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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

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eine gewisse Mattigkeit eingetreten. Zugleich ist die dramatische Saison beendigt;
wer es irgend im Stande ist, flicht aus unserer sandigen Einöde, um irgendwo
einmal grüne Bäume, Berge und klares Wasser zu sehen.

Ich muß gestehen, es liegt in dieser Stille etwas Drückendes; mitten im
Lause der Landtagsvcrhandlungcn wurden wir hingerissen, wir waren wie trunken
von dem neuen Wein, den man uns einschenkte, wir hatten endlich glauben ge¬
lernt. Nun ist die Zeit der Reden, die Zeit der Toaste vorüber; was haben
wir eigentlich errungen! -- Die Antwort ist schwer. Das Gouvernement hat
selbst die -- man kann sagen mit Einstimmigkeit vorgetragenen -- ermäßigten
Bitten seiner "getreuen Stände" zurückgewiesen. Die Opposition ist noch zum
Schluß zersplittert, und wir wissen noch nicht -- das Gouvernement vielleicht
eben so wenig -- was der letzte Schritt der extremen Rechtspartei >-- die Ver¬
weigerung der Ansschußwahlcn -- sür diese für Folgen haben wird. Der Land-
tagscommissarius hat die weitere Entwickelung der Vorsehung anheimgestellt.

Eines wenigstens haben wir gewonnen. Wir haben gesehen, daß unsere
politischen Vertreter -- es möge mit ihrem politischen Tact stehen wie es wolle,
(und Sie wissen, daß ich keine übertriebene Ehrfurcht vor demselben habe) -- Männer
von Muth, von Ehre, von Charakter sind. Wenn ich nichts weiter hervorheben
wollte als das Benehmen der Ostpreußen in der Frage über die Eisenbcchnanlcihe,
so können wir diesen Zug mit Stolz einem Nachbarvolke entgegenwerfen, das noch
immer auf unsere "politische Unmündigkeit" höhnisch Herabsicht, noch in diesem
Augenblick, wo eine Reihe scandalöser Ereignisse es darthun, daß seine Regierung,
seine Couservatcurs und seine Opposition gleich seil sind, daß all' ihre Phrasen
von Freiheit und Gleichheit dem Wesen nach ans Eins herauskommen, den Beutel.
Die preußische Opposition hat, um das Recht des Volkes aufrecht zu halten, einen
Antrag der Regierung verworfen, der sür ihre Provinz die unmittelbarsten, segen¬
reichsten Früchte tragen mußte. Und wer ist diese Opposition? Sind es unreife
Idealisten, Burschenschafter, Philosophen, Advocaten, Proletarier, die mit Leich¬
tigkeit über Kronen und Scepter verfügen, weil sie keine haben? -- Nein, es
sind große Grundbesitzer, Kaufleute, Bürger und Bauern, deren Interesse am
Unmittelbarsten von den wichtigen Fragen, die sie vom Standpunkte des Rechts
aus perncinten, berührt wird. Obgleich die preußischen Abgeordneten -- mit
Einer nicht sehr erfreulichen Ausnahme -- kein hervorstechendes Talent in ihren
Reihen zählen, so gebührt ihnen doch dieser That wegen der Preis; denn der
ist der Würdigste, ein braves Volk zu vertreten, der sich selbst, sein eigenes
I Z7enköllll. nteresse zu verleugnen weiß.


V.

Der Hof und die ständische Deputation. -- Ein Ncscnpt. -- Die Lottericbeschwerden.

Die Deputation böhmischer Stände, welche die Aufhebung des Lotto zu
Wien hat neuerdings erbitten sollen, ist heimgekehrt ohne Hoffnung auf günstige


eine gewisse Mattigkeit eingetreten. Zugleich ist die dramatische Saison beendigt;
wer es irgend im Stande ist, flicht aus unserer sandigen Einöde, um irgendwo
einmal grüne Bäume, Berge und klares Wasser zu sehen.

Ich muß gestehen, es liegt in dieser Stille etwas Drückendes; mitten im
Lause der Landtagsvcrhandlungcn wurden wir hingerissen, wir waren wie trunken
von dem neuen Wein, den man uns einschenkte, wir hatten endlich glauben ge¬
lernt. Nun ist die Zeit der Reden, die Zeit der Toaste vorüber; was haben
wir eigentlich errungen! — Die Antwort ist schwer. Das Gouvernement hat
selbst die — man kann sagen mit Einstimmigkeit vorgetragenen — ermäßigten
Bitten seiner „getreuen Stände" zurückgewiesen. Die Opposition ist noch zum
Schluß zersplittert, und wir wissen noch nicht — das Gouvernement vielleicht
eben so wenig — was der letzte Schritt der extremen Rechtspartei >— die Ver¬
weigerung der Ansschußwahlcn — sür diese für Folgen haben wird. Der Land-
tagscommissarius hat die weitere Entwickelung der Vorsehung anheimgestellt.

Eines wenigstens haben wir gewonnen. Wir haben gesehen, daß unsere
politischen Vertreter — es möge mit ihrem politischen Tact stehen wie es wolle,
(und Sie wissen, daß ich keine übertriebene Ehrfurcht vor demselben habe) — Männer
von Muth, von Ehre, von Charakter sind. Wenn ich nichts weiter hervorheben
wollte als das Benehmen der Ostpreußen in der Frage über die Eisenbcchnanlcihe,
so können wir diesen Zug mit Stolz einem Nachbarvolke entgegenwerfen, das noch
immer auf unsere „politische Unmündigkeit" höhnisch Herabsicht, noch in diesem
Augenblick, wo eine Reihe scandalöser Ereignisse es darthun, daß seine Regierung,
seine Couservatcurs und seine Opposition gleich seil sind, daß all' ihre Phrasen
von Freiheit und Gleichheit dem Wesen nach ans Eins herauskommen, den Beutel.
Die preußische Opposition hat, um das Recht des Volkes aufrecht zu halten, einen
Antrag der Regierung verworfen, der sür ihre Provinz die unmittelbarsten, segen¬
reichsten Früchte tragen mußte. Und wer ist diese Opposition? Sind es unreife
Idealisten, Burschenschafter, Philosophen, Advocaten, Proletarier, die mit Leich¬
tigkeit über Kronen und Scepter verfügen, weil sie keine haben? — Nein, es
sind große Grundbesitzer, Kaufleute, Bürger und Bauern, deren Interesse am
Unmittelbarsten von den wichtigen Fragen, die sie vom Standpunkte des Rechts
aus perncinten, berührt wird. Obgleich die preußischen Abgeordneten — mit
Einer nicht sehr erfreulichen Ausnahme — kein hervorstechendes Talent in ihren
Reihen zählen, so gebührt ihnen doch dieser That wegen der Preis; denn der
ist der Würdigste, ein braves Volk zu vertreten, der sich selbst, sein eigenes
I Z7enköllll. nteresse zu verleugnen weiß.


V.

Der Hof und die ständische Deputation. — Ein Ncscnpt. — Die Lottericbeschwerden.

Die Deputation böhmischer Stände, welche die Aufhebung des Lotto zu
Wien hat neuerdings erbitten sollen, ist heimgekehrt ohne Hoffnung auf günstige


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/50>, abgerufen am 07.05.2024.