Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite
Und die Serben lagern sich und feiern
Froh den Tag der heiligen Erlösung,
Trinken dunkeln Wein mit schwarzen Perlen
Aus das Wohl des Stefan Kniczani",
Kniczanin des falkenglcichcn Feldherr",
Dessen Ehre dauern wird, so lange
Mond und Morgenstern am Himmel stehn.



Die Contrerevolution ging in Oesterreich von der Armee aus; die Offiziere,
welche ihr Patent dem Stammbaum, der Protection und dem Alter verdankten,
spürten zuerst den gewaltigen Stoß, welchen die Revolution diesem Zufluchtsorte
der Kenntnißlosigkeit und beschästigungsvollen Nichtsthuerei, wobei mau dennoch
Rang, Titel und Kleiderverziernng erwarb, beibrachte. Weder die Aristokraten
noch das Beamtenthum, nicht einmal der Clerus stemmte sich gegen Reformen,
denn der Staat, den Kaiser Franz zurückließ und den sein Diener, figürlich und
wörtlich taub gegen alle Vorstellungen der loyalsten Männer und selbst der ein¬
sichtigen Mitglieder der kaiserlichen Familie, wie einen Eispalast unter der bren¬
nenden Sonne erhalten wollte, -- der Staat und die Verwaltung wurden als
unhaltbar erkannt. Die Hohen wie die Niedern aller Schichten des Kaiserrci-.
ches waren durchdrungen von der Notwendigkeit, das System und die daran
hängenden Persönlichkeiten über Bord zu werfen, -- nur das Militär wollte auch
nicht ein Härchen seines Zopfes aufopfern. Wir erinnern an die Libelle, welche
im Sommer 1848 im Namen der Armee aus Lemberg, Prag und andern Orten
veröffentlicht wurden; wir erinnern an den Ungehorsam Windischgrätz' gegen die
kaiserliche Regierung; wir erinnern an die Rebellion Jellacic gegen die Befehle
Sr. Majestät; und endlich an die Proteste, welche Radetzky gegen den Reichstag
einsandte. Die Ausartungen einiger Gassenoratoren und der Wahnwitz burschi¬
koser Excedenten gab die erwünschte Gelegenheit, das Schwert an die Stelle der
Waage zu erheben, die Aula in eine Kaserne zu verwandeln, und statt durch Volks¬
vertreter durch zu ^Iter IZgog avancirte Generale das Reich pacificireu und in¬
terimistisch regieren zu lassen. Die Armee hatte hiermit das Scepter in der
Hand, aber wie ein Kind nicht versteht den Degen zu schwingen, so wissen die
.Soldaten nicht das Scepter zu führen. Begünstigt, wie nur der Soldatenkaiser
Napoleon seine Marschälle protegirte, mit aller Macht ausgestattet und ohne ir¬
gend eine Verantwortlichkeit, -- haben sie in keinem einzigen Kreise ihrer Wirk¬
samkeit ihre Aufgabe, die Verbrecher zu bestrafen, die Irrenden zurechtzusühreu,


Und die Serben lagern sich und feiern
Froh den Tag der heiligen Erlösung,
Trinken dunkeln Wein mit schwarzen Perlen
Aus das Wohl des Stefan Kniczani»,
Kniczanin des falkenglcichcn Feldherr»,
Dessen Ehre dauern wird, so lange
Mond und Morgenstern am Himmel stehn.



Die Contrerevolution ging in Oesterreich von der Armee aus; die Offiziere,
welche ihr Patent dem Stammbaum, der Protection und dem Alter verdankten,
spürten zuerst den gewaltigen Stoß, welchen die Revolution diesem Zufluchtsorte
der Kenntnißlosigkeit und beschästigungsvollen Nichtsthuerei, wobei mau dennoch
Rang, Titel und Kleiderverziernng erwarb, beibrachte. Weder die Aristokraten
noch das Beamtenthum, nicht einmal der Clerus stemmte sich gegen Reformen,
denn der Staat, den Kaiser Franz zurückließ und den sein Diener, figürlich und
wörtlich taub gegen alle Vorstellungen der loyalsten Männer und selbst der ein¬
sichtigen Mitglieder der kaiserlichen Familie, wie einen Eispalast unter der bren¬
nenden Sonne erhalten wollte, — der Staat und die Verwaltung wurden als
unhaltbar erkannt. Die Hohen wie die Niedern aller Schichten des Kaiserrci-.
ches waren durchdrungen von der Notwendigkeit, das System und die daran
hängenden Persönlichkeiten über Bord zu werfen, — nur das Militär wollte auch
nicht ein Härchen seines Zopfes aufopfern. Wir erinnern an die Libelle, welche
im Sommer 1848 im Namen der Armee aus Lemberg, Prag und andern Orten
veröffentlicht wurden; wir erinnern an den Ungehorsam Windischgrätz' gegen die
kaiserliche Regierung; wir erinnern an die Rebellion Jellacic gegen die Befehle
Sr. Majestät; und endlich an die Proteste, welche Radetzky gegen den Reichstag
einsandte. Die Ausartungen einiger Gassenoratoren und der Wahnwitz burschi¬
koser Excedenten gab die erwünschte Gelegenheit, das Schwert an die Stelle der
Waage zu erheben, die Aula in eine Kaserne zu verwandeln, und statt durch Volks¬
vertreter durch zu ^Iter IZgog avancirte Generale das Reich pacificireu und in¬
terimistisch regieren zu lassen. Die Armee hatte hiermit das Scepter in der
Hand, aber wie ein Kind nicht versteht den Degen zu schwingen, so wissen die
.Soldaten nicht das Scepter zu führen. Begünstigt, wie nur der Soldatenkaiser
Napoleon seine Marschälle protegirte, mit aller Macht ausgestattet und ohne ir¬
gend eine Verantwortlichkeit, — haben sie in keinem einzigen Kreise ihrer Wirk¬
samkeit ihre Aufgabe, die Verbrecher zu bestrafen, die Irrenden zurechtzusühreu,


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0356" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/85939"/>
          <lg xml:id="POEMID_17" prev="#POEMID_16" type="poem">
            <l> Und die Serben lagern sich und feiern<lb/>
Froh den Tag der heiligen Erlösung,<lb/>
Trinken dunkeln Wein mit schwarzen Perlen<lb/>
Aus das Wohl des Stefan Kniczani»,<lb/>
Kniczanin des falkenglcichcn Feldherr»,<lb/>
Dessen Ehre dauern wird, so lange<lb/>
Mond und Morgenstern am Himmel stehn.</l>
          </lg><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> </head><lb/>
          <p xml:id="ID_1200" next="#ID_1201"> Die Contrerevolution ging in Oesterreich von der Armee aus; die Offiziere,<lb/>
welche ihr Patent dem Stammbaum, der Protection und dem Alter verdankten,<lb/>
spürten zuerst den gewaltigen Stoß, welchen die Revolution diesem Zufluchtsorte<lb/>
der Kenntnißlosigkeit und beschästigungsvollen Nichtsthuerei, wobei mau dennoch<lb/>
Rang, Titel und Kleiderverziernng erwarb, beibrachte. Weder die Aristokraten<lb/>
noch das Beamtenthum, nicht einmal der Clerus stemmte sich gegen Reformen,<lb/>
denn der Staat, den Kaiser Franz zurückließ und den sein Diener, figürlich und<lb/>
wörtlich taub gegen alle Vorstellungen der loyalsten Männer und selbst der ein¬<lb/>
sichtigen Mitglieder der kaiserlichen Familie, wie einen Eispalast unter der bren¬<lb/>
nenden Sonne erhalten wollte, &#x2014; der Staat und die Verwaltung wurden als<lb/>
unhaltbar erkannt. Die Hohen wie die Niedern aller Schichten des Kaiserrci-.<lb/>
ches waren durchdrungen von der Notwendigkeit, das System und die daran<lb/>
hängenden Persönlichkeiten über Bord zu werfen, &#x2014; nur das Militär wollte auch<lb/>
nicht ein Härchen seines Zopfes aufopfern. Wir erinnern an die Libelle, welche<lb/>
im Sommer 1848 im Namen der Armee aus Lemberg, Prag und andern Orten<lb/>
veröffentlicht wurden; wir erinnern an den Ungehorsam Windischgrätz' gegen die<lb/>
kaiserliche Regierung; wir erinnern an die Rebellion Jellacic gegen die Befehle<lb/>
Sr. Majestät; und endlich an die Proteste, welche Radetzky gegen den Reichstag<lb/>
einsandte. Die Ausartungen einiger Gassenoratoren und der Wahnwitz burschi¬<lb/>
koser Excedenten gab die erwünschte Gelegenheit, das Schwert an die Stelle der<lb/>
Waage zu erheben, die Aula in eine Kaserne zu verwandeln, und statt durch Volks¬<lb/>
vertreter durch zu ^Iter IZgog avancirte Generale das Reich pacificireu und in¬<lb/>
terimistisch regieren zu lassen. Die Armee hatte hiermit das Scepter in der<lb/>
Hand, aber wie ein Kind nicht versteht den Degen zu schwingen, so wissen die<lb/>
.Soldaten nicht das Scepter zu führen. Begünstigt, wie nur der Soldatenkaiser<lb/>
Napoleon seine Marschälle protegirte, mit aller Macht ausgestattet und ohne ir¬<lb/>
gend eine Verantwortlichkeit, &#x2014; haben sie in keinem einzigen Kreise ihrer Wirk¬<lb/>
samkeit ihre Aufgabe, die Verbrecher zu bestrafen, die Irrenden zurechtzusühreu,</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0356] Und die Serben lagern sich und feiern Froh den Tag der heiligen Erlösung, Trinken dunkeln Wein mit schwarzen Perlen Aus das Wohl des Stefan Kniczani», Kniczanin des falkenglcichcn Feldherr», Dessen Ehre dauern wird, so lange Mond und Morgenstern am Himmel stehn. Die Contrerevolution ging in Oesterreich von der Armee aus; die Offiziere, welche ihr Patent dem Stammbaum, der Protection und dem Alter verdankten, spürten zuerst den gewaltigen Stoß, welchen die Revolution diesem Zufluchtsorte der Kenntnißlosigkeit und beschästigungsvollen Nichtsthuerei, wobei mau dennoch Rang, Titel und Kleiderverziernng erwarb, beibrachte. Weder die Aristokraten noch das Beamtenthum, nicht einmal der Clerus stemmte sich gegen Reformen, denn der Staat, den Kaiser Franz zurückließ und den sein Diener, figürlich und wörtlich taub gegen alle Vorstellungen der loyalsten Männer und selbst der ein¬ sichtigen Mitglieder der kaiserlichen Familie, wie einen Eispalast unter der bren¬ nenden Sonne erhalten wollte, — der Staat und die Verwaltung wurden als unhaltbar erkannt. Die Hohen wie die Niedern aller Schichten des Kaiserrci-. ches waren durchdrungen von der Notwendigkeit, das System und die daran hängenden Persönlichkeiten über Bord zu werfen, — nur das Militär wollte auch nicht ein Härchen seines Zopfes aufopfern. Wir erinnern an die Libelle, welche im Sommer 1848 im Namen der Armee aus Lemberg, Prag und andern Orten veröffentlicht wurden; wir erinnern an den Ungehorsam Windischgrätz' gegen die kaiserliche Regierung; wir erinnern an die Rebellion Jellacic gegen die Befehle Sr. Majestät; und endlich an die Proteste, welche Radetzky gegen den Reichstag einsandte. Die Ausartungen einiger Gassenoratoren und der Wahnwitz burschi¬ koser Excedenten gab die erwünschte Gelegenheit, das Schwert an die Stelle der Waage zu erheben, die Aula in eine Kaserne zu verwandeln, und statt durch Volks¬ vertreter durch zu ^Iter IZgog avancirte Generale das Reich pacificireu und in¬ terimistisch regieren zu lassen. Die Armee hatte hiermit das Scepter in der Hand, aber wie ein Kind nicht versteht den Degen zu schwingen, so wissen die .Soldaten nicht das Scepter zu führen. Begünstigt, wie nur der Soldatenkaiser Napoleon seine Marschälle protegirte, mit aller Macht ausgestattet und ohne ir¬ gend eine Verantwortlichkeit, — haben sie in keinem einzigen Kreise ihrer Wirk¬ samkeit ihre Aufgabe, die Verbrecher zu bestrafen, die Irrenden zurechtzusühreu,

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_85583
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_85583/356
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_85583/356>, abgerufen am 07.05.2024.