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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band.

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kann. Es kann durch die Oeffentlichkeit der Verhandlungen den gleißnerischen
Verbündeten entlarven, welches mit der einen Hand das Londoner Protokoll --
eine Art Garantie für die Integrität des dänischen Staats, d. h. für das voll¬
ständige Aufgeben der Hcrzogthüiuer -- unterzeichnet, mit der andern dem lieben
Publicum die Mittheilung machen läßt, nur Preußen sei an dein Untergang der
deutschen Sache in Schleswig-Holstein Schuld, weil es kein deutsches Herz habe.

Für die constitutionelle Partei wird aber neben der Aufrechthaltung der land-
ständischen Verfassung gegen eine etwaige neue Auflage der Karlsbader Beschlüsse
der fortdauernd wiederholte Antrag an die Kammern und resp. an die Regie¬
rung auf Anschluß an die Union das gemeinsame Stichwort bleiben, auch wenn
die wirkliche Anzahl der Unionsmitglieder auf ein Minimum zusammenschrumpft,
auch wenn kein anderer Staat bei Preußen bleibt, als etwa Anhalt-Dessau; ja
wenn zuletzt Preußen mit seinem Anerbieten der Union allein bleiben sollte.




Der Friedenscongrsß zu Frankfurt.

In der Paulskirche, jenem theuern Tempel unserer Hoffnungen, jenem Denk¬
mal unserer Schmach, wo ein Jahr lang die besten Männer unsers Volks in
schmerzlicher Anstrengung sich abmühten, ihrer Nation ein Vaterland zu gründen,
har jetzt ein anderes Schauspiel begonnen, nicht mit den tragischen Ansprüchen
jener an sanguinischen Hoffnungen, burschikosen Uebermuth und biederer Treuher¬
zigkeit überreichen Tage, aber unendlich bnmer, ergötzlicher, phantastischer, die
Crome der kosmopolitischen Romantik. Albion hat 250 seiner geschäftskundigen
und menschenfreundlichen Sohne unter der Anführung des großen Agitators Ri¬
chard Cobden abgesendet, um durch moralische Einwirkung die freie Einfuhr ih¬
rer Fabrikate und Colonialwaaren in Deutschland vorzubereiten, die psalmsiugeu-
den Rundköpfe Nordamerikas schicken ihre Apostel, Elihu Barrit an der Spitze,
das neue Evangelium im Mutterlande zu verkündigen, und einige Pariser Wind¬
beutel, voran Herr Emile de Girardin, der geistreichste und dreisteste Charlatan,
den Frankreich hervorgebracht, gesellen sich dazu, wohl mehr des- Amüsements
wegen, als in Geschäftssachen. Victor Hugo ist nicht gekommen; die verächtliche
Behandlung, die er in der Nationalversammlung von seinen Gegnern erlitten, hat
seiner Gesundheit geschadet, aber er hat dem Kongreß einen faden Brief geschrie¬
ben. Es fehlen anch nicht getaufte Neger, die Lamartine'S schwarze Marseillaise
aus Toussaint-Louvertnre singen, und um den Eindruck vollständig zu machen,
tritt auch ein indianischer Häuptling im Nativnalcvstüm auf, wie wir es aus
Catlin und Cooper kennen, mit der blauen Eidechse auf der Brust, dreifarbig im
Gesicht tättowirt, einen Löwenschlcif hinter sich schleppend, und ""gegerbte Hirsch-


kann. Es kann durch die Oeffentlichkeit der Verhandlungen den gleißnerischen
Verbündeten entlarven, welches mit der einen Hand das Londoner Protokoll —
eine Art Garantie für die Integrität des dänischen Staats, d. h. für das voll¬
ständige Aufgeben der Hcrzogthüiuer — unterzeichnet, mit der andern dem lieben
Publicum die Mittheilung machen läßt, nur Preußen sei an dein Untergang der
deutschen Sache in Schleswig-Holstein Schuld, weil es kein deutsches Herz habe.

Für die constitutionelle Partei wird aber neben der Aufrechthaltung der land-
ständischen Verfassung gegen eine etwaige neue Auflage der Karlsbader Beschlüsse
der fortdauernd wiederholte Antrag an die Kammern und resp. an die Regie¬
rung auf Anschluß an die Union das gemeinsame Stichwort bleiben, auch wenn
die wirkliche Anzahl der Unionsmitglieder auf ein Minimum zusammenschrumpft,
auch wenn kein anderer Staat bei Preußen bleibt, als etwa Anhalt-Dessau; ja
wenn zuletzt Preußen mit seinem Anerbieten der Union allein bleiben sollte.




Der Friedenscongrsß zu Frankfurt.

In der Paulskirche, jenem theuern Tempel unserer Hoffnungen, jenem Denk¬
mal unserer Schmach, wo ein Jahr lang die besten Männer unsers Volks in
schmerzlicher Anstrengung sich abmühten, ihrer Nation ein Vaterland zu gründen,
har jetzt ein anderes Schauspiel begonnen, nicht mit den tragischen Ansprüchen
jener an sanguinischen Hoffnungen, burschikosen Uebermuth und biederer Treuher¬
zigkeit überreichen Tage, aber unendlich bnmer, ergötzlicher, phantastischer, die
Crome der kosmopolitischen Romantik. Albion hat 250 seiner geschäftskundigen
und menschenfreundlichen Sohne unter der Anführung des großen Agitators Ri¬
chard Cobden abgesendet, um durch moralische Einwirkung die freie Einfuhr ih¬
rer Fabrikate und Colonialwaaren in Deutschland vorzubereiten, die psalmsiugeu-
den Rundköpfe Nordamerikas schicken ihre Apostel, Elihu Barrit an der Spitze,
das neue Evangelium im Mutterlande zu verkündigen, und einige Pariser Wind¬
beutel, voran Herr Emile de Girardin, der geistreichste und dreisteste Charlatan,
den Frankreich hervorgebracht, gesellen sich dazu, wohl mehr des- Amüsements
wegen, als in Geschäftssachen. Victor Hugo ist nicht gekommen; die verächtliche
Behandlung, die er in der Nationalversammlung von seinen Gegnern erlitten, hat
seiner Gesundheit geschadet, aber er hat dem Kongreß einen faden Brief geschrie¬
ben. Es fehlen anch nicht getaufte Neger, die Lamartine'S schwarze Marseillaise
aus Toussaint-Louvertnre singen, und um den Eindruck vollständig zu machen,
tritt auch ein indianischer Häuptling im Nativnalcvstüm auf, wie wir es aus
Catlin und Cooper kennen, mit der blauen Eidechse auf der Brust, dreifarbig im
Gesicht tättowirt, einen Löwenschlcif hinter sich schleppend, und «»gegerbte Hirsch-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_85583/373>, abgerufen am 07.05.2024.