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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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Weil wir ihn in den Abgrund zwangen,
Ihn, der die Welt gedruckt mit seinem Heere,
Weil wir >"it unserm Blut errangen
Europas Freiheit, Frieden, Ehre'!
Ihr drohet stolz init Worten -- versucht es durch die That!
Denkt .Ihr, der Held, der alte JsmaU'sehe Soldat
Vermag nicht abermals sein gutes Schwert zu schwingen,
Und unsers Zaren Wort wird ""gehört verklingen !
Zst'S neu für uns, mit Europa zu kriegen!
Hat der Nüsse verlernt z" kämpfen und siegen !
Sind unsrer wenig? Schaut von Peru bis Tauris-Land,
Schaut Finnlands kalte" Felsen bis zum heißen jn)roöstraud --
Von >vo der Anamim goede" blinkt,
Bis wo sich Chinas Mauer schlingt,
Erhebt das Volt sich alsobald
Gleich wie ein Stahl- nud Eiscnwald,
Drunt, Redner, tobt nud lärmt nicht mehr,
Schickt Eurer Sohne Schaaren Her-
Sie finden Platz im Rnssenland
Bei Gräbern, ihnen wohlbekannt.



Neue N o in a n c.

Zwei Damenschriften: Westminster. Von Amalie Struve; und: Aus
der Schweiz. Von Jda von Dü rings selb. (Bremen, F. sah>odtmann>, charak-
terisiren ungefähr die beiden wesentlichen Seiten unserer Frauenliteratur. Das erste ist
ein historischer Roman, der in den Zeiten der Hinrichtung Karl's l. spielt, jenem be¬
liebten Thema sür alle Nvmaneierö. Die Verfasserin ist die Gattin des bekannten Frei-
schaarenfnhrers. Dieser Roman zeigt sowohl in der historischen Auffassung, als in der
Anlage der Charaktere, als selbst im Stil eine Naivität, die in unserm Säculum wohl
in Erstaunen setzen kann. Was bei derartigen novellistischen versuchen unserer De¬
mokraten zunächst auffällt, ist die "ngemeinc Gutmüthigkeit. Ich bin überzeugt, selbst
ein großer Theil der Phantasien -r In, Kobus^jciirv beruht ans zersetzter Sentimentalität.
Es ist also Hoffnung vorhanden, daß bei veränderten Zeitumständen aus diesen politi¬
schen Regionen viel gute Bürger, ich will sogar sagen, ehrsame Spießbürger, hervor¬
gehen, die zwar Abends bei der Pfeife über den Weltlauf bedenklich den Kopf schüt¬
teln, sonst aber ihre Frauen hegen und pflegen, mit ihren Kindern spielen, und ihr
Tagewerk mit Andacht und Schicklichkeit verrichten. >-->

Der zweite Roman ist von ganz entgegengesetzter Tendenz. Er gehört den aristo¬
kratisch-jungdeutschen, den faliguirt-romantischen Kreisen an, jenen Kreisen, die sich um
die Göttin Hahn-Hahn gruppiren. Permischte Reiseskizzen, Novelletten, Salongc-
schichtcn u. dergl., zum Theil nicht ohne Interesse, weil man merkt, daß die Verfasse¬
rin wirtlich etwas von der großen Welt gesehen hat, und daß ihr Auge nicht schlecht
ist, aber es fehlt jeder ernste Gedanke, und es fehlt much wieder jene Liebenswürdig¬
keit im Lügen und Erfinden, welche die Franzosen auszeichnet. Unsre deutsche soge¬
nannte große Welt ist nur ein schwächlicher Abklatsch der Pariser, und es nutzt nichts,
sie darzustellen, man hat weder Freude noch Belehrung davon.




Verlag von F. U. Herbig. -- Redacteure: Gustav Freytag nud Julian Schmidt.
Druck von C. E. Elbert.
Weil wir ihn in den Abgrund zwangen,
Ihn, der die Welt gedruckt mit seinem Heere,
Weil wir >»it unserm Blut errangen
Europas Freiheit, Frieden, Ehre'!
Ihr drohet stolz init Worten — versucht es durch die That!
Denkt .Ihr, der Held, der alte JsmaU'sehe Soldat
Vermag nicht abermals sein gutes Schwert zu schwingen,
Und unsers Zaren Wort wird »»gehört verklingen !
Zst'S neu für uns, mit Europa zu kriegen!
Hat der Nüsse verlernt z» kämpfen und siegen !
Sind unsrer wenig? Schaut von Peru bis Tauris-Land,
Schaut Finnlands kalte» Felsen bis zum heißen jn)roöstraud —
Von >vo der Anamim goede» blinkt,
Bis wo sich Chinas Mauer schlingt,
Erhebt das Volt sich alsobald
Gleich wie ein Stahl- nud Eiscnwald,
Drunt, Redner, tobt nud lärmt nicht mehr,
Schickt Eurer Sohne Schaaren Her-
Sie finden Platz im Rnssenland
Bei Gräbern, ihnen wohlbekannt.



Neue N o in a n c.

Zwei Damenschriften: Westminster. Von Amalie Struve; und: Aus
der Schweiz. Von Jda von Dü rings selb. (Bremen, F. sah>odtmann>, charak-
terisiren ungefähr die beiden wesentlichen Seiten unserer Frauenliteratur. Das erste ist
ein historischer Roman, der in den Zeiten der Hinrichtung Karl's l. spielt, jenem be¬
liebten Thema sür alle Nvmaneierö. Die Verfasserin ist die Gattin des bekannten Frei-
schaarenfnhrers. Dieser Roman zeigt sowohl in der historischen Auffassung, als in der
Anlage der Charaktere, als selbst im Stil eine Naivität, die in unserm Säculum wohl
in Erstaunen setzen kann. Was bei derartigen novellistischen versuchen unserer De¬
mokraten zunächst auffällt, ist die »ngemeinc Gutmüthigkeit. Ich bin überzeugt, selbst
ein großer Theil der Phantasien -r In, Kobus^jciirv beruht ans zersetzter Sentimentalität.
Es ist also Hoffnung vorhanden, daß bei veränderten Zeitumständen aus diesen politi¬
schen Regionen viel gute Bürger, ich will sogar sagen, ehrsame Spießbürger, hervor¬
gehen, die zwar Abends bei der Pfeife über den Weltlauf bedenklich den Kopf schüt¬
teln, sonst aber ihre Frauen hegen und pflegen, mit ihren Kindern spielen, und ihr
Tagewerk mit Andacht und Schicklichkeit verrichten. >—>

Der zweite Roman ist von ganz entgegengesetzter Tendenz. Er gehört den aristo¬
kratisch-jungdeutschen, den faliguirt-romantischen Kreisen an, jenen Kreisen, die sich um
die Göttin Hahn-Hahn gruppiren. Permischte Reiseskizzen, Novelletten, Salongc-
schichtcn u. dergl., zum Theil nicht ohne Interesse, weil man merkt, daß die Verfasse¬
rin wirtlich etwas von der großen Welt gesehen hat, und daß ihr Auge nicht schlecht
ist, aber es fehlt jeder ernste Gedanke, und es fehlt much wieder jene Liebenswürdig¬
keit im Lügen und Erfinden, welche die Franzosen auszeichnet. Unsre deutsche soge¬
nannte große Welt ist nur ein schwächlicher Abklatsch der Pariser, und es nutzt nichts,
sie darzustellen, man hat weder Freude noch Belehrung davon.




Verlag von F. U. Herbig. — Redacteure: Gustav Freytag nud Julian Schmidt.
Druck von C. E. Elbert.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/408>, abgerufen am 05.05.2024.