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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

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Abneigung gegen den dortigen Aufenthalt und ist seit dieser Zeit nie nieder hin¬
gekommen, was der Stadt, im Vergleich zu früher, bedeutenden Abbruch an vor¬
nehmen Gästen gethan hat. Als nun der Kaiser vor 14 Tagen mit der Kai¬
serin eine Tvurnve nach Steiermark antrat und zum ersten Male Mieder "ach
Baden ankam -- hatte sich weder der Bürgermeister noch irgend Jemand Von
der Communalbehörde zum Empfange eingestellt. -- Die Herren schmollten und
wollten ihr Schmollen officiell an den Tag legen. Ist das nicht eine komische
Form? Zumal in Oesterreich! Wir würden uns Glück wünschen, wenn die
Städte der österreichischen Monarchie allmächtig ihre hartbcdrücktc Gcmeindcfrcihcit
zu wahren suchten, wenn sie auf eine Revision der Gemeindeordnung dringen
würden und einen der faulsten Flecke unserer Zustände zu reformiren suchten.
Wenn mau aber mit so kindischen Manifestationen der harmlosen Persönlichkeit
des Monarchen gegenüber tritt, weil er sich behaglicher in jenem Sommerpalast
als in diesem findet, weil er dort wohnt und nicht da, so ist das ganz einfach
eine Gemeinheit, die von gemein, und nicht von Gemeinde abzuleiten ist; es zeigt
eben, in welchem Kinderröckchcn unser ganzes Communalwesen umher läuft, wenn
der Magistrat einer Stadt, der ein Mal in fünfzig Jahren sich selbstständig zei¬
gen will, weil er's nicht gewöhnt ist, sich so ungeschickt und dumm dabei be¬
nimmt, daß auch diejenigen, welche ein besseres und selbständigeres Gcmeiudc-
leben als eine der nothwendigsten Reformen wünschen, darüber die Achsel zucken
müssen. Wenn alle anderen Kurplätze der österreichischen Monarchie die Prätension
haben würden, daß der Kaiser den Sommer dort zubringen sollte -- dann würden
wir bald einen Bürgerkrieg zwischen Karlsbad und Gastein, Töplitz und Ischl,
Meran und Franzensbrunn, Gleichenberg und Marienbad sich erheben sehen.

Seit Vorgestern befindet sich eine deutsche Celebrität als Gast in unserer
Mitte: Dahlmann! .


IV.

Die Voll'crciwng"" zur UniveisitätSjubilänni. -- Die Wicht des Rectors. -- Licht ton unten,
finster "on öl'en, -- Dus Theütcr und die DK'-ctK'n.

Wer Prag dies Jahr besuchte, hat nicht wohl gethan, denn Prag macht
unausgesetzt Toilette um im Jahre 1848 stattlich geputzt sich den Fremden zu
zeigen, die es zur Jubelfeier der Universität erwartet; ob sie so zahlreich sich ein-
finden als man glaubt ist füglich die Frage, denn neue Historiker, die On'vim"
quiu-kein und sein Wirken studiren, wissen wohl, daß Prag eine Universität be¬
sitzt, welche aber so wenige Lebenszeichen von sich gibt, daß man sie wohl
lange schon zu den Verstorbene" zählt; um so mehr wird mau überrascht sein, '
im nächsten Jahre zu erfahren, daß sie wirklich fünfhundert Jahre hindurch ge¬
lebt hat. Warum auch nicht? Mumien werden noch älter. Das Festcomit"- ist
fortgesetzt in Vorbereitungen zur Feier, der Platz, auf welchem Carl'S Monu¬
ment prangen soll, wird geebnet, Ehrcndoctoren werden ernannt, die Facultäts-


Abneigung gegen den dortigen Aufenthalt und ist seit dieser Zeit nie nieder hin¬
gekommen, was der Stadt, im Vergleich zu früher, bedeutenden Abbruch an vor¬
nehmen Gästen gethan hat. Als nun der Kaiser vor 14 Tagen mit der Kai¬
serin eine Tvurnve nach Steiermark antrat und zum ersten Male Mieder «ach
Baden ankam — hatte sich weder der Bürgermeister noch irgend Jemand Von
der Communalbehörde zum Empfange eingestellt. — Die Herren schmollten und
wollten ihr Schmollen officiell an den Tag legen. Ist das nicht eine komische
Form? Zumal in Oesterreich! Wir würden uns Glück wünschen, wenn die
Städte der österreichischen Monarchie allmächtig ihre hartbcdrücktc Gcmeindcfrcihcit
zu wahren suchten, wenn sie auf eine Revision der Gemeindeordnung dringen
würden und einen der faulsten Flecke unserer Zustände zu reformiren suchten.
Wenn mau aber mit so kindischen Manifestationen der harmlosen Persönlichkeit
des Monarchen gegenüber tritt, weil er sich behaglicher in jenem Sommerpalast
als in diesem findet, weil er dort wohnt und nicht da, so ist das ganz einfach
eine Gemeinheit, die von gemein, und nicht von Gemeinde abzuleiten ist; es zeigt
eben, in welchem Kinderröckchcn unser ganzes Communalwesen umher läuft, wenn
der Magistrat einer Stadt, der ein Mal in fünfzig Jahren sich selbstständig zei¬
gen will, weil er's nicht gewöhnt ist, sich so ungeschickt und dumm dabei be¬
nimmt, daß auch diejenigen, welche ein besseres und selbständigeres Gcmeiudc-
leben als eine der nothwendigsten Reformen wünschen, darüber die Achsel zucken
müssen. Wenn alle anderen Kurplätze der österreichischen Monarchie die Prätension
haben würden, daß der Kaiser den Sommer dort zubringen sollte — dann würden
wir bald einen Bürgerkrieg zwischen Karlsbad und Gastein, Töplitz und Ischl,
Meran und Franzensbrunn, Gleichenberg und Marienbad sich erheben sehen.

Seit Vorgestern befindet sich eine deutsche Celebrität als Gast in unserer
Mitte: Dahlmann! .


IV.

Die Voll'crciwng«» zur UniveisitätSjubilänni. — Die Wicht des Rectors. — Licht ton unten,
finster »on öl'en, — Dus Theütcr und die DK'-ctK'n.

Wer Prag dies Jahr besuchte, hat nicht wohl gethan, denn Prag macht
unausgesetzt Toilette um im Jahre 1848 stattlich geputzt sich den Fremden zu
zeigen, die es zur Jubelfeier der Universität erwartet; ob sie so zahlreich sich ein-
finden als man glaubt ist füglich die Frage, denn neue Historiker, die On'vim»
quiu-kein und sein Wirken studiren, wissen wohl, daß Prag eine Universität be¬
sitzt, welche aber so wenige Lebenszeichen von sich gibt, daß man sie wohl
lange schon zu den Verstorbene» zählt; um so mehr wird mau überrascht sein, '
im nächsten Jahre zu erfahren, daß sie wirklich fünfhundert Jahre hindurch ge¬
lebt hat. Warum auch nicht? Mumien werden noch älter. Das Festcomit«- ist
fortgesetzt in Vorbereitungen zur Feier, der Platz, auf welchem Carl'S Monu¬
ment prangen soll, wird geebnet, Ehrcndoctoren werden ernannt, die Facultäts-


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[0397] Abneigung gegen den dortigen Aufenthalt und ist seit dieser Zeit nie nieder hin¬ gekommen, was der Stadt, im Vergleich zu früher, bedeutenden Abbruch an vor¬ nehmen Gästen gethan hat. Als nun der Kaiser vor 14 Tagen mit der Kai¬ serin eine Tvurnve nach Steiermark antrat und zum ersten Male Mieder «ach Baden ankam — hatte sich weder der Bürgermeister noch irgend Jemand Von der Communalbehörde zum Empfange eingestellt. — Die Herren schmollten und wollten ihr Schmollen officiell an den Tag legen. Ist das nicht eine komische Form? Zumal in Oesterreich! Wir würden uns Glück wünschen, wenn die Städte der österreichischen Monarchie allmächtig ihre hartbcdrücktc Gcmeindcfrcihcit zu wahren suchten, wenn sie auf eine Revision der Gemeindeordnung dringen würden und einen der faulsten Flecke unserer Zustände zu reformiren suchten. Wenn mau aber mit so kindischen Manifestationen der harmlosen Persönlichkeit des Monarchen gegenüber tritt, weil er sich behaglicher in jenem Sommerpalast als in diesem findet, weil er dort wohnt und nicht da, so ist das ganz einfach eine Gemeinheit, die von gemein, und nicht von Gemeinde abzuleiten ist; es zeigt eben, in welchem Kinderröckchcn unser ganzes Communalwesen umher läuft, wenn der Magistrat einer Stadt, der ein Mal in fünfzig Jahren sich selbstständig zei¬ gen will, weil er's nicht gewöhnt ist, sich so ungeschickt und dumm dabei be¬ nimmt, daß auch diejenigen, welche ein besseres und selbständigeres Gcmeiudc- leben als eine der nothwendigsten Reformen wünschen, darüber die Achsel zucken müssen. Wenn alle anderen Kurplätze der österreichischen Monarchie die Prätension haben würden, daß der Kaiser den Sommer dort zubringen sollte — dann würden wir bald einen Bürgerkrieg zwischen Karlsbad und Gastein, Töplitz und Ischl, Meran und Franzensbrunn, Gleichenberg und Marienbad sich erheben sehen. Seit Vorgestern befindet sich eine deutsche Celebrität als Gast in unserer Mitte: Dahlmann! . IV. Die Voll'crciwng«» zur UniveisitätSjubilänni. — Die Wicht des Rectors. — Licht ton unten, finster »on öl'en, — Dus Theütcr und die DK'-ctK'n. Wer Prag dies Jahr besuchte, hat nicht wohl gethan, denn Prag macht unausgesetzt Toilette um im Jahre 1848 stattlich geputzt sich den Fremden zu zeigen, die es zur Jubelfeier der Universität erwartet; ob sie so zahlreich sich ein- finden als man glaubt ist füglich die Frage, denn neue Historiker, die On'vim» quiu-kein und sein Wirken studiren, wissen wohl, daß Prag eine Universität be¬ sitzt, welche aber so wenige Lebenszeichen von sich gibt, daß man sie wohl lange schon zu den Verstorbene» zählt; um so mehr wird mau überrascht sein, ' im nächsten Jahre zu erfahren, daß sie wirklich fünfhundert Jahre hindurch ge¬ lebt hat. Warum auch nicht? Mumien werden noch älter. Das Festcomit«- ist fortgesetzt in Vorbereitungen zur Feier, der Platz, auf welchem Carl'S Monu¬ ment prangen soll, wird geebnet, Ehrcndoctoren werden ernannt, die Facultäts-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/397>, abgerufen am 07.05.2024.