seine Stellung zu
dem mächtigsten aller europäische" Reiche aufzuklären, hat der Verfasser, der
sich schon in der Allgemeinen Zeitung rühmlichst bekannt gemacht hat, diese
Frucht vieljähriger Studien veröffentlicht. Sein Urtheil ist durchaus ruhig
und unparteiisch, wie es einem Gelehrten ziemt; sein Enthusiasmus für
die freie Kraftentwickelung Großbritanniens verblendet ihn nicht gegen die
Schattenseiten desselben, und sein Eifer für das Wohl Deutschlands wird
nie zur Eifersucht gegen einen politisch höher gebildeten Staat, wie tief er
auch die Unterdrückung seines Vaterlandes durch denselben fühlt.

"Der große kritische Augenblick muß und wird eintreten, früher viel¬
leicht als man ahnt, wo England seine ganze gewaltige Weltstellung zu ver¬
theidigen haben wird gegen zahlreiche mächtige Feinde. Dann wird das
Donnerwort gegen England die Welt erschüttern: Zurück!" --

"Allein gibt es denn nicht noch eine Möglichkeit, jenen Gegensatz, in
welchem England zur übrigen Welt zu treten gezwungen scheint, auf friedlichem
Wege zu vermitteln? Allerdings, sie scheint in einem gewissen Gange der in¬
nern Entwickelung Englands und in dem Verhältniß derselben zur allgemeinen
menschlichen zu liegen. Alles kommt nämlich darauf an, die Interessen Eng¬
lands mit denen aller andern Völker oder der Menschheit so viel möglich
zu identificiren. Das aber ist nur denkbar in der allgemeinen Freiheit der
Völker und ihres Verkehrs uuter einander, mit Ausschluß jeder kränkenden


Bilder aus der Nahe «ut Ferne.
IV.
England.

G. Höslen, Englands Zustände, Politik und Machtentwickelung;
mit Beziehung auf Deutschland. 2 Bde. Leipzig 1846. Mayer.

Wir haben hier ein Werk von ganz anderer Bedeutung vor uns, als
die leichten Skizzen, deren wir bisher Erwähnung gethan; das Werk eines
einsichtsvollen Politikers, das nicht oberflächlich genossen, sondern studirt
sein will. Im Interesse Deutschlands, um dasselbe über seine Stellung zu
dem mächtigsten aller europäische» Reiche aufzuklären, hat der Verfasser, der
sich schon in der Allgemeinen Zeitung rühmlichst bekannt gemacht hat, diese
Frucht vieljähriger Studien veröffentlicht. Sein Urtheil ist durchaus ruhig
und unparteiisch, wie es einem Gelehrten ziemt; sein Enthusiasmus für
die freie Kraftentwickelung Großbritanniens verblendet ihn nicht gegen die
Schattenseiten desselben, und sein Eifer für das Wohl Deutschlands wird
nie zur Eifersucht gegen einen politisch höher gebildeten Staat, wie tief er
auch die Unterdrückung seines Vaterlandes durch denselben fühlt.

„Der große kritische Augenblick muß und wird eintreten, früher viel¬
leicht als man ahnt, wo England seine ganze gewaltige Weltstellung zu ver¬
theidigen haben wird gegen zahlreiche mächtige Feinde. Dann wird das
Donnerwort gegen England die Welt erschüttern: Zurück!" —

„Allein gibt es denn nicht noch eine Möglichkeit, jenen Gegensatz, in
welchem England zur übrigen Welt zu treten gezwungen scheint, auf friedlichem
Wege zu vermitteln? Allerdings, sie scheint in einem gewissen Gange der in¬
nern Entwickelung Englands und in dem Verhältniß derselben zur allgemeinen
menschlichen zu liegen. Alles kommt nämlich darauf an, die Interessen Eng¬
lands mit denen aller andern Völker oder der Menschheit so viel möglich
zu identificiren. Das aber ist nur denkbar in der allgemeinen Freiheit der
Völker und ihres Verkehrs uuter einander, mit Ausschluß jeder kränkenden


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[0239] Bilder aus der Nahe «ut Ferne. IV. England. G. Höslen, Englands Zustände, Politik und Machtentwickelung; mit Beziehung auf Deutschland. 2 Bde. Leipzig 1846. Mayer. Wir haben hier ein Werk von ganz anderer Bedeutung vor uns, als die leichten Skizzen, deren wir bisher Erwähnung gethan; das Werk eines einsichtsvollen Politikers, das nicht oberflächlich genossen, sondern studirt sein will. Im Interesse Deutschlands, um dasselbe über seine Stellung zu dem mächtigsten aller europäische» Reiche aufzuklären, hat der Verfasser, der sich schon in der Allgemeinen Zeitung rühmlichst bekannt gemacht hat, diese Frucht vieljähriger Studien veröffentlicht. Sein Urtheil ist durchaus ruhig und unparteiisch, wie es einem Gelehrten ziemt; sein Enthusiasmus für die freie Kraftentwickelung Großbritanniens verblendet ihn nicht gegen die Schattenseiten desselben, und sein Eifer für das Wohl Deutschlands wird nie zur Eifersucht gegen einen politisch höher gebildeten Staat, wie tief er auch die Unterdrückung seines Vaterlandes durch denselben fühlt. „Der große kritische Augenblick muß und wird eintreten, früher viel¬ leicht als man ahnt, wo England seine ganze gewaltige Weltstellung zu ver¬ theidigen haben wird gegen zahlreiche mächtige Feinde. Dann wird das Donnerwort gegen England die Welt erschüttern: Zurück!" — „Allein gibt es denn nicht noch eine Möglichkeit, jenen Gegensatz, in welchem England zur übrigen Welt zu treten gezwungen scheint, auf friedlichem Wege zu vermitteln? Allerdings, sie scheint in einem gewissen Gange der in¬ nern Entwickelung Englands und in dem Verhältniß derselben zur allgemeinen menschlichen zu liegen. Alles kommt nämlich darauf an, die Interessen Eng¬ lands mit denen aller andern Völker oder der Menschheit so viel möglich zu identificiren. Das aber ist nur denkbar in der allgemeinen Freiheit der Völker und ihres Verkehrs uuter einander, mit Ausschluß jeder kränkenden

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/239>, abgerufen am 08.05.2024.