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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band.

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dische Centralisation ist nur möglich, wenn rechts und links -- "Kleindeutschland-
Preußen" und Oestreich sich sondern.

Möge das unsere Partei in Frankfurt bedenken, und nicht in dem an sich
löblichen Wunsch, die reine Staatsform auszuprägen, eine bedeutsame Entschei¬
dung unmöglich machen oder auch nur verzögern.

Möge sie zugleich bedenken, daß von den verschiedenen Tendenzen, die sich
in Preußen selbst geltend machen, nur die eine, die altenfritzische -- für ihre An¬
sichten sich erklärt. Die conservative der heiligen Allianz ist ebenso dagegen als
die republikanische. Noch halten sich alle drei die Waage; siegt die Altenfritzische
und weiß sie sich den neuen constitutionellen Ideen so weit zu fügen, daß sie
dieselben für sich gewinnt, so haben wir nach ki Jahren Zeit genug, den neuen Staat
in seiner reinsten Form herzustellen. Siege aber die Metternichsche Tradition, so
würde eine Trennung von Oestreich nichts helfen; löst sich der Staat im Radi¬
kalismus auf, so wird die heute festgesetzte Erblichkeit die Dauer der türkischen
hunderjährigen Waffenstillstande nicht erleben, auch wenn sie für die Ewigkeit lega-
-- in. listrt wäre.




Portraits preußischer Wahlcandidaten und Deputirte.



1) Uhlich. Eine eigne Classe bildeten in unsrer seligen Constituante die
protestantischen Pfarrer niederer Sorte -- sämmtlich ein practischer^Beleg zu dem
"ne 8i>den' ultiil el'Kpiiiiui,." Ohne natürlichen Vereinigungspunkt in dem welt¬
lichen Interesse ihrer Kirche, ohne ein Banner, um das sie sich schaaren konnten,
wie die katholischen Geistliche" sich unter der Fahne des ultramontanen Fanatis¬
mus sammelten -- auch nicht vom Ministertisch ans dirigirt, wie ihre Kollegen
höheren Ranges, Svdow und Jonas - dabei aber aller politischen Einsicht baar,
hatten sie sich ihren eigenen Boden, wie Vincke geschaffen, den der Moralität.
Die Tribüne war ihnen nichts anderes als ihre bisherige Dorfkanzel, die Ver¬
sammlung nur eine neue geistliche Heerde; bei jedem wichtigen Ereigniß tauchten
sie auf, wie der Narr der altenglischen oder der Chor der griechischen Tragödie,
um die Moral von der Geschichte zu proclamiren -- ein lebendiges Noth - und
Hilfsbüchlein, sehr gute Christen, aber herzlich schlechte Musikanten. Manch fröh¬
liche Stunde, manch herzliches Lachen verdanken wir diesen würdigen Männern,
zumal als einst der wackre Pastor Müller allen Fraktionen der Versammlung, mit
Inbegriff des Ministertisches, eine derbe Capuzinerpredigt zu halten beschloß.
Trotz Mer Bitten des Präsidenten behauptete er seinen Platz mit der Versicherung,


dische Centralisation ist nur möglich, wenn rechts und links — „Kleindeutschland-
Preußen" und Oestreich sich sondern.

Möge das unsere Partei in Frankfurt bedenken, und nicht in dem an sich
löblichen Wunsch, die reine Staatsform auszuprägen, eine bedeutsame Entschei¬
dung unmöglich machen oder auch nur verzögern.

Möge sie zugleich bedenken, daß von den verschiedenen Tendenzen, die sich
in Preußen selbst geltend machen, nur die eine, die altenfritzische — für ihre An¬
sichten sich erklärt. Die conservative der heiligen Allianz ist ebenso dagegen als
die republikanische. Noch halten sich alle drei die Waage; siegt die Altenfritzische
und weiß sie sich den neuen constitutionellen Ideen so weit zu fügen, daß sie
dieselben für sich gewinnt, so haben wir nach ki Jahren Zeit genug, den neuen Staat
in seiner reinsten Form herzustellen. Siege aber die Metternichsche Tradition, so
würde eine Trennung von Oestreich nichts helfen; löst sich der Staat im Radi¬
kalismus auf, so wird die heute festgesetzte Erblichkeit die Dauer der türkischen
hunderjährigen Waffenstillstande nicht erleben, auch wenn sie für die Ewigkeit lega-
— in. listrt wäre.




Portraits preußischer Wahlcandidaten und Deputirte.



1) Uhlich. Eine eigne Classe bildeten in unsrer seligen Constituante die
protestantischen Pfarrer niederer Sorte — sämmtlich ein practischer^Beleg zu dem
„ne 8i>den' ultiil el'Kpiiiiui,." Ohne natürlichen Vereinigungspunkt in dem welt¬
lichen Interesse ihrer Kirche, ohne ein Banner, um das sie sich schaaren konnten,
wie die katholischen Geistliche» sich unter der Fahne des ultramontanen Fanatis¬
mus sammelten — auch nicht vom Ministertisch ans dirigirt, wie ihre Kollegen
höheren Ranges, Svdow und Jonas - dabei aber aller politischen Einsicht baar,
hatten sie sich ihren eigenen Boden, wie Vincke geschaffen, den der Moralität.
Die Tribüne war ihnen nichts anderes als ihre bisherige Dorfkanzel, die Ver¬
sammlung nur eine neue geistliche Heerde; bei jedem wichtigen Ereigniß tauchten
sie auf, wie der Narr der altenglischen oder der Chor der griechischen Tragödie,
um die Moral von der Geschichte zu proclamiren — ein lebendiges Noth - und
Hilfsbüchlein, sehr gute Christen, aber herzlich schlechte Musikanten. Manch fröh¬
liche Stunde, manch herzliches Lachen verdanken wir diesen würdigen Männern,
zumal als einst der wackre Pastor Müller allen Fraktionen der Versammlung, mit
Inbegriff des Ministertisches, eine derbe Capuzinerpredigt zu halten beschloß.
Trotz Mer Bitten des Präsidenten behauptete er seinen Platz mit der Versicherung,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_277987/279>, abgerufen am 07.05.2024.