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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band.

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Die Nationalitäten in Ungarn.



i.

Karl Beck und die Magd>are". -- Eine deutsche Hausfrau über die Slowakinnen, -- Die Deutschen in
Ungarn. -- El" Liao vom "Reich." -- Cciisuranckdole. -- Die magyarische Aristok alle. -- Seur. _
Joseph Aollür, -- Die czcchische und die slovakschc Schriftsprache. -- Fromme Wünsche.

Es war in demselben Jahre, wo Karl Veck's Nächte erschienen, als ich zuerst
mich lebhaft für Ungarn zu interessiren anfing. Die Worte:


Aus dem Lande der Magyaren,
Aus dem Land der süßen Trauben
Kam ich jung und unerfahren
In das Land der Eichcnlauben.

machten einen großen Eindruck auf den jugendlichen Leser. Wie mancher Andere,
der in ähnlicher Weise Beck's Gedichte las, mag sich noch unangenehm berührt
gefühlt haben, als später die Kritik über diese Poesie ihren Tadel ausströmte.
Beck war ja für uns damals nicht nur Dichter, -- er hatte uus eine ganz neue
Welt aufgeschlossen, welche uns mit ihren Hciiden, ihren Rößlei", ihren Roßhirten
und Zigeunern vollkommen zu fesseln verstand. Lenau hatte das Alles nur in
einigen Zügen angedeutet. Beck nun hatte die Worte gesprochen:


"Bei Gott, ich bin ein echt Magyarenkind,"

und was war natürliel-er, als daß wir für die magyarische Nationalität das größte
Interesse empfanden. Was kümmerten uns die übrigen Völkerstämme in Ungarn?
wir liebten das schöne Land nur um der "freien Ungarn" willen.

Selbst ans die Deutschen wurde ich -- und es scheint mir, daß ich hier nicht
blos von mir rede, sondern daß die Stimmung Vieler über dieses Land denselben
Entwickelungsgang nahm -- selbst ans die Deutschen in Ungarn wurde ich erst
einige Jahre später aufmerksam. Ein Sohn dieses Landes, dessen ganze Erschei¬
nung das Bild, das ich von Ungarn und seinen Bewohnern mir gemacht hatte,
auf eine wahrhaft wunderbare Weise bestätigte, protestirte ans das Feierlichste
dagegen, daß ich ihn als einen Magyaren betrachtete. Er sei zwar in Ungarn
geboren, aber deutscheu Stammes, versicherte er sehr ernst. -- Auch Beck ist spä¬
ter wohl von seinem Magyarenthnme, so weit es ihn persönlich betrifft, zurück¬
gekommen. Er ist ein Weltbürger geworden. Und nicht zunächst ein Deutscher?


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Die Nationalitäten in Ungarn.



i.

Karl Beck und die Magd>are». — Eine deutsche Hausfrau über die Slowakinnen, — Die Deutschen in
Ungarn. — El» Liao vom „Reich." — Cciisuranckdole. — Die magyarische Aristok alle. — Seur. _
Joseph Aollür, — Die czcchische und die slovakschc Schriftsprache. — Fromme Wünsche.

Es war in demselben Jahre, wo Karl Veck's Nächte erschienen, als ich zuerst
mich lebhaft für Ungarn zu interessiren anfing. Die Worte:


Aus dem Lande der Magyaren,
Aus dem Land der süßen Trauben
Kam ich jung und unerfahren
In das Land der Eichcnlauben.

machten einen großen Eindruck auf den jugendlichen Leser. Wie mancher Andere,
der in ähnlicher Weise Beck's Gedichte las, mag sich noch unangenehm berührt
gefühlt haben, als später die Kritik über diese Poesie ihren Tadel ausströmte.
Beck war ja für uns damals nicht nur Dichter, — er hatte uus eine ganz neue
Welt aufgeschlossen, welche uns mit ihren Hciiden, ihren Rößlei», ihren Roßhirten
und Zigeunern vollkommen zu fesseln verstand. Lenau hatte das Alles nur in
einigen Zügen angedeutet. Beck nun hatte die Worte gesprochen:


„Bei Gott, ich bin ein echt Magyarenkind,"

und was war natürliel-er, als daß wir für die magyarische Nationalität das größte
Interesse empfanden. Was kümmerten uns die übrigen Völkerstämme in Ungarn?
wir liebten das schöne Land nur um der „freien Ungarn" willen.

Selbst ans die Deutschen wurde ich — und es scheint mir, daß ich hier nicht
blos von mir rede, sondern daß die Stimmung Vieler über dieses Land denselben
Entwickelungsgang nahm — selbst ans die Deutschen in Ungarn wurde ich erst
einige Jahre später aufmerksam. Ein Sohn dieses Landes, dessen ganze Erschei¬
nung das Bild, das ich von Ungarn und seinen Bewohnern mir gemacht hatte,
auf eine wahrhaft wunderbare Weise bestätigte, protestirte ans das Feierlichste
dagegen, daß ich ihn als einen Magyaren betrachtete. Er sei zwar in Ungarn
geboren, aber deutscheu Stammes, versicherte er sehr ernst. — Auch Beck ist spä¬
ter wohl von seinem Magyarenthnme, so weit es ihn persönlich betrifft, zurück¬
gekommen. Er ist ein Weltbürger geworden. Und nicht zunächst ein Deutscher?


55*
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[0433] Die Nationalitäten in Ungarn. i. Karl Beck und die Magd>are». — Eine deutsche Hausfrau über die Slowakinnen, — Die Deutschen in Ungarn. — El» Liao vom „Reich." — Cciisuranckdole. — Die magyarische Aristok alle. — Seur. _ Joseph Aollür, — Die czcchische und die slovakschc Schriftsprache. — Fromme Wünsche. Es war in demselben Jahre, wo Karl Veck's Nächte erschienen, als ich zuerst mich lebhaft für Ungarn zu interessiren anfing. Die Worte: Aus dem Lande der Magyaren, Aus dem Land der süßen Trauben Kam ich jung und unerfahren In das Land der Eichcnlauben. machten einen großen Eindruck auf den jugendlichen Leser. Wie mancher Andere, der in ähnlicher Weise Beck's Gedichte las, mag sich noch unangenehm berührt gefühlt haben, als später die Kritik über diese Poesie ihren Tadel ausströmte. Beck war ja für uns damals nicht nur Dichter, — er hatte uus eine ganz neue Welt aufgeschlossen, welche uns mit ihren Hciiden, ihren Rößlei», ihren Roßhirten und Zigeunern vollkommen zu fesseln verstand. Lenau hatte das Alles nur in einigen Zügen angedeutet. Beck nun hatte die Worte gesprochen: „Bei Gott, ich bin ein echt Magyarenkind," und was war natürliel-er, als daß wir für die magyarische Nationalität das größte Interesse empfanden. Was kümmerten uns die übrigen Völkerstämme in Ungarn? wir liebten das schöne Land nur um der „freien Ungarn" willen. Selbst ans die Deutschen wurde ich — und es scheint mir, daß ich hier nicht blos von mir rede, sondern daß die Stimmung Vieler über dieses Land denselben Entwickelungsgang nahm — selbst ans die Deutschen in Ungarn wurde ich erst einige Jahre später aufmerksam. Ein Sohn dieses Landes, dessen ganze Erschei¬ nung das Bild, das ich von Ungarn und seinen Bewohnern mir gemacht hatte, auf eine wahrhaft wunderbare Weise bestätigte, protestirte ans das Feierlichste dagegen, daß ich ihn als einen Magyaren betrachtete. Er sei zwar in Ungarn geboren, aber deutscheu Stammes, versicherte er sehr ernst. — Auch Beck ist spä¬ ter wohl von seinem Magyarenthnme, so weit es ihn persönlich betrifft, zurück¬ gekommen. Er ist ein Weltbürger geworden. Und nicht zunächst ein Deutscher? 55*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276205/433>, abgerufen am 06.05.2024.