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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

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allem schlagen, und gerade die sind es. Auch dieser Fall liegt innerhalb der
Grenzen menschlicher Berechnung, wenn auch der Vordersatz aus einer Möglich-
.keit diesmal nicht zur Wirklichkeit geworden ist. --

Ein Sieg der Presse! Ein gewaltiger Sieg der österreichischen Presse!
Wir haben Droschken. Doch ich habe mir in llulci jn!>nu einstweilen den Mund
zu voll genommen. Wir haben eine Droschke und zwar "eine einspännige
Droschke/' welche aus dem Innern der Stadt zum Gloggnitzer Bahnhof und
wieder zurückgeht. Man hat der öffentlichen Mnnung eine Concession machen
müssen, "in aber ihren Triumph nicht zu offenbar einzugestehen, läßt Man die
Concessionen tropfenweise stet eigentlich droschkenwcise kommen. Jede Droschke
ist eine verkörperte Concession, die man der öffentlichen Meinung macht, und
alle diese Concessionen, d. l). Droschken zusammen, werden einen Sieg der öffent¬
lichen Meinung bilden.

Dieser Tage haben hier die Buchdrucker ein Gnttenbergfest gefeiert!

Heute wird im Burgtheater "der Brief von Cadix" von Kotzebue gegeben.
Er ist neu einstudirt und in Scene gesetzt worden. Ich höre, daß jetzt
Nachforschungen angestellt werden, ob nicht noch unentdeckte Manuscripte "des
großen Bühnendichters" sich vorfinden. Das Burgtheater wird sie mit Gold
aufwiegen. Man sollte es in mehreren (auch verbotenen) Blättern anzeigen, da¬
mit deutsche Maculatnrhändlcr in ihren Speculationen daraus aufmerksam ge¬
macht würden.


W.
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Sie gehen aufs Land. -- Der Kahlenberg. -- Kamaldulcnser. -- Eine Scene in
Salzburg. -- Kopehk" für Mündlichkeit und Oeffentlichkeir. -- Die Wahlen der
Akademie.

Unsere Residenz bietet in diesem Augenblicke ein mattes, heißes Bild, und
jeder Fremde, der jetzt Wien besucht, lernt nicht die altberühmte, lustige, bewegte
Stadt kennen, denn was nur irgendwie dnrch Vermögensverhältnisse begünstigt ist,
flüchtet sich, wie die Römer vor der Malaria, vor der Langenweile der Stadt.
Die Salons Wiens sind in dessen Umgebungen übersiedelt, und wer durch Ge¬
schäfte gebunden, für einen längern Landaufenthalt sich nicht entfernen kann, sucht
sich aus einzelnen Ausflügen zu entschädigen; Mir ist ein solcher übel bekommen.
Ich flüchtete mich dieser Tage ans den Qualm auf den beherrschenden historischen
Kahlenberg, wo ein verlassenes Kloster, das erst in Oesterreich begründet, an ver¬
gangne Jahrhunderte mit seinem noire-no in"ri erinnert, und in die große
Schlachtcbcne des Marchfeldes hinablenkt. Ich dachte des seligen Pfaffen vom
Kahlenberg, des roscnumkränztcn Otto lustigen Rathes, welchen Anastastus Grün
in einem epischen Gedichte, das nächstens erscheinen wird, verherrlicht hat, da
trat mir beim goldenen "Grenzjäger" eine Möuchsgestalt entgegen, ein KaMaldu-
lenser, der die verlassenen Wohnungen zu besichtigen kam, denn nächstens sollen
seine Ordensbrüder wieder die alten Behausungen beziehen und wie ausgeflogene
Falter naturwidrig sich wieder einpuppen. Es ist als ob man in der Zeit der Bewe¬
gung, des Fortschrittes wieder Mittelalter spielen wollte, oder wie an einem Fast"


allem schlagen, und gerade die sind es. Auch dieser Fall liegt innerhalb der
Grenzen menschlicher Berechnung, wenn auch der Vordersatz aus einer Möglich-
.keit diesmal nicht zur Wirklichkeit geworden ist. —

Ein Sieg der Presse! Ein gewaltiger Sieg der österreichischen Presse!
Wir haben Droschken. Doch ich habe mir in llulci jn!>nu einstweilen den Mund
zu voll genommen. Wir haben eine Droschke und zwar „eine einspännige
Droschke/' welche aus dem Innern der Stadt zum Gloggnitzer Bahnhof und
wieder zurückgeht. Man hat der öffentlichen Mnnung eine Concession machen
müssen, »in aber ihren Triumph nicht zu offenbar einzugestehen, läßt Man die
Concessionen tropfenweise stet eigentlich droschkenwcise kommen. Jede Droschke
ist eine verkörperte Concession, die man der öffentlichen Meinung macht, und
alle diese Concessionen, d. l). Droschken zusammen, werden einen Sieg der öffent¬
lichen Meinung bilden.

Dieser Tage haben hier die Buchdrucker ein Gnttenbergfest gefeiert!

Heute wird im Burgtheater „der Brief von Cadix" von Kotzebue gegeben.
Er ist neu einstudirt und in Scene gesetzt worden. Ich höre, daß jetzt
Nachforschungen angestellt werden, ob nicht noch unentdeckte Manuscripte „des
großen Bühnendichters" sich vorfinden. Das Burgtheater wird sie mit Gold
aufwiegen. Man sollte es in mehreren (auch verbotenen) Blättern anzeigen, da¬
mit deutsche Maculatnrhändlcr in ihren Speculationen daraus aufmerksam ge¬
macht würden.


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Sie gehen aufs Land. — Der Kahlenberg. — Kamaldulcnser. — Eine Scene in
Salzburg. — Kopehk» für Mündlichkeit und Oeffentlichkeir. — Die Wahlen der
Akademie.

Unsere Residenz bietet in diesem Augenblicke ein mattes, heißes Bild, und
jeder Fremde, der jetzt Wien besucht, lernt nicht die altberühmte, lustige, bewegte
Stadt kennen, denn was nur irgendwie dnrch Vermögensverhältnisse begünstigt ist,
flüchtet sich, wie die Römer vor der Malaria, vor der Langenweile der Stadt.
Die Salons Wiens sind in dessen Umgebungen übersiedelt, und wer durch Ge¬
schäfte gebunden, für einen längern Landaufenthalt sich nicht entfernen kann, sucht
sich aus einzelnen Ausflügen zu entschädigen; Mir ist ein solcher übel bekommen.
Ich flüchtete mich dieser Tage ans den Qualm auf den beherrschenden historischen
Kahlenberg, wo ein verlassenes Kloster, das erst in Oesterreich begründet, an ver¬
gangne Jahrhunderte mit seinem noire-no in»ri erinnert, und in die große
Schlachtcbcne des Marchfeldes hinablenkt. Ich dachte des seligen Pfaffen vom
Kahlenberg, des roscnumkränztcn Otto lustigen Rathes, welchen Anastastus Grün
in einem epischen Gedichte, das nächstens erscheinen wird, verherrlicht hat, da
trat mir beim goldenen „Grenzjäger" eine Möuchsgestalt entgegen, ein KaMaldu-
lenser, der die verlassenen Wohnungen zu besichtigen kam, denn nächstens sollen
seine Ordensbrüder wieder die alten Behausungen beziehen und wie ausgeflogene
Falter naturwidrig sich wieder einpuppen. Es ist als ob man in der Zeit der Bewe¬
gung, des Fortschrittes wieder Mittelalter spielen wollte, oder wie an einem Fast«


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[0048] allem schlagen, und gerade die sind es. Auch dieser Fall liegt innerhalb der Grenzen menschlicher Berechnung, wenn auch der Vordersatz aus einer Möglich- .keit diesmal nicht zur Wirklichkeit geworden ist. — Ein Sieg der Presse! Ein gewaltiger Sieg der österreichischen Presse! Wir haben Droschken. Doch ich habe mir in llulci jn!>nu einstweilen den Mund zu voll genommen. Wir haben eine Droschke und zwar „eine einspännige Droschke/' welche aus dem Innern der Stadt zum Gloggnitzer Bahnhof und wieder zurückgeht. Man hat der öffentlichen Mnnung eine Concession machen müssen, »in aber ihren Triumph nicht zu offenbar einzugestehen, läßt Man die Concessionen tropfenweise stet eigentlich droschkenwcise kommen. Jede Droschke ist eine verkörperte Concession, die man der öffentlichen Meinung macht, und alle diese Concessionen, d. l). Droschken zusammen, werden einen Sieg der öffent¬ lichen Meinung bilden. Dieser Tage haben hier die Buchdrucker ein Gnttenbergfest gefeiert! Heute wird im Burgtheater „der Brief von Cadix" von Kotzebue gegeben. Er ist neu einstudirt und in Scene gesetzt worden. Ich höre, daß jetzt Nachforschungen angestellt werden, ob nicht noch unentdeckte Manuscripte „des großen Bühnendichters" sich vorfinden. Das Burgtheater wird sie mit Gold aufwiegen. Man sollte es in mehreren (auch verbotenen) Blättern anzeigen, da¬ mit deutsche Maculatnrhändlcr in ihren Speculationen daraus aufmerksam ge¬ macht würden. W. ^-^^^W^ Sie gehen aufs Land. — Der Kahlenberg. — Kamaldulcnser. — Eine Scene in Salzburg. — Kopehk» für Mündlichkeit und Oeffentlichkeir. — Die Wahlen der Akademie. Unsere Residenz bietet in diesem Augenblicke ein mattes, heißes Bild, und jeder Fremde, der jetzt Wien besucht, lernt nicht die altberühmte, lustige, bewegte Stadt kennen, denn was nur irgendwie dnrch Vermögensverhältnisse begünstigt ist, flüchtet sich, wie die Römer vor der Malaria, vor der Langenweile der Stadt. Die Salons Wiens sind in dessen Umgebungen übersiedelt, und wer durch Ge¬ schäfte gebunden, für einen längern Landaufenthalt sich nicht entfernen kann, sucht sich aus einzelnen Ausflügen zu entschädigen; Mir ist ein solcher übel bekommen. Ich flüchtete mich dieser Tage ans den Qualm auf den beherrschenden historischen Kahlenberg, wo ein verlassenes Kloster, das erst in Oesterreich begründet, an ver¬ gangne Jahrhunderte mit seinem noire-no in»ri erinnert, und in die große Schlachtcbcne des Marchfeldes hinablenkt. Ich dachte des seligen Pfaffen vom Kahlenberg, des roscnumkränztcn Otto lustigen Rathes, welchen Anastastus Grün in einem epischen Gedichte, das nächstens erscheinen wird, verherrlicht hat, da trat mir beim goldenen „Grenzjäger" eine Möuchsgestalt entgegen, ein KaMaldu- lenser, der die verlassenen Wohnungen zu besichtigen kam, denn nächstens sollen seine Ordensbrüder wieder die alten Behausungen beziehen und wie ausgeflogene Falter naturwidrig sich wieder einpuppen. Es ist als ob man in der Zeit der Bewe¬ gung, des Fortschrittes wieder Mittelalter spielen wollte, oder wie an einem Fast«

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/48>, abgerufen am 08.05.2024.