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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band.

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Englands voll dem Standpunkte einer großen und wcitschaucnden Politik aus, wie
sie der Weltmacht Großbritannien geziemt, mit wahrhaft diplomatischer Gewandtheit
versieht. Es sei uus gestattet, beiden Schriften diejenige Aufmerksamkeit zuzuwenden,
welche ihr Inhalt und die Bedeutung der Sache, der sie dienen, erheischt.

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Bekannt ist, welche außerordentliche strategische Wichtigkeit die Festung Rends¬
burg für Holstein, folglich auch für Deutschland hat. Sie ist der Schlüssel Deutsch¬
lands von jeuer Halbinsel aus," von wo ein Angriff zwar schwerlich, so lange dort
nnr das schwache Dänemark gebietet, um so sichrer aber dann zu befürchten sein
möchte, wenn, wie das ja offenbar die Absicht ist, Rußlands Protectorat über
dieses absterbende Reich vollends ausgebildet wäre. In einem Momente nun, wo
dies Dänemark, und mit ihm Rußland, sich der Hoffnung hingibt, die Herzog-
rhümer zu trennen und mindestens Schleswig enger an sich zu ketten, ist die
Frage vou höchster Wichtigkeit: welchem von beiden Herzogthümern gehört Rends-
burg zu? Denn sollte jene dänische Hoffnung sich verwirklichen -- was, Gott
gebe es, die Tapferkeit der Schleswig-Holsteiner und die endlich sich wieder er¬
mannende Kraft des deutschen Volkes verhüten werden -- so würde jene Frage
gleichbedeutend sein mit der andern: soll Rendsburg uns zum Schutze gegen
Dänemark und Rußland, oder diesen Mächten zum Angriffpunkte gegen uns
dienen? Hieraus erhellt die hohe Bedeutung des Rechtsstreites, der sich über
-die Znbehvrigkeit Rendsburgs neuerdings erhoben hat. Der dar. Geh. Archivar
v. Wegener war es, der sich zum literarischen Vorkämpfer der angeblichen Rechts¬
ansprüche Dänemarks auf jenen, bisher widerspruchlos zu dem deutsche" Bundes¬
lande Holstein gerechneten, wichtigen Punkt machte, fußend auf dessen Rechts-
deductioueu, hat die dänische Diplomatie nicht versäumt, jene Forderungen auch
praktisch, bei den Friedensunterhandlungen, geltend zu machen, und die Noten
einiger Großmächte lassen vermuthen, daß auch dort die dänische Auffassung bereits
Wurzel geschlagen hat; ja aus dem letzten Artikel des Friedensvertrags vom
3. Juli haben besorgte, keineswegs überängstliche, Patrioten die Befürchtung ge¬
schöpft: Preußen selbst möchte diesen Prätensionen nicht die entschiedene Abfertigung
haben zu Theil werden lassen, welche sie verdienen. Das Unternehmen Warn¬
stedts, diese dänischen Anmaßungen zunächst auf dem Gebiete, wo sie zuerst
aufgetaucht sind, dem wissenschaftlichen, zurückzuschlagen, die Behauptungen der
Wegener'sehen Schrift zu widerlegen, ist daher jedenfalls ein höchst verdienstliches;
nicht minder ist es die Art der Ausführung, die ebenso sehr durch Gründlichkeit über¬
zeugt, als durch objective Ruhe und Mäßigung gewinnt. Es ist unmöglich, nach
einer unbefangenen Prüfung dieser genauen, überall auf's Sorgfältigste mit Akten¬
stücken belegten Anführungen Warnstedts nicht zu der Ansicht zu gelange", daß
die Wegener'sche Schrift in der That das sei, als was sie sogar von einem da-


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Englands voll dem Standpunkte einer großen und wcitschaucnden Politik aus, wie
sie der Weltmacht Großbritannien geziemt, mit wahrhaft diplomatischer Gewandtheit
versieht. Es sei uus gestattet, beiden Schriften diejenige Aufmerksamkeit zuzuwenden,
welche ihr Inhalt und die Bedeutung der Sache, der sie dienen, erheischt.

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Bekannt ist, welche außerordentliche strategische Wichtigkeit die Festung Rends¬
burg für Holstein, folglich auch für Deutschland hat. Sie ist der Schlüssel Deutsch¬
lands von jeuer Halbinsel aus," von wo ein Angriff zwar schwerlich, so lange dort
nnr das schwache Dänemark gebietet, um so sichrer aber dann zu befürchten sein
möchte, wenn, wie das ja offenbar die Absicht ist, Rußlands Protectorat über
dieses absterbende Reich vollends ausgebildet wäre. In einem Momente nun, wo
dies Dänemark, und mit ihm Rußland, sich der Hoffnung hingibt, die Herzog-
rhümer zu trennen und mindestens Schleswig enger an sich zu ketten, ist die
Frage vou höchster Wichtigkeit: welchem von beiden Herzogthümern gehört Rends-
burg zu? Denn sollte jene dänische Hoffnung sich verwirklichen — was, Gott
gebe es, die Tapferkeit der Schleswig-Holsteiner und die endlich sich wieder er¬
mannende Kraft des deutschen Volkes verhüten werden — so würde jene Frage
gleichbedeutend sein mit der andern: soll Rendsburg uns zum Schutze gegen
Dänemark und Rußland, oder diesen Mächten zum Angriffpunkte gegen uns
dienen? Hieraus erhellt die hohe Bedeutung des Rechtsstreites, der sich über
-die Znbehvrigkeit Rendsburgs neuerdings erhoben hat. Der dar. Geh. Archivar
v. Wegener war es, der sich zum literarischen Vorkämpfer der angeblichen Rechts¬
ansprüche Dänemarks auf jenen, bisher widerspruchlos zu dem deutsche» Bundes¬
lande Holstein gerechneten, wichtigen Punkt machte, fußend auf dessen Rechts-
deductioueu, hat die dänische Diplomatie nicht versäumt, jene Forderungen auch
praktisch, bei den Friedensunterhandlungen, geltend zu machen, und die Noten
einiger Großmächte lassen vermuthen, daß auch dort die dänische Auffassung bereits
Wurzel geschlagen hat; ja aus dem letzten Artikel des Friedensvertrags vom
3. Juli haben besorgte, keineswegs überängstliche, Patrioten die Befürchtung ge¬
schöpft: Preußen selbst möchte diesen Prätensionen nicht die entschiedene Abfertigung
haben zu Theil werden lassen, welche sie verdienen. Das Unternehmen Warn¬
stedts, diese dänischen Anmaßungen zunächst auf dem Gebiete, wo sie zuerst
aufgetaucht sind, dem wissenschaftlichen, zurückzuschlagen, die Behauptungen der
Wegener'sehen Schrift zu widerlegen, ist daher jedenfalls ein höchst verdienstliches;
nicht minder ist es die Art der Ausführung, die ebenso sehr durch Gründlichkeit über¬
zeugt, als durch objective Ruhe und Mäßigung gewinnt. Es ist unmöglich, nach
einer unbefangenen Prüfung dieser genauen, überall auf's Sorgfältigste mit Akten¬
stücken belegten Anführungen Warnstedts nicht zu der Ansicht zu gelange«, daß
die Wegener'sche Schrift in der That das sei, als was sie sogar von einem da-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_85583/211>, abgerufen am 07.05.2024.