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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

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nachtsspicle sich ergötzen möchte! Ich war in die trübste Stimmung versetzt, als
ein lange nicht gesehener Freund zufällig an meinen Tisch sich hinsetzte und nach
den ersten herzlichen Begrüßungen mir Folgendes aus Salzburg, woher er eben
gekommen war, erzählte:

Die Jesuiten, welche von der Regierung des Erzhcrzogthnmö -- in welchem
nicht eine katholische Zeitung erscheint -- eben nicht begünstigt werden, wußten
trotz dieses Umstandes es dahin zu bringen, in Salzburg zu predigen. Diese
Erlaubniß rächte sich aber gar bald, indem an einem der letzten Fasttage ein
Weltpriester, der die Stelle eines Pfarrers inne hat, Plötzlich nach der Predigt
vor dem zahlreich versammelten Volke auf die Knie, stürzte und sich reumüthig
anklagte, seinen Pflichten als Seelenhirt nicht hinlänglich nachgekommen zu sein,
und wie er sich, nachdem ihn die Misstonsprcdiger die Schuppen von den Augen
gerissen, unwürdig fühle, der Gemeinde vorzustehen,

Der Mann, der mir dieses erzählte, ist ein so glaubwürdiger, daß ich nicht
Anstand nehmen darf, es nachzuerzählen, so wunderbar auch die Geschichte klingt.

Das vielbesprochene, laugverhcißcne Censurcollegium scheint doch endlich ent¬
stehen zu wollen, und es ist vielleicht manche Erleichterung in den Prcßvcrhält-
nissen auch im Prinzip zu erwarten. Wir schließen dies aus einem so eben hier
erschienenen Buche, welches im Gegensatze zu den eben geschilderten Verdunkelun¬
gen des geistigen Horizonts eine" schönen Gegensatz bildet. Ein siebenzigjähngcr
Greis am Ende seiner Beamtenlaufbahn, als praktischer Rechtsgelehrter er¬
graut, hat seine Erfahrungen in einem Buche niedergelegt, und spricht die aus
ihnen hervorgcwachsenc Ueberzeugung ans, daß nur Öffentlichkeit und
Mündlich keit des Verfahrens in Rechtsangelegenheiten vernünftig und im
Geleite mit diesen eine freisinnige Presse nöthig sei. Kopctzky heißt dieser ehr¬
liche Mann.

Die Präsidentenwahl unserer neuen Akademie ist endlich vor sich gegangen.
Erzherzog Johann kommt eigends von Steyermark Hieher, um der Wahl, die
unter dem Vorsitz eines Alterspräsidenten (Ladislaus Pyrker) Statt fand, beizu¬
wohnen. Für die definitive Präsidenteuschast erhielten Hammer-Pnrgstall, Baum-
gesriner und Hügel Stimmen; Hammer hatte jedoch die meisten und wurde daher
zum Präsidenten proclamirt, zum Vicepräsidenten Baumgärtner. Als erster Se-
cretär erhielt Ettingshauscn, als zweiter der Custos Wolf die meisten Stimmen.
Letzterer hatte Endlicher und Chenal zu Rivalen. Nun wird die Wahl dem
0--0. Kaiser zur Bestätigung vorgelegt.


IV.

Die Stille nach dem Sturm. -- Factische Widerlegung der politischen Un¬
mündigkeit.

Berlin ist jetzt verödet; nach der großen Aufregung, welche die politische
Umgestaltung unserer Verhältnisse in den verflossenen Monaten hervorbrachte, ist


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nachtsspicle sich ergötzen möchte! Ich war in die trübste Stimmung versetzt, als
ein lange nicht gesehener Freund zufällig an meinen Tisch sich hinsetzte und nach
den ersten herzlichen Begrüßungen mir Folgendes aus Salzburg, woher er eben
gekommen war, erzählte:

Die Jesuiten, welche von der Regierung des Erzhcrzogthnmö — in welchem
nicht eine katholische Zeitung erscheint — eben nicht begünstigt werden, wußten
trotz dieses Umstandes es dahin zu bringen, in Salzburg zu predigen. Diese
Erlaubniß rächte sich aber gar bald, indem an einem der letzten Fasttage ein
Weltpriester, der die Stelle eines Pfarrers inne hat, Plötzlich nach der Predigt
vor dem zahlreich versammelten Volke auf die Knie, stürzte und sich reumüthig
anklagte, seinen Pflichten als Seelenhirt nicht hinlänglich nachgekommen zu sein,
und wie er sich, nachdem ihn die Misstonsprcdiger die Schuppen von den Augen
gerissen, unwürdig fühle, der Gemeinde vorzustehen,

Der Mann, der mir dieses erzählte, ist ein so glaubwürdiger, daß ich nicht
Anstand nehmen darf, es nachzuerzählen, so wunderbar auch die Geschichte klingt.

Das vielbesprochene, laugverhcißcne Censurcollegium scheint doch endlich ent¬
stehen zu wollen, und es ist vielleicht manche Erleichterung in den Prcßvcrhält-
nissen auch im Prinzip zu erwarten. Wir schließen dies aus einem so eben hier
erschienenen Buche, welches im Gegensatze zu den eben geschilderten Verdunkelun¬
gen des geistigen Horizonts eine» schönen Gegensatz bildet. Ein siebenzigjähngcr
Greis am Ende seiner Beamtenlaufbahn, als praktischer Rechtsgelehrter er¬
graut, hat seine Erfahrungen in einem Buche niedergelegt, und spricht die aus
ihnen hervorgcwachsenc Ueberzeugung ans, daß nur Öffentlichkeit und
Mündlich keit des Verfahrens in Rechtsangelegenheiten vernünftig und im
Geleite mit diesen eine freisinnige Presse nöthig sei. Kopctzky heißt dieser ehr¬
liche Mann.

Die Präsidentenwahl unserer neuen Akademie ist endlich vor sich gegangen.
Erzherzog Johann kommt eigends von Steyermark Hieher, um der Wahl, die
unter dem Vorsitz eines Alterspräsidenten (Ladislaus Pyrker) Statt fand, beizu¬
wohnen. Für die definitive Präsidenteuschast erhielten Hammer-Pnrgstall, Baum-
gesriner und Hügel Stimmen; Hammer hatte jedoch die meisten und wurde daher
zum Präsidenten proclamirt, zum Vicepräsidenten Baumgärtner. Als erster Se-
cretär erhielt Ettingshauscn, als zweiter der Custos Wolf die meisten Stimmen.
Letzterer hatte Endlicher und Chenal zu Rivalen. Nun wird die Wahl dem
0—0. Kaiser zur Bestätigung vorgelegt.


IV.

Die Stille nach dem Sturm. — Factische Widerlegung der politischen Un¬
mündigkeit.

Berlin ist jetzt verödet; nach der großen Aufregung, welche die politische
Umgestaltung unserer Verhältnisse in den verflossenen Monaten hervorbrachte, ist


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[0049] nachtsspicle sich ergötzen möchte! Ich war in die trübste Stimmung versetzt, als ein lange nicht gesehener Freund zufällig an meinen Tisch sich hinsetzte und nach den ersten herzlichen Begrüßungen mir Folgendes aus Salzburg, woher er eben gekommen war, erzählte: Die Jesuiten, welche von der Regierung des Erzhcrzogthnmö — in welchem nicht eine katholische Zeitung erscheint — eben nicht begünstigt werden, wußten trotz dieses Umstandes es dahin zu bringen, in Salzburg zu predigen. Diese Erlaubniß rächte sich aber gar bald, indem an einem der letzten Fasttage ein Weltpriester, der die Stelle eines Pfarrers inne hat, Plötzlich nach der Predigt vor dem zahlreich versammelten Volke auf die Knie, stürzte und sich reumüthig anklagte, seinen Pflichten als Seelenhirt nicht hinlänglich nachgekommen zu sein, und wie er sich, nachdem ihn die Misstonsprcdiger die Schuppen von den Augen gerissen, unwürdig fühle, der Gemeinde vorzustehen, Der Mann, der mir dieses erzählte, ist ein so glaubwürdiger, daß ich nicht Anstand nehmen darf, es nachzuerzählen, so wunderbar auch die Geschichte klingt. Das vielbesprochene, laugverhcißcne Censurcollegium scheint doch endlich ent¬ stehen zu wollen, und es ist vielleicht manche Erleichterung in den Prcßvcrhält- nissen auch im Prinzip zu erwarten. Wir schließen dies aus einem so eben hier erschienenen Buche, welches im Gegensatze zu den eben geschilderten Verdunkelun¬ gen des geistigen Horizonts eine» schönen Gegensatz bildet. Ein siebenzigjähngcr Greis am Ende seiner Beamtenlaufbahn, als praktischer Rechtsgelehrter er¬ graut, hat seine Erfahrungen in einem Buche niedergelegt, und spricht die aus ihnen hervorgcwachsenc Ueberzeugung ans, daß nur Öffentlichkeit und Mündlich keit des Verfahrens in Rechtsangelegenheiten vernünftig und im Geleite mit diesen eine freisinnige Presse nöthig sei. Kopctzky heißt dieser ehr¬ liche Mann. Die Präsidentenwahl unserer neuen Akademie ist endlich vor sich gegangen. Erzherzog Johann kommt eigends von Steyermark Hieher, um der Wahl, die unter dem Vorsitz eines Alterspräsidenten (Ladislaus Pyrker) Statt fand, beizu¬ wohnen. Für die definitive Präsidenteuschast erhielten Hammer-Pnrgstall, Baum- gesriner und Hügel Stimmen; Hammer hatte jedoch die meisten und wurde daher zum Präsidenten proclamirt, zum Vicepräsidenten Baumgärtner. Als erster Se- cretär erhielt Ettingshauscn, als zweiter der Custos Wolf die meisten Stimmen. Letzterer hatte Endlicher und Chenal zu Rivalen. Nun wird die Wahl dem 0—0. Kaiser zur Bestätigung vorgelegt. IV. Die Stille nach dem Sturm. — Factische Widerlegung der politischen Un¬ mündigkeit. Berlin ist jetzt verödet; nach der großen Aufregung, welche die politische Umgestaltung unserer Verhältnisse in den verflossenen Monaten hervorbrachte, ist 6"

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/49>, abgerufen am 07.05.2024.