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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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Dies ist unwahr. Ich wenigstens habe Auch in ineinen Vortragen immer vor¬
zugsweise an die Männer der Wissenschaft gewendet und sie ausdrücklich aufge¬
fordert, etwaige Einwürfe gegen das Vorgetragene mir mitzutheilen. Der Verf.
vergleicht ferner die Phrenologie mit der Physiognomik, wobei er die letztere weit
über die erstere stellt. Allein die Physiognomik ist eine Zeich entehre: eine
so oder so geformte Nase, ein so oder so gebildeter Mund ist das Zeichen
dieses oder jenes Charalterzngs. Zeichen aber können trügen, darum wird die
Physiognomik schwerlich je zur Wissenschaft erhoben werden können. Die Phre-
-nvlogie dagegen hat es mit der Sache selbst, mit den Organen des Gehirns zu
thun. Denn der Schädelknochen und dessen Höcker kommen hier nur insofern in
Betracht, als durch sie oder trotz ihnen die Gehirngestalt erkannt werden kann.
Der Vers, sagt hier wieder unentschieden, er wolle darauf, das; die äußere Form
des Schädels keineswegs in allen Punkten der Form des Gehirns entspreche,
weniger Gewicht legen. Warum aber nicht, da doch der Punkt ein so wichtiger
ist? Schließlich erlaube ich mir zu bemerken, daß nach meinem Gefühl der Verf.
einen Aufsatz in dein Tone, wie der seinige geschrieben, nur mit seinem Namen
hätte geben sollen. _______

Di Anm. der Red. e Grenzboten können diesem Gegenstand keinen wei¬
tern Raum geben. Sie schließen also die Verhandlung mit der Aufforderung an
das Publicum, die beiden Aufsätze mit einander zu vergleichen. Nur Eius scheint
ihnen in dem letzten unbillig: daß man von dem Geguer der Phrenologie ver¬
langt, er solle seine Ansicht über die Organik des Gehirns abgeben. Er hatte
ja gerade behauptet, daß eine N'isseuschaftliche, systematische Beobachtung der
Thätigkeit des Gehirns noch gar nicht stattgefunden habe, und daß es wenigstens
höchst übereilt sei, aus der brutalen (d. h. rohen, unwissenschaftlichen) sogenannten
Erfahrung ein System der Organik des Gehirns aufzustellen. -- lieber die Art
und Weife, wie die Phrenologen beobachten, setzt uns leider der vorstehende Aus¬
satz nicht ins Klare.




Kleine Correspondenz Med Notizsm.



Wer" ich ein designirter preußischer Pair wäre, möchte ich mein Stimmrecht in
81><z von drei Reichstagen dafür hingeben, wenn ich unsern jungen Kaiser nach der Fest¬
reise von Trieft auf einige Tage in Pesth haben und ihn incognito in den Straßen der
belagerten Hauptstadt Ungarns herumfuhren konnte. In den ersten Monaten der Ocm-
pation, als die Altare der Rache noch von feisten Opfern rauchten, feierte das Volk
sein stummes Fest der Trauer und zehrte an dem stolzen Gefühle, das jedem Unglück¬
lichen eigen ist; nun hat die Negierung dem Schlachten ein Ende gemacht, und müh
sich ab, in unserm Lande einen normalen Zustand möglich zu machen, aber das Volk


Dies ist unwahr. Ich wenigstens habe Auch in ineinen Vortragen immer vor¬
zugsweise an die Männer der Wissenschaft gewendet und sie ausdrücklich aufge¬
fordert, etwaige Einwürfe gegen das Vorgetragene mir mitzutheilen. Der Verf.
vergleicht ferner die Phrenologie mit der Physiognomik, wobei er die letztere weit
über die erstere stellt. Allein die Physiognomik ist eine Zeich entehre: eine
so oder so geformte Nase, ein so oder so gebildeter Mund ist das Zeichen
dieses oder jenes Charalterzngs. Zeichen aber können trügen, darum wird die
Physiognomik schwerlich je zur Wissenschaft erhoben werden können. Die Phre-
-nvlogie dagegen hat es mit der Sache selbst, mit den Organen des Gehirns zu
thun. Denn der Schädelknochen und dessen Höcker kommen hier nur insofern in
Betracht, als durch sie oder trotz ihnen die Gehirngestalt erkannt werden kann.
Der Vers, sagt hier wieder unentschieden, er wolle darauf, das; die äußere Form
des Schädels keineswegs in allen Punkten der Form des Gehirns entspreche,
weniger Gewicht legen. Warum aber nicht, da doch der Punkt ein so wichtiger
ist? Schließlich erlaube ich mir zu bemerken, daß nach meinem Gefühl der Verf.
einen Aufsatz in dein Tone, wie der seinige geschrieben, nur mit seinem Namen
hätte geben sollen. _______

Di Anm. der Red. e Grenzboten können diesem Gegenstand keinen wei¬
tern Raum geben. Sie schließen also die Verhandlung mit der Aufforderung an
das Publicum, die beiden Aufsätze mit einander zu vergleichen. Nur Eius scheint
ihnen in dem letzten unbillig: daß man von dem Geguer der Phrenologie ver¬
langt, er solle seine Ansicht über die Organik des Gehirns abgeben. Er hatte
ja gerade behauptet, daß eine N'isseuschaftliche, systematische Beobachtung der
Thätigkeit des Gehirns noch gar nicht stattgefunden habe, und daß es wenigstens
höchst übereilt sei, aus der brutalen (d. h. rohen, unwissenschaftlichen) sogenannten
Erfahrung ein System der Organik des Gehirns aufzustellen. — lieber die Art
und Weife, wie die Phrenologen beobachten, setzt uns leider der vorstehende Aus¬
satz nicht ins Klare.




Kleine Correspondenz Med Notizsm.



Wer» ich ein designirter preußischer Pair wäre, möchte ich mein Stimmrecht in
81><z von drei Reichstagen dafür hingeben, wenn ich unsern jungen Kaiser nach der Fest¬
reise von Trieft auf einige Tage in Pesth haben und ihn incognito in den Straßen der
belagerten Hauptstadt Ungarns herumfuhren konnte. In den ersten Monaten der Ocm-
pation, als die Altare der Rache noch von feisten Opfern rauchten, feierte das Volk
sein stummes Fest der Trauer und zehrte an dem stolzen Gefühle, das jedem Unglück¬
lichen eigen ist; nun hat die Negierung dem Schlachten ein Ende gemacht, und müh
sich ab, in unserm Lande einen normalen Zustand möglich zu machen, aber das Volk


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[0445] Dies ist unwahr. Ich wenigstens habe Auch in ineinen Vortragen immer vor¬ zugsweise an die Männer der Wissenschaft gewendet und sie ausdrücklich aufge¬ fordert, etwaige Einwürfe gegen das Vorgetragene mir mitzutheilen. Der Verf. vergleicht ferner die Phrenologie mit der Physiognomik, wobei er die letztere weit über die erstere stellt. Allein die Physiognomik ist eine Zeich entehre: eine so oder so geformte Nase, ein so oder so gebildeter Mund ist das Zeichen dieses oder jenes Charalterzngs. Zeichen aber können trügen, darum wird die Physiognomik schwerlich je zur Wissenschaft erhoben werden können. Die Phre- -nvlogie dagegen hat es mit der Sache selbst, mit den Organen des Gehirns zu thun. Denn der Schädelknochen und dessen Höcker kommen hier nur insofern in Betracht, als durch sie oder trotz ihnen die Gehirngestalt erkannt werden kann. Der Vers, sagt hier wieder unentschieden, er wolle darauf, das; die äußere Form des Schädels keineswegs in allen Punkten der Form des Gehirns entspreche, weniger Gewicht legen. Warum aber nicht, da doch der Punkt ein so wichtiger ist? Schließlich erlaube ich mir zu bemerken, daß nach meinem Gefühl der Verf. einen Aufsatz in dein Tone, wie der seinige geschrieben, nur mit seinem Namen hätte geben sollen. _______ Di Anm. der Red. e Grenzboten können diesem Gegenstand keinen wei¬ tern Raum geben. Sie schließen also die Verhandlung mit der Aufforderung an das Publicum, die beiden Aufsätze mit einander zu vergleichen. Nur Eius scheint ihnen in dem letzten unbillig: daß man von dem Geguer der Phrenologie ver¬ langt, er solle seine Ansicht über die Organik des Gehirns abgeben. Er hatte ja gerade behauptet, daß eine N'isseuschaftliche, systematische Beobachtung der Thätigkeit des Gehirns noch gar nicht stattgefunden habe, und daß es wenigstens höchst übereilt sei, aus der brutalen (d. h. rohen, unwissenschaftlichen) sogenannten Erfahrung ein System der Organik des Gehirns aufzustellen. — lieber die Art und Weife, wie die Phrenologen beobachten, setzt uns leider der vorstehende Aus¬ satz nicht ins Klare. Kleine Correspondenz Med Notizsm. Wer» ich ein designirter preußischer Pair wäre, möchte ich mein Stimmrecht in 81><z von drei Reichstagen dafür hingeben, wenn ich unsern jungen Kaiser nach der Fest¬ reise von Trieft auf einige Tage in Pesth haben und ihn incognito in den Straßen der belagerten Hauptstadt Ungarns herumfuhren konnte. In den ersten Monaten der Ocm- pation, als die Altare der Rache noch von feisten Opfern rauchten, feierte das Volk sein stummes Fest der Trauer und zehrte an dem stolzen Gefühle, das jedem Unglück¬ lichen eigen ist; nun hat die Negierung dem Schlachten ein Ende gemacht, und müh sich ab, in unserm Lande einen normalen Zustand möglich zu machen, aber das Volk

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/445>, abgerufen am 06.05.2024.