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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

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Wanderungen durch Pesth



in.

Die Frauen. -- Wie man die ganze schöne Welt an cineri Tage sehen kann. -- DaS Kaiserbad und
seine Abenteuer -- Kein Markt sür Jesuiten. -- Gin Redacteur, der sein Geschäft versteht. --
Magyarische Zeitungen. -- Der Ast vom Wuudcrstammc. -- MerkanlilischcS Vehmgericht. _
Ehescnsalc. -- Die Quäler Israels. -- Anstrengungen des Adels zur Hebung der
Hauptstadt. -- Kurze Vcmcrkuugcn,

Die Pesther Frauen gehören zu den liebenswürdigsten Geschöpfen von der Welt
die man findet; sie sind naiv wie Kinder, unwissend wie Creoliuuen und unschul¬
dig -- trotz ihrer Sünden. Sie wissen, daß sie schön sind: laufende bewundernde
Blicke haben es Ihnen auf Spaziergängen, in Gesellschaften und im Theater zu¬
gerufen; aber auch, wenn ihnen ein Mann gefallt, bedarf es keiner sonderlichen
Hieroglypheukuude, um ihre Gefühle in Auge und Zügen zu entziffern. Jene
seltsamen Romane, wo Hans und Grete ein Jahrzehent in Sehnsucht vergehen,
ohne daß Einer den Brand im Herzen des Andern riecht, werden im raschen Un¬
garn nicht gespielt. Gewiß, ein Auge verschleiert in frommer Verschämtheit, hat seine
Anmuth, aber ein offenes, in sichern Gefühlen erglänzendes Ange ist Sonnenlicht,
das Blüthen weckt und süße Früchte reift. Geistreich sind sie wohl nicht die Töch¬
ter des erst erwachten Landes, aber ihre Einfälle haben die Frische der Ursprüng-
lichkeit und sie können allerliebst plaudern, wie kluge Kiuder. Die Liebe verklärt
ste nicht, aber sie gehen ganz in ihren Flammen auf. Liebe ist das Hauptgeschäft
ihres Lebeus; das Mädchen sehnt sich nach einem Geliebten, die Jungfrau besitzt
ihn, die Frau wechselt ihn. Dieses Leben der Liebe gewidmet, sällt ihr auch oft
Zum Opfer. Die Donau hat schon manches brennende Herz in ihren kalten Tie¬
fen gelöscht; wenn die Gesellschaft mit ihren Rücksichten zwischen die Liebenden
tutt, zerreißen sie oft das Band des Lebens und fliehen in eine andere Welt. Es
^ noch gar nicht lauge, daß ein Offizier von Adel, dem engherzige Verwandte
nicht die Heirath einer Bürgerstochter gestatten wollten, sich und seiner Geliebten
die gequälten Herzen durch die Kugel zerrissen. Aber nicht immer hält der Mann
gleichen Schritt mit der unendlichen Liebe dieser Frauen. Man erzählte mir von
Zwei Liebenden, die beschlossen hatten, zu sterben, da die Geliebte das Unglück
hatte, bereits verheirathet zu sein, dem Liebenden aber die Ehegesetze gar nicht
nniudeu wollten. Die Frau entschloß sich gern zur Flucht mit dem Geliebten und


Wanderungen durch Pesth



in.

Die Frauen. — Wie man die ganze schöne Welt an cineri Tage sehen kann. — DaS Kaiserbad und
seine Abenteuer — Kein Markt sür Jesuiten. — Gin Redacteur, der sein Geschäft versteht. —
Magyarische Zeitungen. — Der Ast vom Wuudcrstammc. — MerkanlilischcS Vehmgericht. _
Ehescnsalc. — Die Quäler Israels. — Anstrengungen des Adels zur Hebung der
Hauptstadt. — Kurze Vcmcrkuugcn,

Die Pesther Frauen gehören zu den liebenswürdigsten Geschöpfen von der Welt
die man findet; sie sind naiv wie Kinder, unwissend wie Creoliuuen und unschul¬
dig — trotz ihrer Sünden. Sie wissen, daß sie schön sind: laufende bewundernde
Blicke haben es Ihnen auf Spaziergängen, in Gesellschaften und im Theater zu¬
gerufen; aber auch, wenn ihnen ein Mann gefallt, bedarf es keiner sonderlichen
Hieroglypheukuude, um ihre Gefühle in Auge und Zügen zu entziffern. Jene
seltsamen Romane, wo Hans und Grete ein Jahrzehent in Sehnsucht vergehen,
ohne daß Einer den Brand im Herzen des Andern riecht, werden im raschen Un¬
garn nicht gespielt. Gewiß, ein Auge verschleiert in frommer Verschämtheit, hat seine
Anmuth, aber ein offenes, in sichern Gefühlen erglänzendes Ange ist Sonnenlicht,
das Blüthen weckt und süße Früchte reift. Geistreich sind sie wohl nicht die Töch¬
ter des erst erwachten Landes, aber ihre Einfälle haben die Frische der Ursprüng-
lichkeit und sie können allerliebst plaudern, wie kluge Kiuder. Die Liebe verklärt
ste nicht, aber sie gehen ganz in ihren Flammen auf. Liebe ist das Hauptgeschäft
ihres Lebeus; das Mädchen sehnt sich nach einem Geliebten, die Jungfrau besitzt
ihn, die Frau wechselt ihn. Dieses Leben der Liebe gewidmet, sällt ihr auch oft
Zum Opfer. Die Donau hat schon manches brennende Herz in ihren kalten Tie¬
fen gelöscht; wenn die Gesellschaft mit ihren Rücksichten zwischen die Liebenden
tutt, zerreißen sie oft das Band des Lebens und fliehen in eine andere Welt. Es
^ noch gar nicht lauge, daß ein Offizier von Adel, dem engherzige Verwandte
nicht die Heirath einer Bürgerstochter gestatten wollten, sich und seiner Geliebten
die gequälten Herzen durch die Kugel zerrissen. Aber nicht immer hält der Mann
gleichen Schritt mit der unendlichen Liebe dieser Frauen. Man erzählte mir von
Zwei Liebenden, die beschlossen hatten, zu sterben, da die Geliebte das Unglück
hatte, bereits verheirathet zu sein, dem Liebenden aber die Ehegesetze gar nicht
nniudeu wollten. Die Frau entschloß sich gern zur Flucht mit dem Geliebten und


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[0509] Wanderungen durch Pesth in. Die Frauen. — Wie man die ganze schöne Welt an cineri Tage sehen kann. — DaS Kaiserbad und seine Abenteuer — Kein Markt sür Jesuiten. — Gin Redacteur, der sein Geschäft versteht. — Magyarische Zeitungen. — Der Ast vom Wuudcrstammc. — MerkanlilischcS Vehmgericht. _ Ehescnsalc. — Die Quäler Israels. — Anstrengungen des Adels zur Hebung der Hauptstadt. — Kurze Vcmcrkuugcn, Die Pesther Frauen gehören zu den liebenswürdigsten Geschöpfen von der Welt die man findet; sie sind naiv wie Kinder, unwissend wie Creoliuuen und unschul¬ dig — trotz ihrer Sünden. Sie wissen, daß sie schön sind: laufende bewundernde Blicke haben es Ihnen auf Spaziergängen, in Gesellschaften und im Theater zu¬ gerufen; aber auch, wenn ihnen ein Mann gefallt, bedarf es keiner sonderlichen Hieroglypheukuude, um ihre Gefühle in Auge und Zügen zu entziffern. Jene seltsamen Romane, wo Hans und Grete ein Jahrzehent in Sehnsucht vergehen, ohne daß Einer den Brand im Herzen des Andern riecht, werden im raschen Un¬ garn nicht gespielt. Gewiß, ein Auge verschleiert in frommer Verschämtheit, hat seine Anmuth, aber ein offenes, in sichern Gefühlen erglänzendes Ange ist Sonnenlicht, das Blüthen weckt und süße Früchte reift. Geistreich sind sie wohl nicht die Töch¬ ter des erst erwachten Landes, aber ihre Einfälle haben die Frische der Ursprüng- lichkeit und sie können allerliebst plaudern, wie kluge Kiuder. Die Liebe verklärt ste nicht, aber sie gehen ganz in ihren Flammen auf. Liebe ist das Hauptgeschäft ihres Lebeus; das Mädchen sehnt sich nach einem Geliebten, die Jungfrau besitzt ihn, die Frau wechselt ihn. Dieses Leben der Liebe gewidmet, sällt ihr auch oft Zum Opfer. Die Donau hat schon manches brennende Herz in ihren kalten Tie¬ fen gelöscht; wenn die Gesellschaft mit ihren Rücksichten zwischen die Liebenden tutt, zerreißen sie oft das Band des Lebens und fliehen in eine andere Welt. Es ^ noch gar nicht lauge, daß ein Offizier von Adel, dem engherzige Verwandte nicht die Heirath einer Bürgerstochter gestatten wollten, sich und seiner Geliebten die gequälten Herzen durch die Kugel zerrissen. Aber nicht immer hält der Mann gleichen Schritt mit der unendlichen Liebe dieser Frauen. Man erzählte mir von Zwei Liebenden, die beschlossen hatten, zu sterben, da die Geliebte das Unglück hatte, bereits verheirathet zu sein, dem Liebenden aber die Ehegesetze gar nicht nniudeu wollten. Die Frau entschloß sich gern zur Flucht mit dem Geliebten und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/509>, abgerufen am 07.05.2024.