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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band.

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Schließlich will ich noch darauf aufmerksam macheu, daß eine Bill im Con-
greß vorliegt, nach welcher auch die im Auslande wohnenden Verwandten im
mexikanischen Kriege gefallener oder während der Campagne gestorbener Soldaten
zu dem rückständigen Solde, der Gratification eines dreimonatlichen Gehaltes und
zu einem Landwarrant von 160 Ackern berechtigt werden. Die Hälfte der Armee
bestand ans Deutschen und es schlummern wenigstens 6000 deutsche Söhne in
mexikanischer Erde. Mauche arme deutsche Eltern, welche ihr Kind auf diese
Art verloren, werdeu dadurch befähigt werden, eine Summe von beinahe 200
Dollars zu erhalten. Sollte die Bill Gesch werdeu, so werde ich dafür sorgen,
daß die Bestimmungen derselben in deutschen Zeitungen veröffentlicht werden, anch
werde ich die Wege angeben, welche einzuschlagen sind, um die Gelder zu er¬
halten. *)




Viel Lärm um Nichts.

Jede neue Erfahrung bestätigt mehr die Ueberzeugung, daß die Aufführung
Shad'espeare'scher Lustspiele auf unserm Theater ein sehr mißliches Unternehmen
ist. Um nicht mißverstanden zu werden, bemerke ich sogleich, daß ich damit
die Theater von einem derartigen Versuch keineswegs abwendig machen will"
In unserer unfruchtbaren Zeit darf das Theater sich kein Körnlein der Poesie
entgehen lassen, wo es dasselbe anch suchen mag, und bei Shakespeare wird
wenigstens immer derbe Charakteristik und frischer lebensmuthiger Humor zu
senden sein.

Andrerseits dürfen wir aber auch nicht aus deu Augen lassen, daß im Lust¬
spiel uoch mehr als in der Tragödie uur diejenige Kunst ans uns einen Eindruck
macht und einen Eindruck zu machen berechtigt ist, die uns unsere EmpsiuduugS-
uud Vorstellungsweise idealisirt wiedergibt. Die Empfindungsweise des Shake-
speare'schen Lustspiels ist aber nicht die unsrige, und gerade durch die Macht der
Poesie, welche es entwickelt, entzieht es sich jedem Versuch, unserer Denkart assi-
milirt zu werden.

Das tritt auch in der Holtei'sehen Bearbeitung unsers Lustspiels sehr schlagend
hervor. Holtei hat ganz richtig empfunden, daß die Härte und Kälte Claudio's
bei dem Tode seiner Geliebten, daß seine Frivolität selbst, nachdem er von ihrer
Unschuld überführt ist, unsere sittlichen Vorstellungen beleidigen muß; daß serner
die Art, wie er sein Unrecht gut zu machen meint, die Heirath ans Commando,
mit der Convenienz uuserer Liebespflichten, die eine Art von Treue bis über den
Tod hinaus erheischt, uicht in Uebereinstimmung zu bringen ist; daß ferner in der



Die Grenzboten werden zur Zelt Näheres darüber bringen.
Grenzvoten. IV. 1850. 90

Schließlich will ich noch darauf aufmerksam macheu, daß eine Bill im Con-
greß vorliegt, nach welcher auch die im Auslande wohnenden Verwandten im
mexikanischen Kriege gefallener oder während der Campagne gestorbener Soldaten
zu dem rückständigen Solde, der Gratification eines dreimonatlichen Gehaltes und
zu einem Landwarrant von 160 Ackern berechtigt werden. Die Hälfte der Armee
bestand ans Deutschen und es schlummern wenigstens 6000 deutsche Söhne in
mexikanischer Erde. Mauche arme deutsche Eltern, welche ihr Kind auf diese
Art verloren, werdeu dadurch befähigt werden, eine Summe von beinahe 200
Dollars zu erhalten. Sollte die Bill Gesch werdeu, so werde ich dafür sorgen,
daß die Bestimmungen derselben in deutschen Zeitungen veröffentlicht werden, anch
werde ich die Wege angeben, welche einzuschlagen sind, um die Gelder zu er¬
halten. *)




Viel Lärm um Nichts.

Jede neue Erfahrung bestätigt mehr die Ueberzeugung, daß die Aufführung
Shad'espeare'scher Lustspiele auf unserm Theater ein sehr mißliches Unternehmen
ist. Um nicht mißverstanden zu werden, bemerke ich sogleich, daß ich damit
die Theater von einem derartigen Versuch keineswegs abwendig machen will»
In unserer unfruchtbaren Zeit darf das Theater sich kein Körnlein der Poesie
entgehen lassen, wo es dasselbe anch suchen mag, und bei Shakespeare wird
wenigstens immer derbe Charakteristik und frischer lebensmuthiger Humor zu
senden sein.

Andrerseits dürfen wir aber auch nicht aus deu Augen lassen, daß im Lust¬
spiel uoch mehr als in der Tragödie uur diejenige Kunst ans uns einen Eindruck
macht und einen Eindruck zu machen berechtigt ist, die uns unsere EmpsiuduugS-
uud Vorstellungsweise idealisirt wiedergibt. Die Empfindungsweise des Shake-
speare'schen Lustspiels ist aber nicht die unsrige, und gerade durch die Macht der
Poesie, welche es entwickelt, entzieht es sich jedem Versuch, unserer Denkart assi-
milirt zu werden.

Das tritt auch in der Holtei'sehen Bearbeitung unsers Lustspiels sehr schlagend
hervor. Holtei hat ganz richtig empfunden, daß die Härte und Kälte Claudio's
bei dem Tode seiner Geliebten, daß seine Frivolität selbst, nachdem er von ihrer
Unschuld überführt ist, unsere sittlichen Vorstellungen beleidigen muß; daß serner
die Art, wie er sein Unrecht gut zu machen meint, die Heirath ans Commando,
mit der Convenienz uuserer Liebespflichten, die eine Art von Treue bis über den
Tod hinaus erheischt, uicht in Uebereinstimmung zu bringen ist; daß ferner in der



Die Grenzboten werden zur Zelt Näheres darüber bringen.
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[0201] Schließlich will ich noch darauf aufmerksam macheu, daß eine Bill im Con- greß vorliegt, nach welcher auch die im Auslande wohnenden Verwandten im mexikanischen Kriege gefallener oder während der Campagne gestorbener Soldaten zu dem rückständigen Solde, der Gratification eines dreimonatlichen Gehaltes und zu einem Landwarrant von 160 Ackern berechtigt werden. Die Hälfte der Armee bestand ans Deutschen und es schlummern wenigstens 6000 deutsche Söhne in mexikanischer Erde. Mauche arme deutsche Eltern, welche ihr Kind auf diese Art verloren, werdeu dadurch befähigt werden, eine Summe von beinahe 200 Dollars zu erhalten. Sollte die Bill Gesch werdeu, so werde ich dafür sorgen, daß die Bestimmungen derselben in deutschen Zeitungen veröffentlicht werden, anch werde ich die Wege angeben, welche einzuschlagen sind, um die Gelder zu er¬ halten. *) Viel Lärm um Nichts. Jede neue Erfahrung bestätigt mehr die Ueberzeugung, daß die Aufführung Shad'espeare'scher Lustspiele auf unserm Theater ein sehr mißliches Unternehmen ist. Um nicht mißverstanden zu werden, bemerke ich sogleich, daß ich damit die Theater von einem derartigen Versuch keineswegs abwendig machen will» In unserer unfruchtbaren Zeit darf das Theater sich kein Körnlein der Poesie entgehen lassen, wo es dasselbe anch suchen mag, und bei Shakespeare wird wenigstens immer derbe Charakteristik und frischer lebensmuthiger Humor zu senden sein. Andrerseits dürfen wir aber auch nicht aus deu Augen lassen, daß im Lust¬ spiel uoch mehr als in der Tragödie uur diejenige Kunst ans uns einen Eindruck macht und einen Eindruck zu machen berechtigt ist, die uns unsere EmpsiuduugS- uud Vorstellungsweise idealisirt wiedergibt. Die Empfindungsweise des Shake- speare'schen Lustspiels ist aber nicht die unsrige, und gerade durch die Macht der Poesie, welche es entwickelt, entzieht es sich jedem Versuch, unserer Denkart assi- milirt zu werden. Das tritt auch in der Holtei'sehen Bearbeitung unsers Lustspiels sehr schlagend hervor. Holtei hat ganz richtig empfunden, daß die Härte und Kälte Claudio's bei dem Tode seiner Geliebten, daß seine Frivolität selbst, nachdem er von ihrer Unschuld überführt ist, unsere sittlichen Vorstellungen beleidigen muß; daß serner die Art, wie er sein Unrecht gut zu machen meint, die Heirath ans Commando, mit der Convenienz uuserer Liebespflichten, die eine Art von Treue bis über den Tod hinaus erheischt, uicht in Uebereinstimmung zu bringen ist; daß ferner in der Die Grenzboten werden zur Zelt Näheres darüber bringen. Grenzvoten. IV. 1850. 90

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92288/201>, abgerufen am 04.05.2024.