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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band.

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Das Princip der Legitimität und die Constitutionellen.
Paul v. Somssich, das legitime Recht Ungarns und seines Königs. Wien, Jasper,
Hügel und Manz.
I)r, Julius Stahl, die Revolution und die konstitutionelle Monarchie. 2. Aufl.
Berlin, W. Hertz.
or. Julius Stahl, die deutsche Reichsverfassung. 2. Aufl. Berlin, W. Hertz.
Franz Guizot, Geschichte der englischen Revolution bis zum Tode Karls l.
Leipzig, Lorck.

"Nur die DoctrincirS haben keine" Boden in Preußen."
v. Manteuffel.

Wenn in alten Zeiten, wo uur.it die Politik noch mit einer gewissen Naivetät be¬
trieb, eine Revolution vorkam, d. h. wenn sich eine Partei des Staats durch einen Hand¬
streich bemächtigte, und gegen die bisherigen Herrscher nach dem Grundsatz des galli-
- scheu Siegers verfuhr, so war daS Sinnen nud Trachten der gestürzten Partei lediglich
daraufgerichtet, einen neuen Handstreich vorzubereiten, der sie wieder an die Stelle
ihrer Gegner setzte. So war es mit den Ghibellinen und Welsen, so mit den dynasti¬
schen Parteien und den Nepublikanenl in Italien. Die Entdeckung, daß man durch
eine Gegenrevolution eigentlich dem Priuci
^p der Revolution in die Hände arbeite,
und die dieser Entdeckung entsprechende Devise: lions ne vouloris p-rs 1a, ecnrtrs-
Evolution, rvais l" oontraire cle lo, r<!voir1lor>, ist noch nicht so alt; sie ist auch
noch nicht so fest in den Ueberzeugungen der conservativen Partei gewurzelt, daß
diese nicht bei jeder günstigen Gelegenheit geneigt wäre, eine "rettende That", d. h.
eine Contrerevolution, der gesetzlichen Reaction vorzuziehen. Die Leidenschaft wird
in ernsten Collisionsfällen immer über die Doctrin den Sieg davontragen.

Die schlechthin antirevolutiouäre, couservativeDoctrin wird so lange im Stande
sein, eine Partei zusammenzuhalten, als in dem durch die Revolution erzeugten
Chaos der Boden für eine positive Schöpfung fehlt. So in Deutschland bis zum
Programm Gagern, so in noch weit größerem Maße in Frankreich, bis eine


Grenzboten. III. 18S0. 41
Das Princip der Legitimität und die Constitutionellen.
Paul v. Somssich, das legitime Recht Ungarns und seines Königs. Wien, Jasper,
Hügel und Manz.
I)r, Julius Stahl, die Revolution und die konstitutionelle Monarchie. 2. Aufl.
Berlin, W. Hertz.
or. Julius Stahl, die deutsche Reichsverfassung. 2. Aufl. Berlin, W. Hertz.
Franz Guizot, Geschichte der englischen Revolution bis zum Tode Karls l.
Leipzig, Lorck.

„Nur die DoctrincirS haben keine» Boden in Preußen."
v. Manteuffel.

Wenn in alten Zeiten, wo uur.it die Politik noch mit einer gewissen Naivetät be¬
trieb, eine Revolution vorkam, d. h. wenn sich eine Partei des Staats durch einen Hand¬
streich bemächtigte, und gegen die bisherigen Herrscher nach dem Grundsatz des galli-
- scheu Siegers verfuhr, so war daS Sinnen nud Trachten der gestürzten Partei lediglich
daraufgerichtet, einen neuen Handstreich vorzubereiten, der sie wieder an die Stelle
ihrer Gegner setzte. So war es mit den Ghibellinen und Welsen, so mit den dynasti¬
schen Parteien und den Nepublikanenl in Italien. Die Entdeckung, daß man durch
eine Gegenrevolution eigentlich dem Priuci
^p der Revolution in die Hände arbeite,
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noch nicht so fest in den Ueberzeugungen der conservativen Partei gewurzelt, daß
diese nicht bei jeder günstigen Gelegenheit geneigt wäre, eine „rettende That", d. h.
eine Contrerevolution, der gesetzlichen Reaction vorzuziehen. Die Leidenschaft wird
in ernsten Collisionsfällen immer über die Doctrin den Sieg davontragen.

Die schlechthin antirevolutiouäre, couservativeDoctrin wird so lange im Stande
sein, eine Partei zusammenzuhalten, als in dem durch die Revolution erzeugten
Chaos der Boden für eine positive Schöpfung fehlt. So in Deutschland bis zum
Programm Gagern, so in noch weit größerem Maße in Frankreich, bis eine


Grenzboten. III. 18S0. 41
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[0329] Das Princip der Legitimität und die Constitutionellen. Paul v. Somssich, das legitime Recht Ungarns und seines Königs. Wien, Jasper, Hügel und Manz. I)r, Julius Stahl, die Revolution und die konstitutionelle Monarchie. 2. Aufl. Berlin, W. Hertz. or. Julius Stahl, die deutsche Reichsverfassung. 2. Aufl. Berlin, W. Hertz. Franz Guizot, Geschichte der englischen Revolution bis zum Tode Karls l. Leipzig, Lorck. „Nur die DoctrincirS haben keine» Boden in Preußen." v. Manteuffel. Wenn in alten Zeiten, wo uur.it die Politik noch mit einer gewissen Naivetät be¬ trieb, eine Revolution vorkam, d. h. wenn sich eine Partei des Staats durch einen Hand¬ streich bemächtigte, und gegen die bisherigen Herrscher nach dem Grundsatz des galli- - scheu Siegers verfuhr, so war daS Sinnen nud Trachten der gestürzten Partei lediglich daraufgerichtet, einen neuen Handstreich vorzubereiten, der sie wieder an die Stelle ihrer Gegner setzte. So war es mit den Ghibellinen und Welsen, so mit den dynasti¬ schen Parteien und den Nepublikanenl in Italien. Die Entdeckung, daß man durch eine Gegenrevolution eigentlich dem Priuci ^p der Revolution in die Hände arbeite, und die dieser Entdeckung entsprechende Devise: lions ne vouloris p-rs 1a, ecnrtrs- Evolution, rvais l« oontraire cle lo, r<!voir1lor>, ist noch nicht so alt; sie ist auch noch nicht so fest in den Ueberzeugungen der conservativen Partei gewurzelt, daß diese nicht bei jeder günstigen Gelegenheit geneigt wäre, eine „rettende That", d. h. eine Contrerevolution, der gesetzlichen Reaction vorzuziehen. Die Leidenschaft wird in ernsten Collisionsfällen immer über die Doctrin den Sieg davontragen. Die schlechthin antirevolutiouäre, couservativeDoctrin wird so lange im Stande sein, eine Partei zusammenzuhalten, als in dem durch die Revolution erzeugten Chaos der Boden für eine positive Schöpfung fehlt. So in Deutschland bis zum Programm Gagern, so in noch weit größerem Maße in Frankreich, bis eine Grenzboten. III. 18S0. 41

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_85583/329>, abgerufen am 07.05.2024.