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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band.

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die weiteste Vollmacht, das größte Vertrauen und die wärmste Unterstützung aller
Parteien des Forschritts bedürfe". Dem Provinzialcongreß dagegen wird obliegen,
Bildungsanstalten besonderer Art, z. B. Blinden- und Taubstummeninstitute, Hand¬
werker- und Agrikulturschuleu, nationale gelehrte Institute ins Leben zu rufen, mit
und ohne Hilfe der Staatsregierung. Und in dieser Richtung liegt ein unend¬
liches Feld segensreicher Thätigkeit. Was der Gesammtstaat für die technische und
landwirtschaftliche Bildung seiner Bürger thun kann, wird immer nnr wenig sein,
die Kraft der Provinz dagegen kann hier das Unglaubliche mit Aufwand von ge¬
ringen Mitteln bewirken. -- Außer solcher und entsprechender Thätigkeit wird der
Proviuzialcongreß endlich Alles das zu behandeln haben, was ihm das Staats-
ministerium aus seinem Bereich zur Begutachtung oder Entscheidung überträgt,
und wir meinen, davon wird die nächste Zeit Vieles und Wichtiges bringen.
Wem diese Rechte der Provinzen gegenüber dem Gesammtstaat zu unbedeutend
erscheinen, dem muß ich sehr zürnen. Es sind die höchsten Rechte und Pflichten,
welche der freie Mann seinen Mitmenschen gegenüber hat, ihnen mit der Autori¬
tät des Gesetzes bewaffnet, Wohlstand, Bildung, Einsicht zu bringen. Wehe
uns, daß wir noch so arm, so sehr arm an alledem sind!

Und so wiederhole ich meine Behauptung in kurzen Worten: Oestreichs
Organisation heißt: Kräftigung des Volks durch freie Gemeindeordnung, Verbin¬
dung des Volkes mit Intelligenz und Bildung durch Provinzialstände, Freiheit
für den Staat durch eine starke Regierung.




Tod und Leben beim Jahreswechsel.



Es ist jetzt für einen gebildeten Menschen durchaus keine Zeit zu sterben.
Jahrelang haben wir gewartet auf die große Zeit, die in die Welt kommen müsse,
ein Theil von uns ist über dem Hoffen und Harren alt geworden, und jetzt, da
sie endlich gekommen ist, geht zugleich ein nichtswürdiges und abgeschmacktes Ster¬
ben in großem Maßstabe los. Die Kriege in Italien, Schleswig und Ungarn,
die Händel in Posen, die Straßenkampfe fast jeder großem Stadt, Meuchelmorde,
militärische Executionen, Bauernaufstände und hinter allen die schwarzen Hände
der Cholera und des Typhus werfen in unserer Nähe Freunde, Kampfgenossen und
Gegner in so großer Anzahl um, daß es unter uns kaum einen Menschen gibt,
dem nicht Pulver und Tod Herzweh gemacht haben. Ein Gagern, ein Auers-
wald, Lichnowsky, Lamberg, Latour, Blum und die Andern, welche in Wien
em Schicksal theilten, und Tausende, deren Freunde und Feinde einem kleineren


die weiteste Vollmacht, das größte Vertrauen und die wärmste Unterstützung aller
Parteien des Forschritts bedürfe». Dem Provinzialcongreß dagegen wird obliegen,
Bildungsanstalten besonderer Art, z. B. Blinden- und Taubstummeninstitute, Hand¬
werker- und Agrikulturschuleu, nationale gelehrte Institute ins Leben zu rufen, mit
und ohne Hilfe der Staatsregierung. Und in dieser Richtung liegt ein unend¬
liches Feld segensreicher Thätigkeit. Was der Gesammtstaat für die technische und
landwirtschaftliche Bildung seiner Bürger thun kann, wird immer nnr wenig sein,
die Kraft der Provinz dagegen kann hier das Unglaubliche mit Aufwand von ge¬
ringen Mitteln bewirken. — Außer solcher und entsprechender Thätigkeit wird der
Proviuzialcongreß endlich Alles das zu behandeln haben, was ihm das Staats-
ministerium aus seinem Bereich zur Begutachtung oder Entscheidung überträgt,
und wir meinen, davon wird die nächste Zeit Vieles und Wichtiges bringen.
Wem diese Rechte der Provinzen gegenüber dem Gesammtstaat zu unbedeutend
erscheinen, dem muß ich sehr zürnen. Es sind die höchsten Rechte und Pflichten,
welche der freie Mann seinen Mitmenschen gegenüber hat, ihnen mit der Autori¬
tät des Gesetzes bewaffnet, Wohlstand, Bildung, Einsicht zu bringen. Wehe
uns, daß wir noch so arm, so sehr arm an alledem sind!

Und so wiederhole ich meine Behauptung in kurzen Worten: Oestreichs
Organisation heißt: Kräftigung des Volks durch freie Gemeindeordnung, Verbin¬
dung des Volkes mit Intelligenz und Bildung durch Provinzialstände, Freiheit
für den Staat durch eine starke Regierung.




Tod und Leben beim Jahreswechsel.



Es ist jetzt für einen gebildeten Menschen durchaus keine Zeit zu sterben.
Jahrelang haben wir gewartet auf die große Zeit, die in die Welt kommen müsse,
ein Theil von uns ist über dem Hoffen und Harren alt geworden, und jetzt, da
sie endlich gekommen ist, geht zugleich ein nichtswürdiges und abgeschmacktes Ster¬
ben in großem Maßstabe los. Die Kriege in Italien, Schleswig und Ungarn,
die Händel in Posen, die Straßenkampfe fast jeder großem Stadt, Meuchelmorde,
militärische Executionen, Bauernaufstände und hinter allen die schwarzen Hände
der Cholera und des Typhus werfen in unserer Nähe Freunde, Kampfgenossen und
Gegner in so großer Anzahl um, daß es unter uns kaum einen Menschen gibt,
dem nicht Pulver und Tod Herzweh gemacht haben. Ein Gagern, ein Auers-
wald, Lichnowsky, Lamberg, Latour, Blum und die Andern, welche in Wien
em Schicksal theilten, und Tausende, deren Freunde und Feinde einem kleineren


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_277987/54>, abgerufen am 06.05.2024.