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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band.

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Aus dem Freifchaarenleben in Schleswig-Holstein.



Kein lustigeres, sorgloseres Dasein mag es geben, als das eines reisigen
Landsknechts! Und Landsknechte waren wir alle, wir Freischärler in Schleswig-
Holstein. Deutsche Landsknechte von altem Schrot und Korn, so echt, daß selbst
die Phantasie des Autors, dessen "ganze Kriegeskasse ward die Beute Espartero's"
einen besseren Prototyp seiner Lieblingshelden nicht hätte zu erzengen vermocht,
als ihm ein Griff aufs Gradewvhl in unsere Mitte hatte verschaffen können.
Ganz Deutschland hatte zur Vervollständigung der bunten Musterkarte der Frei-
schaaren beigetragen, und selbst Neuß-Greiz und Lobenstein kräftige Vertreter ge¬
sendet. Dort bärtige Jäger und Hegereiter in grünen Hüten und mit trefflichen
Büchsen, hier schwarz - roth-goldne Studios mit verrosteten Musketen und riesigen
Pallaschen bewaffnet -- dazwischen junge Bürschchen, denen vielleicht die väter¬
liche Nuthe zu schwer gewesen -- emeritirte Kaufmannsdiener und fashionable
Gärtnergehilfen, die in eigner Machtvollkommenheit zu Doctoren der Medicin
avancirt waren, -- Schullehrer, welchen die Anstellung zu lange ausblieb, und
die den Hirschfänger so gut wie das Lineal zu führen vermeinten - auch nicht
wenige biedere Landleute, sehnige Gestalten, deren schwere Fäuste dein Kolben
gerechter waren, als dem leisen Stecher kurz alle Stände waren im buntesten
Mischmasch durcheinander gewürfelt. Die Nationalitäten gingen hier praktisch
in der deutschen Einheit unter -- war es aber der Sinu sür deutsche Nationa¬
lität, der alle diese freien Kämpfer zusammengeführt in die nordischen Herzog-
thümer, wer will es entscheiden? Viele, namentlich die Gebildeten, Intelligenten,
hatte gewiß Begeisterung für die Sache hergeführt, Andere der Thatendurst der
Jugend, den eine große Zeit mächtig erweckt, die Meisten kamen aber wohl aus
keinem andern Grunde, als dem Hang zu Abenteuern folgend oder weil daheim
ihre Rechnung mit der Gesellschaft abgeschlossen war. Es waren also die hetero¬
gensten Elemente hier in enge Kreise zusammengedrängt, so, daß gar oft ein
Kampf derselben befürchtet werden konnte. An Reibungen untereinander fehlte
es nicht -- aber ich muß es zur Ehre der Schleswig-Holsteinischen Freischaaren
sagen, das gute Element war fast immer das überwiegende, und die Neigung
zu Rohheiten und Excessen, die in vielen bei jeder Gelegenheit zu erwachen


Aus dem Freifchaarenleben in Schleswig-Holstein.



Kein lustigeres, sorgloseres Dasein mag es geben, als das eines reisigen
Landsknechts! Und Landsknechte waren wir alle, wir Freischärler in Schleswig-
Holstein. Deutsche Landsknechte von altem Schrot und Korn, so echt, daß selbst
die Phantasie des Autors, dessen „ganze Kriegeskasse ward die Beute Espartero's"
einen besseren Prototyp seiner Lieblingshelden nicht hätte zu erzengen vermocht,
als ihm ein Griff aufs Gradewvhl in unsere Mitte hatte verschaffen können.
Ganz Deutschland hatte zur Vervollständigung der bunten Musterkarte der Frei-
schaaren beigetragen, und selbst Neuß-Greiz und Lobenstein kräftige Vertreter ge¬
sendet. Dort bärtige Jäger und Hegereiter in grünen Hüten und mit trefflichen
Büchsen, hier schwarz - roth-goldne Studios mit verrosteten Musketen und riesigen
Pallaschen bewaffnet — dazwischen junge Bürschchen, denen vielleicht die väter¬
liche Nuthe zu schwer gewesen — emeritirte Kaufmannsdiener und fashionable
Gärtnergehilfen, die in eigner Machtvollkommenheit zu Doctoren der Medicin
avancirt waren, — Schullehrer, welchen die Anstellung zu lange ausblieb, und
die den Hirschfänger so gut wie das Lineal zu führen vermeinten - auch nicht
wenige biedere Landleute, sehnige Gestalten, deren schwere Fäuste dein Kolben
gerechter waren, als dem leisen Stecher kurz alle Stände waren im buntesten
Mischmasch durcheinander gewürfelt. Die Nationalitäten gingen hier praktisch
in der deutschen Einheit unter — war es aber der Sinu sür deutsche Nationa¬
lität, der alle diese freien Kämpfer zusammengeführt in die nordischen Herzog-
thümer, wer will es entscheiden? Viele, namentlich die Gebildeten, Intelligenten,
hatte gewiß Begeisterung für die Sache hergeführt, Andere der Thatendurst der
Jugend, den eine große Zeit mächtig erweckt, die Meisten kamen aber wohl aus
keinem andern Grunde, als dem Hang zu Abenteuern folgend oder weil daheim
ihre Rechnung mit der Gesellschaft abgeschlossen war. Es waren also die hetero¬
gensten Elemente hier in enge Kreise zusammengedrängt, so, daß gar oft ein
Kampf derselben befürchtet werden konnte. An Reibungen untereinander fehlte
es nicht — aber ich muß es zur Ehre der Schleswig-Holsteinischen Freischaaren
sagen, das gute Element war fast immer das überwiegende, und die Neigung
zu Rohheiten und Excessen, die in vielen bei jeder Gelegenheit zu erwachen


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[0440] Aus dem Freifchaarenleben in Schleswig-Holstein. Kein lustigeres, sorgloseres Dasein mag es geben, als das eines reisigen Landsknechts! Und Landsknechte waren wir alle, wir Freischärler in Schleswig- Holstein. Deutsche Landsknechte von altem Schrot und Korn, so echt, daß selbst die Phantasie des Autors, dessen „ganze Kriegeskasse ward die Beute Espartero's" einen besseren Prototyp seiner Lieblingshelden nicht hätte zu erzengen vermocht, als ihm ein Griff aufs Gradewvhl in unsere Mitte hatte verschaffen können. Ganz Deutschland hatte zur Vervollständigung der bunten Musterkarte der Frei- schaaren beigetragen, und selbst Neuß-Greiz und Lobenstein kräftige Vertreter ge¬ sendet. Dort bärtige Jäger und Hegereiter in grünen Hüten und mit trefflichen Büchsen, hier schwarz - roth-goldne Studios mit verrosteten Musketen und riesigen Pallaschen bewaffnet — dazwischen junge Bürschchen, denen vielleicht die väter¬ liche Nuthe zu schwer gewesen — emeritirte Kaufmannsdiener und fashionable Gärtnergehilfen, die in eigner Machtvollkommenheit zu Doctoren der Medicin avancirt waren, — Schullehrer, welchen die Anstellung zu lange ausblieb, und die den Hirschfänger so gut wie das Lineal zu führen vermeinten - auch nicht wenige biedere Landleute, sehnige Gestalten, deren schwere Fäuste dein Kolben gerechter waren, als dem leisen Stecher kurz alle Stände waren im buntesten Mischmasch durcheinander gewürfelt. Die Nationalitäten gingen hier praktisch in der deutschen Einheit unter — war es aber der Sinu sür deutsche Nationa¬ lität, der alle diese freien Kämpfer zusammengeführt in die nordischen Herzog- thümer, wer will es entscheiden? Viele, namentlich die Gebildeten, Intelligenten, hatte gewiß Begeisterung für die Sache hergeführt, Andere der Thatendurst der Jugend, den eine große Zeit mächtig erweckt, die Meisten kamen aber wohl aus keinem andern Grunde, als dem Hang zu Abenteuern folgend oder weil daheim ihre Rechnung mit der Gesellschaft abgeschlossen war. Es waren also die hetero¬ gensten Elemente hier in enge Kreise zusammengedrängt, so, daß gar oft ein Kampf derselben befürchtet werden konnte. An Reibungen untereinander fehlte es nicht — aber ich muß es zur Ehre der Schleswig-Holsteinischen Freischaaren sagen, das gute Element war fast immer das überwiegende, und die Neigung zu Rohheiten und Excessen, die in vielen bei jeder Gelegenheit zu erwachen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276205/440>, abgerufen am 06.05.2024.