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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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Geschichten aus Siebenbürgen.
Eine Familie zu Nagy Enyed.
3.

Indessen hatte sich der walachische Aufruhr über ganz Siebenbürgen verdienet,
anch der Krieg zwischen Ungarn und Oestreich war bereits zum Ausbrüche gekommen.
Nachdem FML. Puchner die Aufforderung, den Befehlen des ungarischen Mini¬
steriums Folge zu leisten, dadurch beantwortet hatte, daß er Truppen gegen die
nach der Agyagsalver Versammlung ausgezogenen Szekler schickte, welche letztere
mit furchtbarer Erbitterung alle walachischen Ortschaften, durch die sie zogen, heim¬
suchten, kam es endlich bei Sarpatak zu einem Gefechte zwischen ihnen und dem
Oberstlieutenant Urban, worin dieser, welcher einen zahlreichen Landsturm, außer
seinen regulären Truppen, mit sich führte, gänzlich geschlagen wurde und flüchten
mußte. Wenige Tage nachher aber erschien FML. Gcdeon mit einer bedeutenden
Armee vor der Hauptstadt der Szekler, Maros Väsärhely, und schlug die bereits
unter sich uneinigen und theilweise von Verräthern geführten Szekler, worauf
Vilsärhely eingenommen wurde. Die beiden kaiserlichen Armeen operirten nun
combinirt, und während FML. Gedcon nach Westen zu, auf Enyed und Jhorda
marschirte, erschien Urban wieder von NO. her, aus dem Romanen-Grenzbezirke
auf dein Kriegsschauplatze.

Vorher hatte schon der später so berüchtigt gewordene Alpenkonig, Zankn,
der Anführer des Mordbrennerhanfens von Zalathna, mit nahe an 20,000 Bauern
ein Lager in der Nähe von N. Enyed bezogen. Fast täglich fielen jetzt zwischen
dem wenigen ungarischen Militär, mit welchem sich die Nationalgarde vereinigt
hatte, und den Walachen Gefechte vor, in welchen diese trotz der meist 20fachen
Uebermacht stets den Kürzern zogen, und binnen zehn bis zwölf Tagen nahe an
2000 Mann verloren.

In den letzten Tagen des Monats October nahm ein junger Mann vor
einem Hause Enyeds Abschied von zwei Frauen, die mit nassen Angen ihm uoch
lange nachschauten. "Schone Keinen!" hatte die Matrone gesagt, "schone dich!"
das junge Mädchen.

Es bedürfte bei dem stattlichen Nationalgardisten, der so stolz zu Pferde
saß, keiner Ermunterung zur Nache. Immer und immer stand die Mordscene,
der er mit genauer Noth entronnen, vor seinen Angen, und spornte sein feuriges
Herz, Aug um Aug, Zahn um Zahn zu nehmen.

Der Zug der Reiter, Szekler und Mathiashnsaren und berittene Gardisten,
und der Freiwilligen, wie mau damals uoch die Honveds nannte, bewegte sich
laugsam an die Ufer der Maros. Hier ward Halt gemacht. Vor ihnen breitete
sich das Heer der Walachen aus, zu denen einiges reguläre kaiserliches Militär --


Geschichten aus Siebenbürgen.
Eine Familie zu Nagy Enyed.
3.

Indessen hatte sich der walachische Aufruhr über ganz Siebenbürgen verdienet,
anch der Krieg zwischen Ungarn und Oestreich war bereits zum Ausbrüche gekommen.
Nachdem FML. Puchner die Aufforderung, den Befehlen des ungarischen Mini¬
steriums Folge zu leisten, dadurch beantwortet hatte, daß er Truppen gegen die
nach der Agyagsalver Versammlung ausgezogenen Szekler schickte, welche letztere
mit furchtbarer Erbitterung alle walachischen Ortschaften, durch die sie zogen, heim¬
suchten, kam es endlich bei Sarpatak zu einem Gefechte zwischen ihnen und dem
Oberstlieutenant Urban, worin dieser, welcher einen zahlreichen Landsturm, außer
seinen regulären Truppen, mit sich führte, gänzlich geschlagen wurde und flüchten
mußte. Wenige Tage nachher aber erschien FML. Gcdeon mit einer bedeutenden
Armee vor der Hauptstadt der Szekler, Maros Väsärhely, und schlug die bereits
unter sich uneinigen und theilweise von Verräthern geführten Szekler, worauf
Vilsärhely eingenommen wurde. Die beiden kaiserlichen Armeen operirten nun
combinirt, und während FML. Gedcon nach Westen zu, auf Enyed und Jhorda
marschirte, erschien Urban wieder von NO. her, aus dem Romanen-Grenzbezirke
auf dein Kriegsschauplatze.

Vorher hatte schon der später so berüchtigt gewordene Alpenkonig, Zankn,
der Anführer des Mordbrennerhanfens von Zalathna, mit nahe an 20,000 Bauern
ein Lager in der Nähe von N. Enyed bezogen. Fast täglich fielen jetzt zwischen
dem wenigen ungarischen Militär, mit welchem sich die Nationalgarde vereinigt
hatte, und den Walachen Gefechte vor, in welchen diese trotz der meist 20fachen
Uebermacht stets den Kürzern zogen, und binnen zehn bis zwölf Tagen nahe an
2000 Mann verloren.

In den letzten Tagen des Monats October nahm ein junger Mann vor
einem Hause Enyeds Abschied von zwei Frauen, die mit nassen Angen ihm uoch
lange nachschauten. „Schone Keinen!" hatte die Matrone gesagt, „schone dich!"
das junge Mädchen.

Es bedürfte bei dem stattlichen Nationalgardisten, der so stolz zu Pferde
saß, keiner Ermunterung zur Nache. Immer und immer stand die Mordscene,
der er mit genauer Noth entronnen, vor seinen Angen, und spornte sein feuriges
Herz, Aug um Aug, Zahn um Zahn zu nehmen.

Der Zug der Reiter, Szekler und Mathiashnsaren und berittene Gardisten,
und der Freiwilligen, wie mau damals uoch die Honveds nannte, bewegte sich
laugsam an die Ufer der Maros. Hier ward Halt gemacht. Vor ihnen breitete
sich das Heer der Walachen aus, zu denen einiges reguläre kaiserliches Militär —


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[0271] Geschichten aus Siebenbürgen. Eine Familie zu Nagy Enyed. 3. Indessen hatte sich der walachische Aufruhr über ganz Siebenbürgen verdienet, anch der Krieg zwischen Ungarn und Oestreich war bereits zum Ausbrüche gekommen. Nachdem FML. Puchner die Aufforderung, den Befehlen des ungarischen Mini¬ steriums Folge zu leisten, dadurch beantwortet hatte, daß er Truppen gegen die nach der Agyagsalver Versammlung ausgezogenen Szekler schickte, welche letztere mit furchtbarer Erbitterung alle walachischen Ortschaften, durch die sie zogen, heim¬ suchten, kam es endlich bei Sarpatak zu einem Gefechte zwischen ihnen und dem Oberstlieutenant Urban, worin dieser, welcher einen zahlreichen Landsturm, außer seinen regulären Truppen, mit sich führte, gänzlich geschlagen wurde und flüchten mußte. Wenige Tage nachher aber erschien FML. Gcdeon mit einer bedeutenden Armee vor der Hauptstadt der Szekler, Maros Väsärhely, und schlug die bereits unter sich uneinigen und theilweise von Verräthern geführten Szekler, worauf Vilsärhely eingenommen wurde. Die beiden kaiserlichen Armeen operirten nun combinirt, und während FML. Gedcon nach Westen zu, auf Enyed und Jhorda marschirte, erschien Urban wieder von NO. her, aus dem Romanen-Grenzbezirke auf dein Kriegsschauplatze. Vorher hatte schon der später so berüchtigt gewordene Alpenkonig, Zankn, der Anführer des Mordbrennerhanfens von Zalathna, mit nahe an 20,000 Bauern ein Lager in der Nähe von N. Enyed bezogen. Fast täglich fielen jetzt zwischen dem wenigen ungarischen Militär, mit welchem sich die Nationalgarde vereinigt hatte, und den Walachen Gefechte vor, in welchen diese trotz der meist 20fachen Uebermacht stets den Kürzern zogen, und binnen zehn bis zwölf Tagen nahe an 2000 Mann verloren. In den letzten Tagen des Monats October nahm ein junger Mann vor einem Hause Enyeds Abschied von zwei Frauen, die mit nassen Angen ihm uoch lange nachschauten. „Schone Keinen!" hatte die Matrone gesagt, „schone dich!" das junge Mädchen. Es bedürfte bei dem stattlichen Nationalgardisten, der so stolz zu Pferde saß, keiner Ermunterung zur Nache. Immer und immer stand die Mordscene, der er mit genauer Noth entronnen, vor seinen Angen, und spornte sein feuriges Herz, Aug um Aug, Zahn um Zahn zu nehmen. Der Zug der Reiter, Szekler und Mathiashnsaren und berittene Gardisten, und der Freiwilligen, wie mau damals uoch die Honveds nannte, bewegte sich laugsam an die Ufer der Maros. Hier ward Halt gemacht. Vor ihnen breitete sich das Heer der Walachen aus, zu denen einiges reguläre kaiserliches Militär —

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/271>, abgerufen am 06.05.2024.