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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band.

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Das neue Wartburgfest.



Die Jugend der deutschen Hochschulen hat in Ernst und Lust ihre Pfingsten
gehalten am Fuß der sagen- und thatenbcrühmten Burg, die vor drei Jahrzehnten
schon einmal die in politischer und religiöser Schwärmerei befangnen unglücklichen
Gründer der deutscheu Burschenschaft um ihre ehrwürdigen Trümmer versammelt
sah. Aber welch ein Contrast zwischen jenen fünfhundert Jünglingen, welche in
hochlodernder Begeisterung ihren idealen Träumen folgten, welche zur Besieglung
ihres Bruderbundes in der Hauptkirche zu Eisenach gemeinschaftlich das heilige
Abendmahl empfingen, während die beiden Katholiken ans Würzburg im ernsten
Gespräch über die Reformation unter den Bäumen des Brunnens dem feierlichen
Zuge zur Kirche zuschauten, und zwischen der prosaischen Ernsthaftigkeit der kleine
ren und der heiteren Jugendlust der größeren Hälfte der heutigen Fcstgenosseu!
Der Gedanke, welcher damals so mächtig die deutsche Studentenschaft bewegte,
der einen unvergänglichen Nachhall in allen Herzen hervorrief, bei dessen Wieder-
erwachen noch heute das Auge der gereifte" und geprüften Männer, welche jenen
schönen Traum mit durchträumten, sich feuchtet, dieser Gedanke -- figurirte heute
tels ez. II. der Tagesordnung und -- wurde uach kurzer Debatte von der allge¬
meinen Versammlung dem sogenannten Studentenparlament zur Erledigung über¬
wiesen, welches ihn nebenbei mit andern Dingen zum Beschluß erhob. Damals
blickte in der That ganz Deutschland in gespannter Erwartung auf die edeln
Jünglinge, die, nachdem sie anf blutgetränkten Schlachtfeldern das Vaterland
von dem Joche der Fremdherrschaft befreit hatten, auf der Wartburg den Grund¬
stein legen wollten zu einem auf sittliche Freiheit begründeten Neubau der deut¬
scheu Hochschulen; heute konnte die Versammlung ein ironisches Lächeln nicht unter¬
drücken, als einer ihrer Redner sich der Phrase bediente: "Deutschland blickt auf
uns!" Die Reaction, die mit Macht über das durch die Kriege ermüdete, nach
Ruhe um jeden Preis verlangende deutsche Volk hereinbrechende Knechtung, hat
eine schreckliche Rache genommen an jenen hochherzigen Schwärmern, und ein po¬
litisches Glaubcnsgericht, welches an Wahnwitz und Grausamkeit die Inquisition
weit hinter sich zurückläßt, hat ihre Häupter dem Beile des Henkers geweiht und
sie dann mit jahrelangem Kerker und mit der Verbannung von der heimathlichen


Das neue Wartburgfest.



Die Jugend der deutschen Hochschulen hat in Ernst und Lust ihre Pfingsten
gehalten am Fuß der sagen- und thatenbcrühmten Burg, die vor drei Jahrzehnten
schon einmal die in politischer und religiöser Schwärmerei befangnen unglücklichen
Gründer der deutscheu Burschenschaft um ihre ehrwürdigen Trümmer versammelt
sah. Aber welch ein Contrast zwischen jenen fünfhundert Jünglingen, welche in
hochlodernder Begeisterung ihren idealen Träumen folgten, welche zur Besieglung
ihres Bruderbundes in der Hauptkirche zu Eisenach gemeinschaftlich das heilige
Abendmahl empfingen, während die beiden Katholiken ans Würzburg im ernsten
Gespräch über die Reformation unter den Bäumen des Brunnens dem feierlichen
Zuge zur Kirche zuschauten, und zwischen der prosaischen Ernsthaftigkeit der kleine
ren und der heiteren Jugendlust der größeren Hälfte der heutigen Fcstgenosseu!
Der Gedanke, welcher damals so mächtig die deutsche Studentenschaft bewegte,
der einen unvergänglichen Nachhall in allen Herzen hervorrief, bei dessen Wieder-
erwachen noch heute das Auge der gereifte» und geprüften Männer, welche jenen
schönen Traum mit durchträumten, sich feuchtet, dieser Gedanke — figurirte heute
tels ez. II. der Tagesordnung und — wurde uach kurzer Debatte von der allge¬
meinen Versammlung dem sogenannten Studentenparlament zur Erledigung über¬
wiesen, welches ihn nebenbei mit andern Dingen zum Beschluß erhob. Damals
blickte in der That ganz Deutschland in gespannter Erwartung auf die edeln
Jünglinge, die, nachdem sie anf blutgetränkten Schlachtfeldern das Vaterland
von dem Joche der Fremdherrschaft befreit hatten, auf der Wartburg den Grund¬
stein legen wollten zu einem auf sittliche Freiheit begründeten Neubau der deut¬
scheu Hochschulen; heute konnte die Versammlung ein ironisches Lächeln nicht unter¬
drücken, als einer ihrer Redner sich der Phrase bediente: „Deutschland blickt auf
uns!" Die Reaction, die mit Macht über das durch die Kriege ermüdete, nach
Ruhe um jeden Preis verlangende deutsche Volk hereinbrechende Knechtung, hat
eine schreckliche Rache genommen an jenen hochherzigen Schwärmern, und ein po¬
litisches Glaubcnsgericht, welches an Wahnwitz und Grausamkeit die Inquisition
weit hinter sich zurückläßt, hat ihre Häupter dem Beile des Henkers geweiht und
sie dann mit jahrelangem Kerker und mit der Verbannung von der heimathlichen


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[0483] Das neue Wartburgfest. Die Jugend der deutschen Hochschulen hat in Ernst und Lust ihre Pfingsten gehalten am Fuß der sagen- und thatenbcrühmten Burg, die vor drei Jahrzehnten schon einmal die in politischer und religiöser Schwärmerei befangnen unglücklichen Gründer der deutscheu Burschenschaft um ihre ehrwürdigen Trümmer versammelt sah. Aber welch ein Contrast zwischen jenen fünfhundert Jünglingen, welche in hochlodernder Begeisterung ihren idealen Träumen folgten, welche zur Besieglung ihres Bruderbundes in der Hauptkirche zu Eisenach gemeinschaftlich das heilige Abendmahl empfingen, während die beiden Katholiken ans Würzburg im ernsten Gespräch über die Reformation unter den Bäumen des Brunnens dem feierlichen Zuge zur Kirche zuschauten, und zwischen der prosaischen Ernsthaftigkeit der kleine ren und der heiteren Jugendlust der größeren Hälfte der heutigen Fcstgenosseu! Der Gedanke, welcher damals so mächtig die deutsche Studentenschaft bewegte, der einen unvergänglichen Nachhall in allen Herzen hervorrief, bei dessen Wieder- erwachen noch heute das Auge der gereifte» und geprüften Männer, welche jenen schönen Traum mit durchträumten, sich feuchtet, dieser Gedanke — figurirte heute tels ez. II. der Tagesordnung und — wurde uach kurzer Debatte von der allge¬ meinen Versammlung dem sogenannten Studentenparlament zur Erledigung über¬ wiesen, welches ihn nebenbei mit andern Dingen zum Beschluß erhob. Damals blickte in der That ganz Deutschland in gespannter Erwartung auf die edeln Jünglinge, die, nachdem sie anf blutgetränkten Schlachtfeldern das Vaterland von dem Joche der Fremdherrschaft befreit hatten, auf der Wartburg den Grund¬ stein legen wollten zu einem auf sittliche Freiheit begründeten Neubau der deut¬ scheu Hochschulen; heute konnte die Versammlung ein ironisches Lächeln nicht unter¬ drücken, als einer ihrer Redner sich der Phrase bediente: „Deutschland blickt auf uns!" Die Reaction, die mit Macht über das durch die Kriege ermüdete, nach Ruhe um jeden Preis verlangende deutsche Volk hereinbrechende Knechtung, hat eine schreckliche Rache genommen an jenen hochherzigen Schwärmern, und ein po¬ litisches Glaubcnsgericht, welches an Wahnwitz und Grausamkeit die Inquisition weit hinter sich zurückläßt, hat ihre Häupter dem Beile des Henkers geweiht und sie dann mit jahrelangem Kerker und mit der Verbannung von der heimathlichen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276205/483>, abgerufen am 06.05.2024.