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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band.

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große Landrente hervorbringen, so gibt es bei diesen Uebelständen doch Hoffnung
aus eine schönere Zukunft, auf Besserung durch Beschaffung des Kapitals, welchem
die Menschen mit ihren Kräften folgen, aber dem in kleine Parzellen vertheilten
Lande steht nur eine Zeit der Entbehrung und Noth bevor. Eine größere Bevölkerung
durch immer gesteigerte Bodentheilung hervorgerufen, heißt die Leiden der Mensch"
heit leichtsinnig vermehren. Läßt sich der Mensch nicht durch Nernunftgründe be¬
stimmen, sondern von seiner natürlichen Neigung allein leiten, so verfällt er dem
harten Naturgesetz, daß bei zu großer Vermehrung einzelner Thiergeschlechter eine
ungewöhnliche Sterblichkeit das richtige Verhältniß wieder herstellt.

Die Urkräfte, welche im Boden, im Wasser, überall in der Natur wohnen,
werden dem Menschen durch sinnreiche Arbeit dienstbar und geben die Mittel zur
Bestreitung seiner Bedürfnisse, aber der Mensch hat sorglich zu wachen, daß er
ihr Herr und Meister bleibe. Seine Herrschaft erhalten kann er nur dadurch,
daß er sein eignes Leben und das seines Geschlechts frei und vernünftig, im Staate
ausbildet und mit prüfender Vorsicht die Abgründe vermeidet, wo menschliche Frei¬
heit und menschliches Gedeihen zu Grunde geht und der dunkle Zwang der Na¬
turgewalten ihn vernichtend überwältigt. Den grünen Boden, auf dem er waltet,
endlos theilen, die Menschenkraft, welche jetzt auf großen Gütern eine Vereinigung
Vieler zur Erreichung eines bedeutenden Zweckes ist, in eine Anzahl von einzelnen
kleinen Theilen und isolirten Thätigkeiten zersplittern, heißt nichts Anderes, als
die vernünftige Freiheit des Menschengeschlechts aufheben, und die Einzelnen zu
hungernden Sclaven derselben Natur machen, welche wir jetzt durch Intelligenz,
Roppe. Kapital und tausendjährige Anstrengung unterworfen haben.




Frankfurter Decemberrage.



Frankfurt stieg mit feiertäglichem Glockengeläute aus den von der Winter¬
morgensonne durchleuchteten Mainnebeln.

Es war wirklich Feiertag, deshalb auf den Straßen christliche Sabbatruhe.
Auch die Reichsversammlung hielt Rasttag. Hier und da wieß ein bekannter Be¬
gleiter auf die eilig dahinschreitcnde Gestalt irgend eines Abgeordneten von oft¬
genannten Namen; die Ruine des Liberalismus von 1813, Vater Jahr, zog
wallenden Bartes im bekannten Nenommistenschritt vorbei; die Parade marschirte
glänzend noch immer mit der Zugabe eines Geschützes; überhaupt war der dritte
begegnende Mensch in Uniform und Abends flackerten die Wachtfeuer vor den
Hauptwachen; noch später klirrte der Tactschritt berittener Streifwachen durch die
leeren Gassen. Die Erinnerung an den September ist überhaupt keineswegs ver-


große Landrente hervorbringen, so gibt es bei diesen Uebelständen doch Hoffnung
aus eine schönere Zukunft, auf Besserung durch Beschaffung des Kapitals, welchem
die Menschen mit ihren Kräften folgen, aber dem in kleine Parzellen vertheilten
Lande steht nur eine Zeit der Entbehrung und Noth bevor. Eine größere Bevölkerung
durch immer gesteigerte Bodentheilung hervorgerufen, heißt die Leiden der Mensch»
heit leichtsinnig vermehren. Läßt sich der Mensch nicht durch Nernunftgründe be¬
stimmen, sondern von seiner natürlichen Neigung allein leiten, so verfällt er dem
harten Naturgesetz, daß bei zu großer Vermehrung einzelner Thiergeschlechter eine
ungewöhnliche Sterblichkeit das richtige Verhältniß wieder herstellt.

Die Urkräfte, welche im Boden, im Wasser, überall in der Natur wohnen,
werden dem Menschen durch sinnreiche Arbeit dienstbar und geben die Mittel zur
Bestreitung seiner Bedürfnisse, aber der Mensch hat sorglich zu wachen, daß er
ihr Herr und Meister bleibe. Seine Herrschaft erhalten kann er nur dadurch,
daß er sein eignes Leben und das seines Geschlechts frei und vernünftig, im Staate
ausbildet und mit prüfender Vorsicht die Abgründe vermeidet, wo menschliche Frei¬
heit und menschliches Gedeihen zu Grunde geht und der dunkle Zwang der Na¬
turgewalten ihn vernichtend überwältigt. Den grünen Boden, auf dem er waltet,
endlos theilen, die Menschenkraft, welche jetzt auf großen Gütern eine Vereinigung
Vieler zur Erreichung eines bedeutenden Zweckes ist, in eine Anzahl von einzelnen
kleinen Theilen und isolirten Thätigkeiten zersplittern, heißt nichts Anderes, als
die vernünftige Freiheit des Menschengeschlechts aufheben, und die Einzelnen zu
hungernden Sclaven derselben Natur machen, welche wir jetzt durch Intelligenz,
Roppe. Kapital und tausendjährige Anstrengung unterworfen haben.




Frankfurter Decemberrage.



Frankfurt stieg mit feiertäglichem Glockengeläute aus den von der Winter¬
morgensonne durchleuchteten Mainnebeln.

Es war wirklich Feiertag, deshalb auf den Straßen christliche Sabbatruhe.
Auch die Reichsversammlung hielt Rasttag. Hier und da wieß ein bekannter Be¬
gleiter auf die eilig dahinschreitcnde Gestalt irgend eines Abgeordneten von oft¬
genannten Namen; die Ruine des Liberalismus von 1813, Vater Jahr, zog
wallenden Bartes im bekannten Nenommistenschritt vorbei; die Parade marschirte
glänzend noch immer mit der Zugabe eines Geschützes; überhaupt war der dritte
begegnende Mensch in Uniform und Abends flackerten die Wachtfeuer vor den
Hauptwachen; noch später klirrte der Tactschritt berittener Streifwachen durch die
leeren Gassen. Die Erinnerung an den September ist überhaupt keineswegs ver-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_277987/152>, abgerufen am 06.05.2024.