Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Eindruck dieses Entsetzens ist unbeschreiblich und am andern Tage begab sich eine De¬
putation, Rothschild an der Spitze, nicht zum Baron Kübel, sondern zum -- Fürsten
Metternich. Man wollte Aufklärung über Krieg oder Frieden, über den Stand des
Staatsvcrmögens, und Gott weiß worüber Alles. Und wunderbar -- der Staat, der
sich nichts abtrotzen lassen will --- gab sogleich nach, und am andern Tage wurden für
Rechnung des Kammerpräsidenten neuerdings für 7 Millionen Aktien gekauft. Die
Metalliques, die Tags zuvor um mehr als ein Procent gefallen waren, erhoben sich
wieder -- aber der Cours der übrigen Papiere blieb matt wie zuvor. Und wer kann
sich verhehlen, daß die Staatsankäufe, die nnn gewissermaßen i>in- t'nree gemacht wurden,
endlich doch ihr definitives Ende erreichen müssen. Hypochondrische Gemüther sind von den
schwärzesten Ahnungen befallen und selbst ruhige Männer schütteln bedenklich das Haupt.

Dica Alles ist nicht blos für die Lage unserer Finanzen von Wichtigkeit, sondern
auch für unsere politische Zukunft. Das Gouvernement, das nicht mehr zwangsweise
den Cours der Banknoten feststellt, das den Credit der Bevölkerung zu seinem Be¬
stand braucht, muß auch auf die öffentliche Meinung hören. Hätte man auf diese ge¬
hört zur Zeit, als man enorme Summen an die Unterstützung der Carlisten und Mi-
gnelisten verschwendete für das absurde Ritterthum der Legitimität, würde man auf sie
hören, wenn sie Ersparnisse im Beamtenbudget verlangt durch Ueberlieferung einzelner
Verwaltungszweige an die Communen, durch Organisirung eines Gemciudcwesens -- würde
man sie hören in der Tariffragc, die bei einer Annäherung an den Zollverein das Heer
der Finanzwachc zu decimiren erlaubte, würde man sie hören in Bezug auf eine freiere
Presse, die besser Staat und Menschen überwacht, als das theuere Heer der Polizei-
spione, würde mau sie hören in Bezug ans Gewerbefreiheit, gegenüber dem Monopol
lind Zunftzwang, würde man sie hören in tausend und abermals tausend Beschwerden gegen
das Zopfthum einer veralteten Administration, welche die Nachbarvölker längst zu ihrem
Heile und Wohlstand abgestreift haben, so wäre das Einkommen des reichen unerschöpf¬
lichen Oesterreichs längst verdoppelt u'ut der Staat müßte nicht bei jedem Luftzug in
der politischen Welt vor einem Bankerott zittern, er wäre nicht in der Lage, den Geld¬
baronen nach einer einzigen Audienz die wichtigsten Concessionen zu machen, während
die Stäudeschaften seiner loyalsten Provinzen, während die Petition seiner besten schrift¬
stellerischen Geister jahrelang vergebens auf eine günstige, ja überhaupt auf eine Ant¬
E. wort warten.




M^K^ Wiederholt bitten wir unsere Herren Korrespondenten (mit Aus¬
nahme jener, denen wir besondere Adressen angaben) Briefe und Packete unter
der Adresse des Redacteurs oder der Verlagshandlung nach Leipzig zu
cidresfiren.




Verlag von Fr. Lttdw. Herbig. -- Redacteur- I. Kuranda.
Druck von Friedrich Andrä.

Eindruck dieses Entsetzens ist unbeschreiblich und am andern Tage begab sich eine De¬
putation, Rothschild an der Spitze, nicht zum Baron Kübel, sondern zum — Fürsten
Metternich. Man wollte Aufklärung über Krieg oder Frieden, über den Stand des
Staatsvcrmögens, und Gott weiß worüber Alles. Und wunderbar — der Staat, der
sich nichts abtrotzen lassen will -— gab sogleich nach, und am andern Tage wurden für
Rechnung des Kammerpräsidenten neuerdings für 7 Millionen Aktien gekauft. Die
Metalliques, die Tags zuvor um mehr als ein Procent gefallen waren, erhoben sich
wieder — aber der Cours der übrigen Papiere blieb matt wie zuvor. Und wer kann
sich verhehlen, daß die Staatsankäufe, die nnn gewissermaßen i>in- t'nree gemacht wurden,
endlich doch ihr definitives Ende erreichen müssen. Hypochondrische Gemüther sind von den
schwärzesten Ahnungen befallen und selbst ruhige Männer schütteln bedenklich das Haupt.

Dica Alles ist nicht blos für die Lage unserer Finanzen von Wichtigkeit, sondern
auch für unsere politische Zukunft. Das Gouvernement, das nicht mehr zwangsweise
den Cours der Banknoten feststellt, das den Credit der Bevölkerung zu seinem Be¬
stand braucht, muß auch auf die öffentliche Meinung hören. Hätte man auf diese ge¬
hört zur Zeit, als man enorme Summen an die Unterstützung der Carlisten und Mi-
gnelisten verschwendete für das absurde Ritterthum der Legitimität, würde man auf sie
hören, wenn sie Ersparnisse im Beamtenbudget verlangt durch Ueberlieferung einzelner
Verwaltungszweige an die Communen, durch Organisirung eines Gemciudcwesens — würde
man sie hören in der Tariffragc, die bei einer Annäherung an den Zollverein das Heer
der Finanzwachc zu decimiren erlaubte, würde man sie hören in Bezug auf eine freiere
Presse, die besser Staat und Menschen überwacht, als das theuere Heer der Polizei-
spione, würde mau sie hören in Bezug ans Gewerbefreiheit, gegenüber dem Monopol
lind Zunftzwang, würde man sie hören in tausend und abermals tausend Beschwerden gegen
das Zopfthum einer veralteten Administration, welche die Nachbarvölker längst zu ihrem
Heile und Wohlstand abgestreift haben, so wäre das Einkommen des reichen unerschöpf¬
lichen Oesterreichs längst verdoppelt u'ut der Staat müßte nicht bei jedem Luftzug in
der politischen Welt vor einem Bankerott zittern, er wäre nicht in der Lage, den Geld¬
baronen nach einer einzigen Audienz die wichtigsten Concessionen zu machen, während
die Stäudeschaften seiner loyalsten Provinzen, während die Petition seiner besten schrift¬
stellerischen Geister jahrelang vergebens auf eine günstige, ja überhaupt auf eine Ant¬
E. wort warten.




M^K^ Wiederholt bitten wir unsere Herren Korrespondenten (mit Aus¬
nahme jener, denen wir besondere Adressen angaben) Briefe und Packete unter
der Adresse des Redacteurs oder der Verlagshandlung nach Leipzig zu
cidresfiren.




Verlag von Fr. Lttdw. Herbig. — Redacteur- I. Kuranda.
Druck von Friedrich Andrä.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <div n="3">
              <pb facs="#f0538" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/184698"/>
              <p xml:id="ID_1883" prev="#ID_1882"> Eindruck dieses Entsetzens ist unbeschreiblich und am andern Tage begab sich eine De¬<lb/>
putation, Rothschild an der Spitze, nicht zum Baron Kübel, sondern zum &#x2014; Fürsten<lb/>
Metternich. Man wollte Aufklärung über Krieg oder Frieden, über den Stand des<lb/>
Staatsvcrmögens, und Gott weiß worüber Alles. Und wunderbar &#x2014; der Staat, der<lb/>
sich nichts abtrotzen lassen will -&#x2014; gab sogleich nach, und am andern Tage wurden für<lb/>
Rechnung des Kammerpräsidenten neuerdings für 7 Millionen Aktien gekauft. Die<lb/>
Metalliques, die Tags zuvor um mehr als ein Procent gefallen waren, erhoben sich<lb/>
wieder &#x2014; aber der Cours der übrigen Papiere blieb matt wie zuvor. Und wer kann<lb/>
sich verhehlen, daß die Staatsankäufe, die nnn gewissermaßen i&gt;in- t'nree gemacht wurden,<lb/>
endlich doch ihr definitives Ende erreichen müssen. Hypochondrische Gemüther sind von den<lb/>
schwärzesten Ahnungen befallen und selbst ruhige Männer schütteln bedenklich das Haupt.</p><lb/>
              <p xml:id="ID_1884"> Dica Alles ist nicht blos für die Lage unserer Finanzen von Wichtigkeit, sondern<lb/>
auch für unsere politische Zukunft. Das Gouvernement, das nicht mehr zwangsweise<lb/>
den Cours der Banknoten feststellt, das den Credit der Bevölkerung zu seinem Be¬<lb/>
stand braucht, muß auch auf die öffentliche Meinung hören. Hätte man auf diese ge¬<lb/>
hört zur Zeit, als man enorme Summen an die Unterstützung der Carlisten und Mi-<lb/>
gnelisten verschwendete für das absurde Ritterthum der Legitimität, würde man auf sie<lb/>
hören, wenn sie Ersparnisse im Beamtenbudget verlangt durch Ueberlieferung einzelner<lb/>
Verwaltungszweige an die Communen, durch Organisirung eines Gemciudcwesens &#x2014; würde<lb/>
man sie hören in der Tariffragc, die bei einer Annäherung an den Zollverein das Heer<lb/>
der Finanzwachc zu decimiren erlaubte, würde man sie hören in Bezug auf eine freiere<lb/>
Presse, die besser Staat und Menschen überwacht, als das theuere Heer der Polizei-<lb/>
spione, würde mau sie hören in Bezug ans Gewerbefreiheit, gegenüber dem Monopol<lb/>
lind Zunftzwang, würde man sie hören in tausend und abermals tausend Beschwerden gegen<lb/>
das Zopfthum einer veralteten Administration, welche die Nachbarvölker längst zu ihrem<lb/>
Heile und Wohlstand abgestreift haben, so wäre das Einkommen des reichen unerschöpf¬<lb/>
lichen Oesterreichs längst verdoppelt u'ut der Staat müßte nicht bei jedem Luftzug in<lb/>
der politischen Welt vor einem Bankerott zittern, er wäre nicht in der Lage, den Geld¬<lb/>
baronen nach einer einzigen Audienz die wichtigsten Concessionen zu machen, während<lb/>
die Stäudeschaften seiner loyalsten Provinzen, während die Petition seiner besten schrift¬<lb/>
stellerischen Geister jahrelang vergebens auf eine günstige, ja überhaupt auf eine Ant¬<lb/><note type="byline"> E.</note> wort warten. </p><lb/>
              <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
        <div>
          <floatingText>
            <body>
              <div type="advertisement">
                <p> M^K^ Wiederholt bitten wir unsere Herren Korrespondenten (mit Aus¬<lb/>
nahme jener, denen wir besondere Adressen angaben) Briefe und Packete unter<lb/>
der Adresse des Redacteurs oder der Verlagshandlung nach Leipzig zu<lb/>
cidresfiren.</p>
              </div>
            </body>
          </floatingText>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <note type="byline"> Verlag von Fr. Lttdw. Herbig. &#x2014; Redacteur- I. Kuranda.<lb/>
Druck von Friedrich Andrä.</note><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0538] Eindruck dieses Entsetzens ist unbeschreiblich und am andern Tage begab sich eine De¬ putation, Rothschild an der Spitze, nicht zum Baron Kübel, sondern zum — Fürsten Metternich. Man wollte Aufklärung über Krieg oder Frieden, über den Stand des Staatsvcrmögens, und Gott weiß worüber Alles. Und wunderbar — der Staat, der sich nichts abtrotzen lassen will -— gab sogleich nach, und am andern Tage wurden für Rechnung des Kammerpräsidenten neuerdings für 7 Millionen Aktien gekauft. Die Metalliques, die Tags zuvor um mehr als ein Procent gefallen waren, erhoben sich wieder — aber der Cours der übrigen Papiere blieb matt wie zuvor. Und wer kann sich verhehlen, daß die Staatsankäufe, die nnn gewissermaßen i>in- t'nree gemacht wurden, endlich doch ihr definitives Ende erreichen müssen. Hypochondrische Gemüther sind von den schwärzesten Ahnungen befallen und selbst ruhige Männer schütteln bedenklich das Haupt. Dica Alles ist nicht blos für die Lage unserer Finanzen von Wichtigkeit, sondern auch für unsere politische Zukunft. Das Gouvernement, das nicht mehr zwangsweise den Cours der Banknoten feststellt, das den Credit der Bevölkerung zu seinem Be¬ stand braucht, muß auch auf die öffentliche Meinung hören. Hätte man auf diese ge¬ hört zur Zeit, als man enorme Summen an die Unterstützung der Carlisten und Mi- gnelisten verschwendete für das absurde Ritterthum der Legitimität, würde man auf sie hören, wenn sie Ersparnisse im Beamtenbudget verlangt durch Ueberlieferung einzelner Verwaltungszweige an die Communen, durch Organisirung eines Gemciudcwesens — würde man sie hören in der Tariffragc, die bei einer Annäherung an den Zollverein das Heer der Finanzwachc zu decimiren erlaubte, würde man sie hören in Bezug auf eine freiere Presse, die besser Staat und Menschen überwacht, als das theuere Heer der Polizei- spione, würde mau sie hören in Bezug ans Gewerbefreiheit, gegenüber dem Monopol lind Zunftzwang, würde man sie hören in tausend und abermals tausend Beschwerden gegen das Zopfthum einer veralteten Administration, welche die Nachbarvölker längst zu ihrem Heile und Wohlstand abgestreift haben, so wäre das Einkommen des reichen unerschöpf¬ lichen Oesterreichs längst verdoppelt u'ut der Staat müßte nicht bei jedem Luftzug in der politischen Welt vor einem Bankerott zittern, er wäre nicht in der Lage, den Geld¬ baronen nach einer einzigen Audienz die wichtigsten Concessionen zu machen, während die Stäudeschaften seiner loyalsten Provinzen, während die Petition seiner besten schrift¬ stellerischen Geister jahrelang vergebens auf eine günstige, ja überhaupt auf eine Ant¬ E. wort warten. M^K^ Wiederholt bitten wir unsere Herren Korrespondenten (mit Aus¬ nahme jener, denen wir besondere Adressen angaben) Briefe und Packete unter der Adresse des Redacteurs oder der Verlagshandlung nach Leipzig zu cidresfiren. Verlag von Fr. Lttdw. Herbig. — Redacteur- I. Kuranda. Druck von Friedrich Andrä.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/538
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/538>, abgerufen am 07.05.2024.