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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.

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Portraits aus der Berliner Lloustituante.

9) Hansemann. "Wo es sich um Geldsachen handelt, da hört die Gemüth,
lichkeit auf." Während des ganzen vereinigten Landtags ist kaum eine Aeußerung ge¬
fallen, welche dem patriarchalischen Familienregimcnte kühner den Fehdehandschuh hin¬
warf, als diese berühmten Worte Hansemann's. Sie sind bezeichnend für sein ganzes
Wesen: sie geben den Angelpunkt an, um den seine stete Opposition sich drehte -- von
dem nur er mit geschickter Taktik seine Angrisse gegen das Gouvernement von Gottes
Gnaden lenkte. Wenn Beckerath mit Principien sonst, wenn Vincke aus dem Rechts¬
boden fußte, so kam der zähe Hansemann immer wieder ans die Finanzen zurück. Der
Enthusiast, der Tory und der Whig standen damals noch um dasselbe Banner geschaart,
aber wie verschieden waren die Gründe, die ihren Widerstand hervorgerufen! Wollte
der Eine, daß ?as ewige, unveräußerliche Recht der Menschheit wieder zur Geltung
komme; der Andere, daß dem geschriebenen Buchstaben Genüge geschehe, so verlangte
der reiche Bourgeois zu wissen, was aus seinem Gelde werde. Das Budget ist sein
Evangelium, vermag es auch nicht zu begeistern, wie das Bewußtsein der Humanität
oder das Andenken an eine lange Reihe glorreicher Ahnen -- es ist eine handliche,
praktische Waffe gegen das Gefasel vom christlich-germanischen Staate, zumal wenn die¬
ser Staat die Religiosität so weit getrieben, daß er auch in seinen Kassen den Zustand
ursprünglicher christlicher Armuth wieder herzustellen versucht hat. Wie mag der Fi¬
nanzminister erbleicht sein, als Hansemann die Tribüne mit zwei dicken Bänden bestieg,
dem Ausgabectat von Frankreich und Belgien, und verächtlich das Zettelchen dagegen
hielt, auf dem Preußen seinen Unterthanen Rechenschaft abzulegen gedachte! lind als
er gar den heiligen Thile fragte, wie viel Geld denn eigentlich im Staatsschatze sei:
wie sauersüß mag da das apokryphische Lächeln gewesen sein, das der Ehrenmann als
einzige Antwort ertheilte! --

Hansemann ist als .Minister derselbe geblieben, der er als Abgeordneter war;
selbst in seinem Exterieur und Benehmen hat die hohe Stellung, die er 5 Monate
hindurch einnahm, keine Aenderung hervorzubringen vermocht. Nach dem Schlüsse des
vereinigten Landtags erkundigte ich mich bei einem Provinzialdepntirtcn nach den Per¬
sönlichkeiten der bedeutendsten Redner; der ehrliche Spießbürger wußte mir von Han¬
semann nur mit unwilligem Kopfschütteln zu melden, er sei immer in langem Ueberzie-
her in die Versammlung gekommen und habe beim Reden stets die Hände in die Ta¬
schen gesteckt. Dieselbe ruhige Sicherheit, dieselbe verächtliche Nonchalance, mit der er
auf das Treiben um sich herabblickt, zeichnet ihn auch noch heute aus. Wie man Wal-


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Portraits aus der Berliner Lloustituante.

9) Hansemann. „Wo es sich um Geldsachen handelt, da hört die Gemüth,
lichkeit auf." Während des ganzen vereinigten Landtags ist kaum eine Aeußerung ge¬
fallen, welche dem patriarchalischen Familienregimcnte kühner den Fehdehandschuh hin¬
warf, als diese berühmten Worte Hansemann's. Sie sind bezeichnend für sein ganzes
Wesen: sie geben den Angelpunkt an, um den seine stete Opposition sich drehte — von
dem nur er mit geschickter Taktik seine Angrisse gegen das Gouvernement von Gottes
Gnaden lenkte. Wenn Beckerath mit Principien sonst, wenn Vincke aus dem Rechts¬
boden fußte, so kam der zähe Hansemann immer wieder ans die Finanzen zurück. Der
Enthusiast, der Tory und der Whig standen damals noch um dasselbe Banner geschaart,
aber wie verschieden waren die Gründe, die ihren Widerstand hervorgerufen! Wollte
der Eine, daß ?as ewige, unveräußerliche Recht der Menschheit wieder zur Geltung
komme; der Andere, daß dem geschriebenen Buchstaben Genüge geschehe, so verlangte
der reiche Bourgeois zu wissen, was aus seinem Gelde werde. Das Budget ist sein
Evangelium, vermag es auch nicht zu begeistern, wie das Bewußtsein der Humanität
oder das Andenken an eine lange Reihe glorreicher Ahnen — es ist eine handliche,
praktische Waffe gegen das Gefasel vom christlich-germanischen Staate, zumal wenn die¬
ser Staat die Religiosität so weit getrieben, daß er auch in seinen Kassen den Zustand
ursprünglicher christlicher Armuth wieder herzustellen versucht hat. Wie mag der Fi¬
nanzminister erbleicht sein, als Hansemann die Tribüne mit zwei dicken Bänden bestieg,
dem Ausgabectat von Frankreich und Belgien, und verächtlich das Zettelchen dagegen
hielt, auf dem Preußen seinen Unterthanen Rechenschaft abzulegen gedachte! lind als
er gar den heiligen Thile fragte, wie viel Geld denn eigentlich im Staatsschatze sei:
wie sauersüß mag da das apokryphische Lächeln gewesen sein, das der Ehrenmann als
einzige Antwort ertheilte! —

Hansemann ist als .Minister derselbe geblieben, der er als Abgeordneter war;
selbst in seinem Exterieur und Benehmen hat die hohe Stellung, die er 5 Monate
hindurch einnahm, keine Aenderung hervorzubringen vermocht. Nach dem Schlüsse des
vereinigten Landtags erkundigte ich mich bei einem Provinzialdepntirtcn nach den Per¬
sönlichkeiten der bedeutendsten Redner; der ehrliche Spießbürger wußte mir von Han¬
semann nur mit unwilligem Kopfschütteln zu melden, er sei immer in langem Ueberzie-
her in die Versammlung gekommen und habe beim Reden stets die Hände in die Ta¬
schen gesteckt. Dieselbe ruhige Sicherheit, dieselbe verächtliche Nonchalance, mit der er
auf das Treiben um sich herabblickt, zeichnet ihn auch noch heute aus. Wie man Wal-


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[0117] T a g e b u es. r. Portraits aus der Berliner Lloustituante. 9) Hansemann. „Wo es sich um Geldsachen handelt, da hört die Gemüth, lichkeit auf." Während des ganzen vereinigten Landtags ist kaum eine Aeußerung ge¬ fallen, welche dem patriarchalischen Familienregimcnte kühner den Fehdehandschuh hin¬ warf, als diese berühmten Worte Hansemann's. Sie sind bezeichnend für sein ganzes Wesen: sie geben den Angelpunkt an, um den seine stete Opposition sich drehte — von dem nur er mit geschickter Taktik seine Angrisse gegen das Gouvernement von Gottes Gnaden lenkte. Wenn Beckerath mit Principien sonst, wenn Vincke aus dem Rechts¬ boden fußte, so kam der zähe Hansemann immer wieder ans die Finanzen zurück. Der Enthusiast, der Tory und der Whig standen damals noch um dasselbe Banner geschaart, aber wie verschieden waren die Gründe, die ihren Widerstand hervorgerufen! Wollte der Eine, daß ?as ewige, unveräußerliche Recht der Menschheit wieder zur Geltung komme; der Andere, daß dem geschriebenen Buchstaben Genüge geschehe, so verlangte der reiche Bourgeois zu wissen, was aus seinem Gelde werde. Das Budget ist sein Evangelium, vermag es auch nicht zu begeistern, wie das Bewußtsein der Humanität oder das Andenken an eine lange Reihe glorreicher Ahnen — es ist eine handliche, praktische Waffe gegen das Gefasel vom christlich-germanischen Staate, zumal wenn die¬ ser Staat die Religiosität so weit getrieben, daß er auch in seinen Kassen den Zustand ursprünglicher christlicher Armuth wieder herzustellen versucht hat. Wie mag der Fi¬ nanzminister erbleicht sein, als Hansemann die Tribüne mit zwei dicken Bänden bestieg, dem Ausgabectat von Frankreich und Belgien, und verächtlich das Zettelchen dagegen hielt, auf dem Preußen seinen Unterthanen Rechenschaft abzulegen gedachte! lind als er gar den heiligen Thile fragte, wie viel Geld denn eigentlich im Staatsschatze sei: wie sauersüß mag da das apokryphische Lächeln gewesen sein, das der Ehrenmann als einzige Antwort ertheilte! — Hansemann ist als .Minister derselbe geblieben, der er als Abgeordneter war; selbst in seinem Exterieur und Benehmen hat die hohe Stellung, die er 5 Monate hindurch einnahm, keine Aenderung hervorzubringen vermocht. Nach dem Schlüsse des vereinigten Landtags erkundigte ich mich bei einem Provinzialdepntirtcn nach den Per¬ sönlichkeiten der bedeutendsten Redner; der ehrliche Spießbürger wußte mir von Han¬ semann nur mit unwilligem Kopfschütteln zu melden, er sei immer in langem Ueberzie- her in die Versammlung gekommen und habe beim Reden stets die Hände in die Ta¬ schen gesteckt. Dieselbe ruhige Sicherheit, dieselbe verächtliche Nonchalance, mit der er auf das Treiben um sich herabblickt, zeichnet ihn auch noch heute aus. Wie man Wal-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/117>, abgerufen am 25.05.2024.