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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band.

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rauften Oestreichs. Was das Ministerium für unsere Thätigkeit bereitet, wird
nicht besser sein, als was es an Fischhof gethan. Ein Prcßgesetz wird kommen,
eben so wohl gemeint, eben so unfrei, eben so beengend, als die Verfassung deö
Staates. Wir werden Freiheit haben zu schreiben, aber mit Maaß, und das
Maaß wird sehr klein sein; wir werden uns quälen sollen den Zorn hinter süßen
Schmeichelmorteu, Feindschaft hinter Devotion, Tadel hinter tönenden Lobesphrasen,
zu verstecken. Die Schlange wird unter Blumen liegen, aber grade ans diesen
wird sie ein tödtliches Gift für die Machthaber sangen. Halbheit, Lüge und Un¬
klarheit liegen schon jetzt schwer und belastend ans Oestreich, eine gezwängte Presse
wird sie noch größer machen. Loben können wir die Gegenwart nicht, tadeln und
zürnen werden wir nicht dürfen, es wird nichts übrig bleiben als denen zu fluchen,
die unser Vaterland so weit gebracht haben. Unsere Völker werden die Worte
dazu selbst finden, wenn die Presse sie ihnen nicht mehr geben darf.

Lebe wohl, Kremsier! Was wird aus dir geworden sein und aus uns wenn
,D. der März des nächsten Jahres über deine Felder zieht?




Aus Wien.



Als der selige Patriarch Kaiser Franz testamentarisch das östreichische Volt
zum Universalerben seiner landesväterlichen Liebe einsetzte, wußte er wohl, daß
sich in dem Kreise seiner Jünger einige gewissenhafte Testamentsvollstrecker vorfin¬
den würden. Papa Melden und unser gestrenger Herr "mit der ausgedehntesten
Vollmacht" erfüllen nun das Vermächtniß deö seligen Landesvaters als wahrhaft
uneigennützige Vormünder der östreichischen Nation. So gerne wir auch auf die
Auszahlung uuserer ererbten Legate von Untertänigkeit und guter Gesinnung ver¬
zichten möchten, werden sie uns doch von jenen beiden Herren sammt Zinsen und
Zinseszinsen mit Waffengewalt aufgedrungen. Sie verstehen besser, was uns
Noth thut, und fühlen sich verpflichtet, für unsere Zukunft, sowie für unsere
jetzige Stellung in der politischen Welt zu sorgen. Der gestrenge Herr Fürst läßt
uns in der Wiener Zeitung sagen, daß er und seine Armee sich trotz der ver¬
meintlichen "Rückschläge" von Seiten der ungarischen Rebellen doch recht Wohlbefinden
und daß seine Ankunft in Pesth nicht in Folge einer Verlornen Schlacht, sondern
"zur Leitung der politischen und administrativen Angelegenheiten" unbedingt noth¬
wendig sei. Er wisse immer und unter allen Umständen "das Rechte zu finden"
und werde sich auf dem Wege, den er eingeschlagen und zum Wohl des Staates
zweckmäßig finde, "durch Nichts beirren lassen," weder durch die Presse, uoch


rauften Oestreichs. Was das Ministerium für unsere Thätigkeit bereitet, wird
nicht besser sein, als was es an Fischhof gethan. Ein Prcßgesetz wird kommen,
eben so wohl gemeint, eben so unfrei, eben so beengend, als die Verfassung deö
Staates. Wir werden Freiheit haben zu schreiben, aber mit Maaß, und das
Maaß wird sehr klein sein; wir werden uns quälen sollen den Zorn hinter süßen
Schmeichelmorteu, Feindschaft hinter Devotion, Tadel hinter tönenden Lobesphrasen,
zu verstecken. Die Schlange wird unter Blumen liegen, aber grade ans diesen
wird sie ein tödtliches Gift für die Machthaber sangen. Halbheit, Lüge und Un¬
klarheit liegen schon jetzt schwer und belastend ans Oestreich, eine gezwängte Presse
wird sie noch größer machen. Loben können wir die Gegenwart nicht, tadeln und
zürnen werden wir nicht dürfen, es wird nichts übrig bleiben als denen zu fluchen,
die unser Vaterland so weit gebracht haben. Unsere Völker werden die Worte
dazu selbst finden, wenn die Presse sie ihnen nicht mehr geben darf.

Lebe wohl, Kremsier! Was wird aus dir geworden sein und aus uns wenn
,D. der März des nächsten Jahres über deine Felder zieht?




Aus Wien.



Als der selige Patriarch Kaiser Franz testamentarisch das östreichische Volt
zum Universalerben seiner landesväterlichen Liebe einsetzte, wußte er wohl, daß
sich in dem Kreise seiner Jünger einige gewissenhafte Testamentsvollstrecker vorfin¬
den würden. Papa Melden und unser gestrenger Herr „mit der ausgedehntesten
Vollmacht" erfüllen nun das Vermächtniß deö seligen Landesvaters als wahrhaft
uneigennützige Vormünder der östreichischen Nation. So gerne wir auch auf die
Auszahlung uuserer ererbten Legate von Untertänigkeit und guter Gesinnung ver¬
zichten möchten, werden sie uns doch von jenen beiden Herren sammt Zinsen und
Zinseszinsen mit Waffengewalt aufgedrungen. Sie verstehen besser, was uns
Noth thut, und fühlen sich verpflichtet, für unsere Zukunft, sowie für unsere
jetzige Stellung in der politischen Welt zu sorgen. Der gestrenge Herr Fürst läßt
uns in der Wiener Zeitung sagen, daß er und seine Armee sich trotz der ver¬
meintlichen „Rückschläge" von Seiten der ungarischen Rebellen doch recht Wohlbefinden
und daß seine Ankunft in Pesth nicht in Folge einer Verlornen Schlacht, sondern
„zur Leitung der politischen und administrativen Angelegenheiten" unbedingt noth¬
wendig sei. Er wisse immer und unter allen Umständen „das Rechte zu finden"
und werde sich auf dem Wege, den er eingeschlagen und zum Wohl des Staates
zweckmäßig finde, „durch Nichts beirren lassen," weder durch die Presse, uoch


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_277987/512>, abgerufen am 06.05.2024.