Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

nicht verschmähte, während er Verbindungen anknüpfte, die bis zum Prinzen von
Preußen herauf- und bis zu Held herabrcichten, versetzte Waldeck 4in Maschinen¬
arbeitervereine dem elenden Burschen den Todesstoß. Waldeck's ganzes Wesen
erklärt sich aus seinem unpraktischen Enthusiasmus: fürchten doch seine Freunde
sogar bisweilen für seinen Verstand!

Aber möge Waldeck beachten, daß persönliche Reinheit nicht genügt für den
Mann, der eine politische Rolle spielt. Die richtende Geschichte hat nicht Muße
zu so feinen Distinctionen, sie wird ihn beurtheilen nach der Partei, zu der er
gestanden, und seine Partei nach dem Ziele, das sie erstrebt hat. Die Zeiten sind
ernst, der politische Somnambule kann plötzlich am jähen Abgrund erwachen. Der
Gang der Ereignisse ist schnell, wo heute noch Umkehr möglich ist, mag es mor¬
gen zu spät sein. Waldeck steht -- ich sag' es mit Bedauern -- an der äußersten
Grenze. Was sollte jener empörende Antrag, nach Pfucls redlicher und offener
Erklärung, Wrangel zur Zurücknahme des Armeebefehles zu zwingen? Er öffne
die Augen nur für einen Moment und sehe Menschen und Verhältnisse wie sie
sind, dann wird er wissen, was es heißt, jetzt ohne allen Grund dem Cabinet
ein Mißtrauensvotum geben -- was es heißt, die rohe Masse noch weiter reizen.

Und ist es denn so schwer, für einen Augenblick sich aufzurütteln aus den
idealistischen Träumereien? Weiß Gott, die Wirklichkeit tritt doch mächtig genug
an jeden Einzelnen heran. Wird er auch jetzt nicht erwachen -- nicht erröthen,
sich unter einer Partei zu scheu, die durch Elsner erklärt, sie habe noch keinen
klaren Blick in die Ereignisse zu Frankfurt? sie wisse noch nicht, ob die Mörder
Lichnowsü/s oder das Militär den ersten Anlaß gegeben? -- schreckt ihn auch
das nicht auf, so ist er verloren -- verloren auf jede Weise. Entweder geht er
ruhmlos unter mit der Fraktion, die man hier bald, wie zu Frankfurt, als Aus¬
wurf behandeln wird -- oder, wenn das Schreckliche geschieht, wenn ein Glad-
bach, ein Reichenbach triumphiren: dann ist der redliche Waldeck der erste, der
zurückschaudert vor dem entsetzlichen Elend, zu dessen Herbeiführung er die Hand
geboten! --




M " mehrer Z et stand e.



Das durch seiue Kunstschöpfungen, sein Bier und seine Gemüthlichkeit klas¬
sische München, einst in staatlicher Beziehung die ultuml T'KuIe, ist durch seinen,
König-Dichter in den Zauberreigeu der modernen Bewegung eingeführt worden.
Der deutscheste unter den deutschen Fürsten, wie er so gern in sich in seinem Lieb-.


nicht verschmähte, während er Verbindungen anknüpfte, die bis zum Prinzen von
Preußen herauf- und bis zu Held herabrcichten, versetzte Waldeck 4in Maschinen¬
arbeitervereine dem elenden Burschen den Todesstoß. Waldeck's ganzes Wesen
erklärt sich aus seinem unpraktischen Enthusiasmus: fürchten doch seine Freunde
sogar bisweilen für seinen Verstand!

Aber möge Waldeck beachten, daß persönliche Reinheit nicht genügt für den
Mann, der eine politische Rolle spielt. Die richtende Geschichte hat nicht Muße
zu so feinen Distinctionen, sie wird ihn beurtheilen nach der Partei, zu der er
gestanden, und seine Partei nach dem Ziele, das sie erstrebt hat. Die Zeiten sind
ernst, der politische Somnambule kann plötzlich am jähen Abgrund erwachen. Der
Gang der Ereignisse ist schnell, wo heute noch Umkehr möglich ist, mag es mor¬
gen zu spät sein. Waldeck steht — ich sag' es mit Bedauern — an der äußersten
Grenze. Was sollte jener empörende Antrag, nach Pfucls redlicher und offener
Erklärung, Wrangel zur Zurücknahme des Armeebefehles zu zwingen? Er öffne
die Augen nur für einen Moment und sehe Menschen und Verhältnisse wie sie
sind, dann wird er wissen, was es heißt, jetzt ohne allen Grund dem Cabinet
ein Mißtrauensvotum geben — was es heißt, die rohe Masse noch weiter reizen.

Und ist es denn so schwer, für einen Augenblick sich aufzurütteln aus den
idealistischen Träumereien? Weiß Gott, die Wirklichkeit tritt doch mächtig genug
an jeden Einzelnen heran. Wird er auch jetzt nicht erwachen — nicht erröthen,
sich unter einer Partei zu scheu, die durch Elsner erklärt, sie habe noch keinen
klaren Blick in die Ereignisse zu Frankfurt? sie wisse noch nicht, ob die Mörder
Lichnowsü/s oder das Militär den ersten Anlaß gegeben? — schreckt ihn auch
das nicht auf, so ist er verloren — verloren auf jede Weise. Entweder geht er
ruhmlos unter mit der Fraktion, die man hier bald, wie zu Frankfurt, als Aus¬
wurf behandeln wird — oder, wenn das Schreckliche geschieht, wenn ein Glad-
bach, ein Reichenbach triumphiren: dann ist der redliche Waldeck der erste, der
zurückschaudert vor dem entsetzlichen Elend, zu dessen Herbeiführung er die Hand
geboten! —




M « mehrer Z et stand e.



Das durch seiue Kunstschöpfungen, sein Bier und seine Gemüthlichkeit klas¬
sische München, einst in staatlicher Beziehung die ultuml T'KuIe, ist durch seinen,
König-Dichter in den Zauberreigeu der modernen Bewegung eingeführt worden.
Der deutscheste unter den deutschen Fürsten, wie er so gern in sich in seinem Lieb-.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0529" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/277959"/>
          <p xml:id="ID_1787" prev="#ID_1786"> nicht verschmähte, während er Verbindungen anknüpfte, die bis zum Prinzen von<lb/>
Preußen herauf- und bis zu Held herabrcichten, versetzte Waldeck 4in Maschinen¬<lb/>
arbeitervereine dem elenden Burschen den Todesstoß. Waldeck's ganzes Wesen<lb/>
erklärt sich aus seinem unpraktischen Enthusiasmus: fürchten doch seine Freunde<lb/>
sogar bisweilen für seinen Verstand!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1788"> Aber möge Waldeck beachten, daß persönliche Reinheit nicht genügt für den<lb/>
Mann, der eine politische Rolle spielt. Die richtende Geschichte hat nicht Muße<lb/>
zu so feinen Distinctionen, sie wird ihn beurtheilen nach der Partei, zu der er<lb/>
gestanden, und seine Partei nach dem Ziele, das sie erstrebt hat. Die Zeiten sind<lb/>
ernst, der politische Somnambule kann plötzlich am jähen Abgrund erwachen. Der<lb/>
Gang der Ereignisse ist schnell, wo heute noch Umkehr möglich ist, mag es mor¬<lb/>
gen zu spät sein. Waldeck steht &#x2014; ich sag' es mit Bedauern &#x2014; an der äußersten<lb/>
Grenze. Was sollte jener empörende Antrag, nach Pfucls redlicher und offener<lb/>
Erklärung, Wrangel zur Zurücknahme des Armeebefehles zu zwingen? Er öffne<lb/>
die Augen nur für einen Moment und sehe Menschen und Verhältnisse wie sie<lb/>
sind, dann wird er wissen, was es heißt, jetzt ohne allen Grund dem Cabinet<lb/>
ein Mißtrauensvotum geben &#x2014; was es heißt, die rohe Masse noch weiter reizen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1789"> Und ist es denn so schwer, für einen Augenblick sich aufzurütteln aus den<lb/>
idealistischen Träumereien? Weiß Gott, die Wirklichkeit tritt doch mächtig genug<lb/>
an jeden Einzelnen heran. Wird er auch jetzt nicht erwachen &#x2014; nicht erröthen,<lb/>
sich unter einer Partei zu scheu, die durch Elsner erklärt, sie habe noch keinen<lb/>
klaren Blick in die Ereignisse zu Frankfurt? sie wisse noch nicht, ob die Mörder<lb/>
Lichnowsü/s oder das Militär den ersten Anlaß gegeben? &#x2014; schreckt ihn auch<lb/>
das nicht auf, so ist er verloren &#x2014; verloren auf jede Weise. Entweder geht er<lb/>
ruhmlos unter mit der Fraktion, die man hier bald, wie zu Frankfurt, als Aus¬<lb/>
wurf behandeln wird &#x2014; oder, wenn das Schreckliche geschieht, wenn ein Glad-<lb/>
bach, ein Reichenbach triumphiren: dann ist der redliche Waldeck der erste, der<lb/>
zurückschaudert vor dem entsetzlichen Elend, zu dessen Herbeiführung er die Hand<lb/>
geboten! &#x2014;</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> M « mehrer Z et stand e.</head><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p xml:id="ID_1790" next="#ID_1791"> Das durch seiue Kunstschöpfungen, sein Bier und seine Gemüthlichkeit klas¬<lb/>
sische München, einst in staatlicher Beziehung die ultuml T'KuIe, ist durch seinen,<lb/>
König-Dichter in den Zauberreigeu der modernen Bewegung eingeführt worden.<lb/>
Der deutscheste unter den deutschen Fürsten, wie er so gern in sich in seinem Lieb-.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0529] nicht verschmähte, während er Verbindungen anknüpfte, die bis zum Prinzen von Preußen herauf- und bis zu Held herabrcichten, versetzte Waldeck 4in Maschinen¬ arbeitervereine dem elenden Burschen den Todesstoß. Waldeck's ganzes Wesen erklärt sich aus seinem unpraktischen Enthusiasmus: fürchten doch seine Freunde sogar bisweilen für seinen Verstand! Aber möge Waldeck beachten, daß persönliche Reinheit nicht genügt für den Mann, der eine politische Rolle spielt. Die richtende Geschichte hat nicht Muße zu so feinen Distinctionen, sie wird ihn beurtheilen nach der Partei, zu der er gestanden, und seine Partei nach dem Ziele, das sie erstrebt hat. Die Zeiten sind ernst, der politische Somnambule kann plötzlich am jähen Abgrund erwachen. Der Gang der Ereignisse ist schnell, wo heute noch Umkehr möglich ist, mag es mor¬ gen zu spät sein. Waldeck steht — ich sag' es mit Bedauern — an der äußersten Grenze. Was sollte jener empörende Antrag, nach Pfucls redlicher und offener Erklärung, Wrangel zur Zurücknahme des Armeebefehles zu zwingen? Er öffne die Augen nur für einen Moment und sehe Menschen und Verhältnisse wie sie sind, dann wird er wissen, was es heißt, jetzt ohne allen Grund dem Cabinet ein Mißtrauensvotum geben — was es heißt, die rohe Masse noch weiter reizen. Und ist es denn so schwer, für einen Augenblick sich aufzurütteln aus den idealistischen Träumereien? Weiß Gott, die Wirklichkeit tritt doch mächtig genug an jeden Einzelnen heran. Wird er auch jetzt nicht erwachen — nicht erröthen, sich unter einer Partei zu scheu, die durch Elsner erklärt, sie habe noch keinen klaren Blick in die Ereignisse zu Frankfurt? sie wisse noch nicht, ob die Mörder Lichnowsü/s oder das Militär den ersten Anlaß gegeben? — schreckt ihn auch das nicht auf, so ist er verloren — verloren auf jede Weise. Entweder geht er ruhmlos unter mit der Fraktion, die man hier bald, wie zu Frankfurt, als Aus¬ wurf behandeln wird — oder, wenn das Schreckliche geschieht, wenn ein Glad- bach, ein Reichenbach triumphiren: dann ist der redliche Waldeck der erste, der zurückschaudert vor dem entsetzlichen Elend, zu dessen Herbeiführung er die Hand geboten! — M « mehrer Z et stand e. Das durch seiue Kunstschöpfungen, sein Bier und seine Gemüthlichkeit klas¬ sische München, einst in staatlicher Beziehung die ultuml T'KuIe, ist durch seinen, König-Dichter in den Zauberreigeu der modernen Bewegung eingeführt worden. Der deutscheste unter den deutschen Fürsten, wie er so gern in sich in seinem Lieb-.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429/529
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429/529>, abgerufen am 04.05.2024.