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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band.

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eine Abtheilung Infanterie nach dem Haus geschickt, diese rief dein Mädchen
zu, zu öffnen, was anch bald geschah-, die Soldaten mit einem Pandurencom-
missär an der Spitze traten ein, in diesem Augenblicke hörten sie weit hinter dein
Hanse einen Schuß, doch traten sie in das Zimmer, aber wie groß war ihr Er¬
staunen, als sie hier einen schnarchenden, noch halbbcrauschten, einbeinigen Hon-
vedinvalidcn fanden, aber von Nözsa keine Spur, ja selbst das Mädchen war
verschwunden. Nozsa war, während der Pandur zum Kommandanten ritt, um
ihm zu raportircn, durch eine Hinterthüre in Pandnrenklcidern ganz unangefochten
bis zum äußersten Vorposten geritten, hier bemerkte er mit seinem scharfen Blick
sogleich den vom Commandanten begangenen Fehler, der nämlich die Reiterei in
die Nähe des Hanfes und die Infanterie auf den äußersten Punkten aufgestellt
hatte, er zog also seineu Stutzen, schoß ganz kaltblütig den aufgestellten letzten
Posten nieder und -- verschwunden war er, bis ihn ein Trieb fetter Schweine
wieder in die Gegend lockt. --




Das Pantheon östreichischcr gefallener Größen bevölkert sich recht kunterbund und
rasch; Metternich und Pillersdors, Sedlnitzky und Herr von Schwarzer, Windischgräj)
und Hayna" wandeln miteinander im Schattenreiche, und kürzlich ist auch eine Notabilität
der Hauptstadt Prag, der Nationalgardeoberst hinabgestiegen, um da Quartier zu machen
für Prags Bürgermeister Waclaw Wanka, welcher nächstens unmittelbar nach den neuen
Gemeindewahlen dahin abzugehen gedenkt, ob mit oder ohne Franz Josephs-Orden ist
noch unentschieden, die meisten Chancen sind sür das Ohne. Der Nationalgardeoberst
hat in einer von ihm selbst geschlungenen Schlinge verendet. Weil bei dem Constitutions-
fest am 4. März seine Nationalgarde so entsetzlich spärlich ausgerückt gewesen, war der
Lafayette Prags bedacht, sich sür den Geburtstag des Kaisers -- 18. August -- eine
zahlreichere Ausrückung zu sichern. Die Nationalgarde besitzt nämlich keine eigenthümlichen
Waffen, sondern erhielt im Jahre 1848 die nöthigen Flinten aus dem Zeughause mit
dem Beisatze geliehen, daß man sie derselben auch käuflich ablassen wolle, die Commune
aber wollte für das ganz abgestandene Gardcinstitut die Auslage nicht wagen, und das
Zeughaus forderte nun die Gewehre kategorisch zurück, um ans diesem Wege der Garde
factisch den Garaus zu machen.

Der Oberst verfiel auf ein geniales Auskunftsmittel,. um die Rückstellung der
Gewehre zu verschieben, und zugleich für den 18. August sich eine Loyalitätsdcmonstration
zu versichern; er verordnete nämlich: jeder einzelne Gardist habe sich zu erklären, ob er am
18. August ausrücken wolle oder nicht. Die Nichtausrücker wurden verpflichtet, die
Gewehre sogleich abzuliefern, den Ausrückern aber wurde verheißen, sie dürften das
Gewehr bis zum 18. August bei sich behalten, müßten am 18. August damit Parade
machen, sofort aber am 19. August die Gewehre ins Zeughaus abliefern. Der Herr
Oberst mochte seinen Garden eine ganz eigenthümliche Waffenliebhaberei zugetraut haben,


eine Abtheilung Infanterie nach dem Haus geschickt, diese rief dein Mädchen
zu, zu öffnen, was anch bald geschah-, die Soldaten mit einem Pandurencom-
missär an der Spitze traten ein, in diesem Augenblicke hörten sie weit hinter dein
Hanse einen Schuß, doch traten sie in das Zimmer, aber wie groß war ihr Er¬
staunen, als sie hier einen schnarchenden, noch halbbcrauschten, einbeinigen Hon-
vedinvalidcn fanden, aber von Nözsa keine Spur, ja selbst das Mädchen war
verschwunden. Nozsa war, während der Pandur zum Kommandanten ritt, um
ihm zu raportircn, durch eine Hinterthüre in Pandnrenklcidern ganz unangefochten
bis zum äußersten Vorposten geritten, hier bemerkte er mit seinem scharfen Blick
sogleich den vom Commandanten begangenen Fehler, der nämlich die Reiterei in
die Nähe des Hanfes und die Infanterie auf den äußersten Punkten aufgestellt
hatte, er zog also seineu Stutzen, schoß ganz kaltblütig den aufgestellten letzten
Posten nieder und — verschwunden war er, bis ihn ein Trieb fetter Schweine
wieder in die Gegend lockt. —




Das Pantheon östreichischcr gefallener Größen bevölkert sich recht kunterbund und
rasch; Metternich und Pillersdors, Sedlnitzky und Herr von Schwarzer, Windischgräj)
und Hayna» wandeln miteinander im Schattenreiche, und kürzlich ist auch eine Notabilität
der Hauptstadt Prag, der Nationalgardeoberst hinabgestiegen, um da Quartier zu machen
für Prags Bürgermeister Waclaw Wanka, welcher nächstens unmittelbar nach den neuen
Gemeindewahlen dahin abzugehen gedenkt, ob mit oder ohne Franz Josephs-Orden ist
noch unentschieden, die meisten Chancen sind sür das Ohne. Der Nationalgardeoberst
hat in einer von ihm selbst geschlungenen Schlinge verendet. Weil bei dem Constitutions-
fest am 4. März seine Nationalgarde so entsetzlich spärlich ausgerückt gewesen, war der
Lafayette Prags bedacht, sich sür den Geburtstag des Kaisers — 18. August — eine
zahlreichere Ausrückung zu sichern. Die Nationalgarde besitzt nämlich keine eigenthümlichen
Waffen, sondern erhielt im Jahre 1848 die nöthigen Flinten aus dem Zeughause mit
dem Beisatze geliehen, daß man sie derselben auch käuflich ablassen wolle, die Commune
aber wollte für das ganz abgestandene Gardcinstitut die Auslage nicht wagen, und das
Zeughaus forderte nun die Gewehre kategorisch zurück, um ans diesem Wege der Garde
factisch den Garaus zu machen.

Der Oberst verfiel auf ein geniales Auskunftsmittel,. um die Rückstellung der
Gewehre zu verschieben, und zugleich für den 18. August sich eine Loyalitätsdcmonstration
zu versichern; er verordnete nämlich: jeder einzelne Gardist habe sich zu erklären, ob er am
18. August ausrücken wolle oder nicht. Die Nichtausrücker wurden verpflichtet, die
Gewehre sogleich abzuliefern, den Ausrückern aber wurde verheißen, sie dürften das
Gewehr bis zum 18. August bei sich behalten, müßten am 18. August damit Parade
machen, sofort aber am 19. August die Gewehre ins Zeughaus abliefern. Der Herr
Oberst mochte seinen Garden eine ganz eigenthümliche Waffenliebhaberei zugetraut haben,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_85583/204>, abgerufen am 07.05.2024.