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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

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sondern auch gestrebt werden soll, nicht verträgt. Man erinnert sich noch eines
Imprimatur, welches der verstorbene Professor der Mineralogie, Herr von Schee-
rer, einem Manuscripte über Naturlehre versagte mit der Bemerkung, es komme
im ganzen Werke das Wort Gott nicht vor ^ ^ .


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Der vntwnrf de" preußischen WechselgesctzeS. -- Zur Geschichte des Wecbscsrechts in Oesterreich. --
Die Commmialbchördc in Baden. -- Der Kaiser. -- Prärensioncn der Badeorte. --
Dcchlmann.

Der Entwurf zu einem allgemeinen deutschen Wechselgesetz, welches von Preu¬
ßen an alle deutsche Staaten versendet wurde, ist auch hier angelangt und findet
bei allen Sachverständigen die größten Lobsprüche wegen der Klarheit und der
Kürze seiner Fassung. Oesterreich könnte diesem Gesetze mit Leichtigkeit beitreten,
da in den Hauptzügen die Prinzipien unseres eigenen Wcchsclgesetzcs von 1763
darin beibehalten wurden. Nichts destoweniger ist kaum anzunehmen, daß Oester¬
reich sich anschließen wird, und es ist sogar noch zweifelhaft, ob man unserer Seits
den zu diesem Behufe im September in Leipzig zusammentretender Congreß be¬
schicken wird -- wir sind noch nicht vorbereitet! Und doch hätten wir alle Zeit
dazu gehabt, denn die Versuche zur Reform unseres Wcchsclrechts spielen schon
- 30 Jahre! Im Jahre 1818 verfaßte Zimmcrl seinen Entwurf eines öster¬
reichischen Wcchselrcchts und dieser blieb liegen bis 1829, wo Wagner eine Re¬
vision damit vornahm, die wieder liegen blieb, bis man endlich in vielen Sitzun¬
gen im Jahre 1843 damit definitiv zu Ende kam. Seit dieser Zeit circulirt
der fertige Gesetzentwurf im Staatsrathe und es sind abermals 4 müssige Jahre
vorübergegangen. Dieser Gesetzentwurf ist eine so vortreffliche Arbeit, daß er sicher
den Anschluß eines großen Theils der deutschen Staaten erhalten hätte, wenn
man vor vier Jahren die Initiative ergriffen hätte, die Preußen jetzt ergreift.
Nun ist es freilich schwer für uns, den so lang ausgearbeiteten Plan wieder auf¬
zugeben, um der preußischen Codification uns anzuschließen. Eine gewisse tradi¬
tionelle Würde sträubt sich auch dagegen, dem jüngern deutschen Grofistaat den
Vortritt zu lassen, und doch hat sich Oesterreich selbst um diesen Vortritt gebracht
und zwar nicht blos durch seine Langsamkeit, sondern auch dnrch jene traurige
Richtung, die uus ganz entwöhnt hat, bei Gesetzentwürfen eine Gemeinsamkeit mit
dem übrigen Deutschland im Auge zu haben, jene immer größer werdende Isolirt-
heit, die mit Recht fragen läßt, ob Oesterreich deutsch sei?

Was sagen Sie zu dem komischen Bürgermuth, der urplötzlich unsere Nach¬
barstadt Baden anwandelte? Die Thatsache ist folgende. Der verstorbene Kai¬
ser Franz hatte eine Vorliebe für diesen in reizender Umgebung gelegenen Cur-
ort, und brachte sast alljährlich einige Sommerwochen dort zu, was den Ort zu
einem Modeplatz sür die Wiener machte und ihn sehr in Blüthe gebracht hat.
Der regierende Kaiser zieht jedoch Schönbrunn vor, und da er- als Kronprinz
bei einem Spaziergang in der Umgebung von Baden eines Tages von dem wahn¬
sinnigen Hauptmann Breindel mit einer Pistole angefallen wurde, so hat er eine


sondern auch gestrebt werden soll, nicht verträgt. Man erinnert sich noch eines
Imprimatur, welches der verstorbene Professor der Mineralogie, Herr von Schee-
rer, einem Manuscripte über Naturlehre versagte mit der Bemerkung, es komme
im ganzen Werke das Wort Gott nicht vor ^ ^ .


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Der vntwnrf de« preußischen WechselgesctzeS. — Zur Geschichte des Wecbscsrechts in Oesterreich. —
Die Commmialbchördc in Baden. — Der Kaiser. — Prärensioncn der Badeorte. —
Dcchlmann.

Der Entwurf zu einem allgemeinen deutschen Wechselgesetz, welches von Preu¬
ßen an alle deutsche Staaten versendet wurde, ist auch hier angelangt und findet
bei allen Sachverständigen die größten Lobsprüche wegen der Klarheit und der
Kürze seiner Fassung. Oesterreich könnte diesem Gesetze mit Leichtigkeit beitreten,
da in den Hauptzügen die Prinzipien unseres eigenen Wcchsclgesetzcs von 1763
darin beibehalten wurden. Nichts destoweniger ist kaum anzunehmen, daß Oester¬
reich sich anschließen wird, und es ist sogar noch zweifelhaft, ob man unserer Seits
den zu diesem Behufe im September in Leipzig zusammentretender Congreß be¬
schicken wird — wir sind noch nicht vorbereitet! Und doch hätten wir alle Zeit
dazu gehabt, denn die Versuche zur Reform unseres Wcchsclrechts spielen schon
- 30 Jahre! Im Jahre 1818 verfaßte Zimmcrl seinen Entwurf eines öster¬
reichischen Wcchselrcchts und dieser blieb liegen bis 1829, wo Wagner eine Re¬
vision damit vornahm, die wieder liegen blieb, bis man endlich in vielen Sitzun¬
gen im Jahre 1843 damit definitiv zu Ende kam. Seit dieser Zeit circulirt
der fertige Gesetzentwurf im Staatsrathe und es sind abermals 4 müssige Jahre
vorübergegangen. Dieser Gesetzentwurf ist eine so vortreffliche Arbeit, daß er sicher
den Anschluß eines großen Theils der deutschen Staaten erhalten hätte, wenn
man vor vier Jahren die Initiative ergriffen hätte, die Preußen jetzt ergreift.
Nun ist es freilich schwer für uns, den so lang ausgearbeiteten Plan wieder auf¬
zugeben, um der preußischen Codification uns anzuschließen. Eine gewisse tradi¬
tionelle Würde sträubt sich auch dagegen, dem jüngern deutschen Grofistaat den
Vortritt zu lassen, und doch hat sich Oesterreich selbst um diesen Vortritt gebracht
und zwar nicht blos durch seine Langsamkeit, sondern auch dnrch jene traurige
Richtung, die uus ganz entwöhnt hat, bei Gesetzentwürfen eine Gemeinsamkeit mit
dem übrigen Deutschland im Auge zu haben, jene immer größer werdende Isolirt-
heit, die mit Recht fragen läßt, ob Oesterreich deutsch sei?

Was sagen Sie zu dem komischen Bürgermuth, der urplötzlich unsere Nach¬
barstadt Baden anwandelte? Die Thatsache ist folgende. Der verstorbene Kai¬
ser Franz hatte eine Vorliebe für diesen in reizender Umgebung gelegenen Cur-
ort, und brachte sast alljährlich einige Sommerwochen dort zu, was den Ort zu
einem Modeplatz sür die Wiener machte und ihn sehr in Blüthe gebracht hat.
Der regierende Kaiser zieht jedoch Schönbrunn vor, und da er- als Kronprinz
bei einem Spaziergang in der Umgebung von Baden eines Tages von dem wahn¬
sinnigen Hauptmann Breindel mit einer Pistole angefallen wurde, so hat er eine


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[0396] sondern auch gestrebt werden soll, nicht verträgt. Man erinnert sich noch eines Imprimatur, welches der verstorbene Professor der Mineralogie, Herr von Schee- rer, einem Manuscripte über Naturlehre versagte mit der Bemerkung, es komme im ganzen Werke das Wort Gott nicht vor ^ ^ . ' Der vntwnrf de« preußischen WechselgesctzeS. — Zur Geschichte des Wecbscsrechts in Oesterreich. — Die Commmialbchördc in Baden. — Der Kaiser. — Prärensioncn der Badeorte. — Dcchlmann. Der Entwurf zu einem allgemeinen deutschen Wechselgesetz, welches von Preu¬ ßen an alle deutsche Staaten versendet wurde, ist auch hier angelangt und findet bei allen Sachverständigen die größten Lobsprüche wegen der Klarheit und der Kürze seiner Fassung. Oesterreich könnte diesem Gesetze mit Leichtigkeit beitreten, da in den Hauptzügen die Prinzipien unseres eigenen Wcchsclgesetzcs von 1763 darin beibehalten wurden. Nichts destoweniger ist kaum anzunehmen, daß Oester¬ reich sich anschließen wird, und es ist sogar noch zweifelhaft, ob man unserer Seits den zu diesem Behufe im September in Leipzig zusammentretender Congreß be¬ schicken wird — wir sind noch nicht vorbereitet! Und doch hätten wir alle Zeit dazu gehabt, denn die Versuche zur Reform unseres Wcchsclrechts spielen schon - 30 Jahre! Im Jahre 1818 verfaßte Zimmcrl seinen Entwurf eines öster¬ reichischen Wcchselrcchts und dieser blieb liegen bis 1829, wo Wagner eine Re¬ vision damit vornahm, die wieder liegen blieb, bis man endlich in vielen Sitzun¬ gen im Jahre 1843 damit definitiv zu Ende kam. Seit dieser Zeit circulirt der fertige Gesetzentwurf im Staatsrathe und es sind abermals 4 müssige Jahre vorübergegangen. Dieser Gesetzentwurf ist eine so vortreffliche Arbeit, daß er sicher den Anschluß eines großen Theils der deutschen Staaten erhalten hätte, wenn man vor vier Jahren die Initiative ergriffen hätte, die Preußen jetzt ergreift. Nun ist es freilich schwer für uns, den so lang ausgearbeiteten Plan wieder auf¬ zugeben, um der preußischen Codification uns anzuschließen. Eine gewisse tradi¬ tionelle Würde sträubt sich auch dagegen, dem jüngern deutschen Grofistaat den Vortritt zu lassen, und doch hat sich Oesterreich selbst um diesen Vortritt gebracht und zwar nicht blos durch seine Langsamkeit, sondern auch dnrch jene traurige Richtung, die uus ganz entwöhnt hat, bei Gesetzentwürfen eine Gemeinsamkeit mit dem übrigen Deutschland im Auge zu haben, jene immer größer werdende Isolirt- heit, die mit Recht fragen läßt, ob Oesterreich deutsch sei? Was sagen Sie zu dem komischen Bürgermuth, der urplötzlich unsere Nach¬ barstadt Baden anwandelte? Die Thatsache ist folgende. Der verstorbene Kai¬ ser Franz hatte eine Vorliebe für diesen in reizender Umgebung gelegenen Cur- ort, und brachte sast alljährlich einige Sommerwochen dort zu, was den Ort zu einem Modeplatz sür die Wiener machte und ihn sehr in Blüthe gebracht hat. Der regierende Kaiser zieht jedoch Schönbrunn vor, und da er- als Kronprinz bei einem Spaziergang in der Umgebung von Baden eines Tages von dem wahn¬ sinnigen Hauptmann Breindel mit einer Pistole angefallen wurde, so hat er eine

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/396>, abgerufen am 07.05.2024.