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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band.

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geführt werden. -- Unsere jungen Künstler sind jetzt oft verführt oder genöthigt, durch
Carrikaturcn, Portraitzeichnen und flüchtige Genrebilder ihrer Partei und der
schaulustigen Menge zu gefallen. Wir werden Ursache haben, diese Nothwendig¬
keit zu beklagen, worin sie große Kräfte auf die Dauer zerstreut und verflüchtigt.

Wir haben die Wegspuren der Kunst in der Zukunft gesucht, wir müssen noch ein¬
mal beachten, daß es unsere Künstler sind, bekannte Persönlichkeiten und werthe Freunde
von Vielen unter uns, welche zunächst darauf schreiten werden. In der Individua¬
lität der Schaffenden würden natürlich die Uebergänge zu neuen Kunstrichtungen
sich zu entwickeln haben. Und deshalb ist es grade jetzt von hohem Interesse,
ans neuen Arbeiten herauszusuchen, welchen Einfluß die Revolution auf die Ein¬
zelnen gehabt, wie sie auf den Stoff und auf BeHandlungsweise gewirkt habe.
Mit inniger Freude wird unser Blatt jeden Fortschritt der Einzelnen, jedes kräf¬
tige Verarbeiten der Gegenwart hervorheben. Und wenn wir eine Anzahl un¬
serer Künstler in diesem Augenblick verständig bemüht sehn, ans eigene Hand eine
Versöhnung zwischen der neuen Wirklichkeit und ihrer frühern Kunstrichtung her¬
vorzubringen, so wollen wir die Hoffnung nicht aufgeben, daß es Vielen von
ihnen gelingen wird, den rechten Weg zu treffen. Im Allgemeinen wird die Re¬
volution den Schwachen tödten, den Starken erheben. --




A r o e f n n d.
Erinnerungen aus dem Feldzug in Schleswig-Holstein.



In einer redlichen Mainacht fuhren zwei offene Wagen in raschestem Trabe
der Pferde durch das Flachland. Wenn sie an einer Wendung des Feldwegs
den Schatten der hohen Hecken, welche diesen zu beiden Seiten begrenzten, ver¬
ließen, hätte ein aufmerksamer Beobachter im schwachen Strahl des Mondlichts
auf ihnen Gewehrläufe blinken, abenteuerliche Gestalten gesehen und vielleicht
an einen Näuberüberfall gedacht. Aber Alles schlief, tiefe Stille herrschte weit
umher, und die da fuhren, waren keineswegs Räuber, sondern gemüthliche Frei-
schärler, die aus dem Kern des Vaterlandes den bedrängten Brüdern im Norden
zu Hilfe geeilt waren. Sie waren zu einer Recognoscirung beordert und be¬
gaben sich von Hadersleben nach Arocsuud; was sie da sollten, wußte ganz allein
der sie begleitende Zugführer. Trotz der scharfen Nachtluft schlief die Mehrzahl
der Genossen, in ihre Mäntel oder wollene Decken gehüllt, und erwachte nicht
eher, als bis die Wagen an dem Ort ihrer Bestimmung hielten. Hier war man
auf die Gäste schon vorbereitet, Lichter irrten durch die Räume eines langen,
dunkeln Hauses, Wirth, Knechte und Mägde traten vor die Thüren, und bald
saßen und lagen die jungen Krieger in den mannigfaltigsten Gruppirungen theils
um die dampfende Bowle, theils aus improvisirten Feldbetten.


geführt werden. — Unsere jungen Künstler sind jetzt oft verführt oder genöthigt, durch
Carrikaturcn, Portraitzeichnen und flüchtige Genrebilder ihrer Partei und der
schaulustigen Menge zu gefallen. Wir werden Ursache haben, diese Nothwendig¬
keit zu beklagen, worin sie große Kräfte auf die Dauer zerstreut und verflüchtigt.

Wir haben die Wegspuren der Kunst in der Zukunft gesucht, wir müssen noch ein¬
mal beachten, daß es unsere Künstler sind, bekannte Persönlichkeiten und werthe Freunde
von Vielen unter uns, welche zunächst darauf schreiten werden. In der Individua¬
lität der Schaffenden würden natürlich die Uebergänge zu neuen Kunstrichtungen
sich zu entwickeln haben. Und deshalb ist es grade jetzt von hohem Interesse,
ans neuen Arbeiten herauszusuchen, welchen Einfluß die Revolution auf die Ein¬
zelnen gehabt, wie sie auf den Stoff und auf BeHandlungsweise gewirkt habe.
Mit inniger Freude wird unser Blatt jeden Fortschritt der Einzelnen, jedes kräf¬
tige Verarbeiten der Gegenwart hervorheben. Und wenn wir eine Anzahl un¬
serer Künstler in diesem Augenblick verständig bemüht sehn, ans eigene Hand eine
Versöhnung zwischen der neuen Wirklichkeit und ihrer frühern Kunstrichtung her¬
vorzubringen, so wollen wir die Hoffnung nicht aufgeben, daß es Vielen von
ihnen gelingen wird, den rechten Weg zu treffen. Im Allgemeinen wird die Re¬
volution den Schwachen tödten, den Starken erheben. —




A r o e f n n d.
Erinnerungen aus dem Feldzug in Schleswig-Holstein.



In einer redlichen Mainacht fuhren zwei offene Wagen in raschestem Trabe
der Pferde durch das Flachland. Wenn sie an einer Wendung des Feldwegs
den Schatten der hohen Hecken, welche diesen zu beiden Seiten begrenzten, ver¬
ließen, hätte ein aufmerksamer Beobachter im schwachen Strahl des Mondlichts
auf ihnen Gewehrläufe blinken, abenteuerliche Gestalten gesehen und vielleicht
an einen Näuberüberfall gedacht. Aber Alles schlief, tiefe Stille herrschte weit
umher, und die da fuhren, waren keineswegs Räuber, sondern gemüthliche Frei-
schärler, die aus dem Kern des Vaterlandes den bedrängten Brüdern im Norden
zu Hilfe geeilt waren. Sie waren zu einer Recognoscirung beordert und be¬
gaben sich von Hadersleben nach Arocsuud; was sie da sollten, wußte ganz allein
der sie begleitende Zugführer. Trotz der scharfen Nachtluft schlief die Mehrzahl
der Genossen, in ihre Mäntel oder wollene Decken gehüllt, und erwachte nicht
eher, als bis die Wagen an dem Ort ihrer Bestimmung hielten. Hier war man
auf die Gäste schon vorbereitet, Lichter irrten durch die Räume eines langen,
dunkeln Hauses, Wirth, Knechte und Mägde traten vor die Thüren, und bald
saßen und lagen die jungen Krieger in den mannigfaltigsten Gruppirungen theils
um die dampfende Bowle, theils aus improvisirten Feldbetten.


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[0430] geführt werden. — Unsere jungen Künstler sind jetzt oft verführt oder genöthigt, durch Carrikaturcn, Portraitzeichnen und flüchtige Genrebilder ihrer Partei und der schaulustigen Menge zu gefallen. Wir werden Ursache haben, diese Nothwendig¬ keit zu beklagen, worin sie große Kräfte auf die Dauer zerstreut und verflüchtigt. Wir haben die Wegspuren der Kunst in der Zukunft gesucht, wir müssen noch ein¬ mal beachten, daß es unsere Künstler sind, bekannte Persönlichkeiten und werthe Freunde von Vielen unter uns, welche zunächst darauf schreiten werden. In der Individua¬ lität der Schaffenden würden natürlich die Uebergänge zu neuen Kunstrichtungen sich zu entwickeln haben. Und deshalb ist es grade jetzt von hohem Interesse, ans neuen Arbeiten herauszusuchen, welchen Einfluß die Revolution auf die Ein¬ zelnen gehabt, wie sie auf den Stoff und auf BeHandlungsweise gewirkt habe. Mit inniger Freude wird unser Blatt jeden Fortschritt der Einzelnen, jedes kräf¬ tige Verarbeiten der Gegenwart hervorheben. Und wenn wir eine Anzahl un¬ serer Künstler in diesem Augenblick verständig bemüht sehn, ans eigene Hand eine Versöhnung zwischen der neuen Wirklichkeit und ihrer frühern Kunstrichtung her¬ vorzubringen, so wollen wir die Hoffnung nicht aufgeben, daß es Vielen von ihnen gelingen wird, den rechten Weg zu treffen. Im Allgemeinen wird die Re¬ volution den Schwachen tödten, den Starken erheben. — A r o e f n n d. Erinnerungen aus dem Feldzug in Schleswig-Holstein. In einer redlichen Mainacht fuhren zwei offene Wagen in raschestem Trabe der Pferde durch das Flachland. Wenn sie an einer Wendung des Feldwegs den Schatten der hohen Hecken, welche diesen zu beiden Seiten begrenzten, ver¬ ließen, hätte ein aufmerksamer Beobachter im schwachen Strahl des Mondlichts auf ihnen Gewehrläufe blinken, abenteuerliche Gestalten gesehen und vielleicht an einen Näuberüberfall gedacht. Aber Alles schlief, tiefe Stille herrschte weit umher, und die da fuhren, waren keineswegs Räuber, sondern gemüthliche Frei- schärler, die aus dem Kern des Vaterlandes den bedrängten Brüdern im Norden zu Hilfe geeilt waren. Sie waren zu einer Recognoscirung beordert und be¬ gaben sich von Hadersleben nach Arocsuud; was sie da sollten, wußte ganz allein der sie begleitende Zugführer. Trotz der scharfen Nachtluft schlief die Mehrzahl der Genossen, in ihre Mäntel oder wollene Decken gehüllt, und erwachte nicht eher, als bis die Wagen an dem Ort ihrer Bestimmung hielten. Hier war man auf die Gäste schon vorbereitet, Lichter irrten durch die Räume eines langen, dunkeln Hauses, Wirth, Knechte und Mägde traten vor die Thüren, und bald saßen und lagen die jungen Krieger in den mannigfaltigsten Gruppirungen theils um die dampfende Bowle, theils aus improvisirten Feldbetten.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_277987/430>, abgerufen am 07.05.2024.