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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band.

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Rechnung gar nicht mehr operiren konnte, seine Persönlichkeit und seine egoisti¬
schen Berechnungen in die Verwicklungen und Schleichwege der allgemeinen deut¬
schen Politik zu verfädelu wußte; daß er, weil er ohne offensten Rechtsbruch
und rohe Gewaltthat gegen die Landesgesetze als Minister nicht mehr existiren konnte,
des Fürsten Neigung zu absolutistischen Heldenthaten in die Bahnen lenkte, auf deuen
allein er selbst fahren mußte, und auf denen er allein doch nicht fahren konnte; daß
er die Landstände, wenn sie uicht aller Ehre und^aller Pflicht vergessend erscheinen
wollten, wenigstens zu dem Scheine einer von allen Fürsten gehaßten Steuer-
verweigerung durch die absichtlich unterdrückte, dnrch die Verfassung ausdrücklich ver¬
langte Vorlage eines ordentlichen Budgets geradezu verdächtigte; daß er dann zuletzt,
uach einem gegen ihn gerichteten Spruche des höchsten Laudeögerichtes, den Fürstei;
zur Theilnahnle an einer "Neise", die für Hassenpflug die Flucht vor einem Schuh
war, durch grobe Entstellung der wahren Sachlage bewog -- darin hat er ein
specifisch Hassenpflngisches Werk vollbracht, sür welches ihm jetzt gewiß weder der
Kurfürst noch seine absolutistisch gesinnten Collegen großen Dank wissen werden.
Mit diesem Schritte hat aber auch Hasseupflug sich als Alliirter in ein größeres
Feldlager begeben, dessen Operationen er ganz gewiß uicht mehr strategisch ent¬
wirft. Daß er sich nicht einmal als ein trefflicher oder auch uur als ein routi-
nirter Taktiker in der Ausführung des von einem andern Kopfe entworfenen
Schlachtplanö bewährt hat, wird ganz gewiß die östreichische Diplomatie nicht in
Abrede stellen.

Das ist der Meister in den Schlachtplänen und Kämpfen der Nestanratiouö-
und Neactionspartei in den von uns erlebten kurhessischcu, durch die allgemeine
Lage der öffentlichen Verhältnisse in einer kritischen Zeit und durch den Wider¬
stand des Volkes mit Recht weltberühmt gewordenen Affaire. Von seinen Helfers--
heisern und Genossen wollen wir ein anderes Mal reden.




K r L e g s g c r ü eh t e.

Wir leben vou Gerüchten und werden mit Versprechungen gefüttert. Bei
solchem Zustand ist es für ein Wochenblatt, welches längere Zeit in den Händen
seiner Leser bleibt, kaum möglich, die Tagesereignisse zweckmäßig zu besprechen.
Denn wenige Tage, nachdem ein Urtheil gefällt, eine Ueberzeugung ausgesprochen
ist, haben sich wahrscheinlich die Voraussetzungen derselben als unwahr erwiesen.
Da es gegenwärtig nur möglich ist, einzelne von den vielen Fäden zu erkennen,
die von Thron zu Thron und von Cabinet Hu Cabinet gesponnen werden, und
da die spinnenden Diplomaten selbst weder überall etwas Bestimmtes wollen, noch
ihren Willen zu behaupten wagen, so sind wir armen Deutschen gegenwärtig in


Rechnung gar nicht mehr operiren konnte, seine Persönlichkeit und seine egoisti¬
schen Berechnungen in die Verwicklungen und Schleichwege der allgemeinen deut¬
schen Politik zu verfädelu wußte; daß er, weil er ohne offensten Rechtsbruch
und rohe Gewaltthat gegen die Landesgesetze als Minister nicht mehr existiren konnte,
des Fürsten Neigung zu absolutistischen Heldenthaten in die Bahnen lenkte, auf deuen
allein er selbst fahren mußte, und auf denen er allein doch nicht fahren konnte; daß
er die Landstände, wenn sie uicht aller Ehre und^aller Pflicht vergessend erscheinen
wollten, wenigstens zu dem Scheine einer von allen Fürsten gehaßten Steuer-
verweigerung durch die absichtlich unterdrückte, dnrch die Verfassung ausdrücklich ver¬
langte Vorlage eines ordentlichen Budgets geradezu verdächtigte; daß er dann zuletzt,
uach einem gegen ihn gerichteten Spruche des höchsten Laudeögerichtes, den Fürstei;
zur Theilnahnle an einer „Neise", die für Hassenpflug die Flucht vor einem Schuh
war, durch grobe Entstellung der wahren Sachlage bewog — darin hat er ein
specifisch Hassenpflngisches Werk vollbracht, sür welches ihm jetzt gewiß weder der
Kurfürst noch seine absolutistisch gesinnten Collegen großen Dank wissen werden.
Mit diesem Schritte hat aber auch Hasseupflug sich als Alliirter in ein größeres
Feldlager begeben, dessen Operationen er ganz gewiß uicht mehr strategisch ent¬
wirft. Daß er sich nicht einmal als ein trefflicher oder auch uur als ein routi-
nirter Taktiker in der Ausführung des von einem andern Kopfe entworfenen
Schlachtplanö bewährt hat, wird ganz gewiß die östreichische Diplomatie nicht in
Abrede stellen.

Das ist der Meister in den Schlachtplänen und Kämpfen der Nestanratiouö-
und Neactionspartei in den von uns erlebten kurhessischcu, durch die allgemeine
Lage der öffentlichen Verhältnisse in einer kritischen Zeit und durch den Wider¬
stand des Volkes mit Recht weltberühmt gewordenen Affaire. Von seinen Helfers--
heisern und Genossen wollen wir ein anderes Mal reden.




K r L e g s g c r ü eh t e.

Wir leben vou Gerüchten und werden mit Versprechungen gefüttert. Bei
solchem Zustand ist es für ein Wochenblatt, welches längere Zeit in den Händen
seiner Leser bleibt, kaum möglich, die Tagesereignisse zweckmäßig zu besprechen.
Denn wenige Tage, nachdem ein Urtheil gefällt, eine Ueberzeugung ausgesprochen
ist, haben sich wahrscheinlich die Voraussetzungen derselben als unwahr erwiesen.
Da es gegenwärtig nur möglich ist, einzelne von den vielen Fäden zu erkennen,
die von Thron zu Thron und von Cabinet Hu Cabinet gesponnen werden, und
da die spinnenden Diplomaten selbst weder überall etwas Bestimmtes wollen, noch
ihren Willen zu behaupten wagen, so sind wir armen Deutschen gegenwärtig in


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[0238] Rechnung gar nicht mehr operiren konnte, seine Persönlichkeit und seine egoisti¬ schen Berechnungen in die Verwicklungen und Schleichwege der allgemeinen deut¬ schen Politik zu verfädelu wußte; daß er, weil er ohne offensten Rechtsbruch und rohe Gewaltthat gegen die Landesgesetze als Minister nicht mehr existiren konnte, des Fürsten Neigung zu absolutistischen Heldenthaten in die Bahnen lenkte, auf deuen allein er selbst fahren mußte, und auf denen er allein doch nicht fahren konnte; daß er die Landstände, wenn sie uicht aller Ehre und^aller Pflicht vergessend erscheinen wollten, wenigstens zu dem Scheine einer von allen Fürsten gehaßten Steuer- verweigerung durch die absichtlich unterdrückte, dnrch die Verfassung ausdrücklich ver¬ langte Vorlage eines ordentlichen Budgets geradezu verdächtigte; daß er dann zuletzt, uach einem gegen ihn gerichteten Spruche des höchsten Laudeögerichtes, den Fürstei; zur Theilnahnle an einer „Neise", die für Hassenpflug die Flucht vor einem Schuh war, durch grobe Entstellung der wahren Sachlage bewog — darin hat er ein specifisch Hassenpflngisches Werk vollbracht, sür welches ihm jetzt gewiß weder der Kurfürst noch seine absolutistisch gesinnten Collegen großen Dank wissen werden. Mit diesem Schritte hat aber auch Hasseupflug sich als Alliirter in ein größeres Feldlager begeben, dessen Operationen er ganz gewiß uicht mehr strategisch ent¬ wirft. Daß er sich nicht einmal als ein trefflicher oder auch uur als ein routi- nirter Taktiker in der Ausführung des von einem andern Kopfe entworfenen Schlachtplanö bewährt hat, wird ganz gewiß die östreichische Diplomatie nicht in Abrede stellen. Das ist der Meister in den Schlachtplänen und Kämpfen der Nestanratiouö- und Neactionspartei in den von uns erlebten kurhessischcu, durch die allgemeine Lage der öffentlichen Verhältnisse in einer kritischen Zeit und durch den Wider¬ stand des Volkes mit Recht weltberühmt gewordenen Affaire. Von seinen Helfers-- heisern und Genossen wollen wir ein anderes Mal reden. K r L e g s g c r ü eh t e. Wir leben vou Gerüchten und werden mit Versprechungen gefüttert. Bei solchem Zustand ist es für ein Wochenblatt, welches längere Zeit in den Händen seiner Leser bleibt, kaum möglich, die Tagesereignisse zweckmäßig zu besprechen. Denn wenige Tage, nachdem ein Urtheil gefällt, eine Ueberzeugung ausgesprochen ist, haben sich wahrscheinlich die Voraussetzungen derselben als unwahr erwiesen. Da es gegenwärtig nur möglich ist, einzelne von den vielen Fäden zu erkennen, die von Thron zu Thron und von Cabinet Hu Cabinet gesponnen werden, und da die spinnenden Diplomaten selbst weder überall etwas Bestimmtes wollen, noch ihren Willen zu behaupten wagen, so sind wir armen Deutschen gegenwärtig in

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92288/238>, abgerufen am 04.05.2024.