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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band.

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Bairisches Militarwesen.

In der Feldherrnhalle zu München, die dem Fremden, der aus den gebil¬
deten Theilen Deutschlands seinen Einzug in Jsar-Athen hält, den Prospect der
Ludwigsstraße schließt, steht rechts das metallene Kolossalbild Tilly's, links Wrede.
Ist der fremde in jenen nördlichen Gegenden, denen sie drohend das Gesicht zu¬
kehren, wirklich zu Hanse, so ist der erste klare Eindruck, deu er in München be¬
kommt, der, daß es die Heimath des Zerstörers von Magdeburg und des Gene¬
rals ist, der im bösen Jahre 6 unter allen die zuchtlosesten Hausen zu commandiren
die Ehre hatte, Soldaten dem Namen nach, aber in der That furchtbarer den
Hühnern, Gänsen und Enten, sowie sonstigen! Besitze der Wirthe, als die weiland
berüchtigte Löffelgarde der Revolutionsarmee. Die ältere Generation in Schlesien,
die 1806 gesehen hat, würde, glaube ich, weniger vor dem Besuch von Kroaten
und Sereszauern als vor einer neuen bairischen Invasion bangen. Haut und
Haar mochten bei beideu ungefähr auf gleiche Weise sicher sein, aber die bairische
Stammeseigenthümlichkeit, die wir Andern als einen Nest des urgermanischen Bar-
barenthums ansehen, macht, daß man sich am Ende mit mehr Vertrauen in die Hände
eines Nothmantels überliefert, der selbst im schlimmsten Fall, wenn es über das
Beutelschneider an das Kopfabschneiden geht, noch mit einer gewissen Bonhommie
und der bekannten slavischen Subtilität zu verfahren pflegt. Man wird bei dein Baier
zwar uicht den Verlust des Kopfes, wohl aber, namentlich wenn er sich in idealer
Stimmung befindet, Prügel von allen Graden zu riskiren haben, und es fragt sich,
ob es nicht rathsamer sei, sich mit einem Male durch eine kunstgeübte Hand des
Hauptes entledigen zu lassen, als unter naturalistischen Faustschlägen langsam zu
verenden. --

Wir Kleiudeutschen außerhalb Preußen befinden uns, Dank sei es der Po¬
litik der ursprünglichen Erfinder und Pfleger von Kleindeutschland, gegenwärtig in
der unangenehmen Situation, nicht mehr blos die Erinnerung an den Ruhm
der bairischen Armee mit einem gewissen behaglichen Grauen fürchten zu müssen,
sondern vielmehr vis K öl8 der ebenso unbehaglichen, als sicheren Erwartung,
irgeud ein Stück derselben als Buudesexecutioustruppen bei uus einrücken zu
scheu; daher mag es erlaubt sein, in wenig Zügen das Bild der jetzigen "Helden¬
söhne der Bavaria", wie Se. Durchlaucht der Fürst von Taxis seine blau-
weißen Regimenter gewiß zu ihrer eignen Ueberraschung anzuproclamiren Pflegt,
mit dem jener alten typischen Figuren und ihres Beiwerkes zu vergleichen.

Dabei ergibt sich denn zuerst die unangenehme Entdeckung, daß ihre Zahl
sich bedeutend vermehrt hat. 6000 Mann, soviel commandirte Wrede 1806,
haben hingereicht, um ein unauslöschliches Andenken im ganzen Osten der preußischen


Grenzboten. IV. 1850. 112
Bairisches Militarwesen.

In der Feldherrnhalle zu München, die dem Fremden, der aus den gebil¬
deten Theilen Deutschlands seinen Einzug in Jsar-Athen hält, den Prospect der
Ludwigsstraße schließt, steht rechts das metallene Kolossalbild Tilly's, links Wrede.
Ist der fremde in jenen nördlichen Gegenden, denen sie drohend das Gesicht zu¬
kehren, wirklich zu Hanse, so ist der erste klare Eindruck, deu er in München be¬
kommt, der, daß es die Heimath des Zerstörers von Magdeburg und des Gene¬
rals ist, der im bösen Jahre 6 unter allen die zuchtlosesten Hausen zu commandiren
die Ehre hatte, Soldaten dem Namen nach, aber in der That furchtbarer den
Hühnern, Gänsen und Enten, sowie sonstigen! Besitze der Wirthe, als die weiland
berüchtigte Löffelgarde der Revolutionsarmee. Die ältere Generation in Schlesien,
die 1806 gesehen hat, würde, glaube ich, weniger vor dem Besuch von Kroaten
und Sereszauern als vor einer neuen bairischen Invasion bangen. Haut und
Haar mochten bei beideu ungefähr auf gleiche Weise sicher sein, aber die bairische
Stammeseigenthümlichkeit, die wir Andern als einen Nest des urgermanischen Bar-
barenthums ansehen, macht, daß man sich am Ende mit mehr Vertrauen in die Hände
eines Nothmantels überliefert, der selbst im schlimmsten Fall, wenn es über das
Beutelschneider an das Kopfabschneiden geht, noch mit einer gewissen Bonhommie
und der bekannten slavischen Subtilität zu verfahren pflegt. Man wird bei dein Baier
zwar uicht den Verlust des Kopfes, wohl aber, namentlich wenn er sich in idealer
Stimmung befindet, Prügel von allen Graden zu riskiren haben, und es fragt sich,
ob es nicht rathsamer sei, sich mit einem Male durch eine kunstgeübte Hand des
Hauptes entledigen zu lassen, als unter naturalistischen Faustschlägen langsam zu
verenden. —

Wir Kleiudeutschen außerhalb Preußen befinden uns, Dank sei es der Po¬
litik der ursprünglichen Erfinder und Pfleger von Kleindeutschland, gegenwärtig in
der unangenehmen Situation, nicht mehr blos die Erinnerung an den Ruhm
der bairischen Armee mit einem gewissen behaglichen Grauen fürchten zu müssen,
sondern vielmehr vis K öl8 der ebenso unbehaglichen, als sicheren Erwartung,
irgeud ein Stück derselben als Buudesexecutioustruppen bei uus einrücken zu
scheu; daher mag es erlaubt sein, in wenig Zügen das Bild der jetzigen „Helden¬
söhne der Bavaria", wie Se. Durchlaucht der Fürst von Taxis seine blau-
weißen Regimenter gewiß zu ihrer eignen Ueberraschung anzuproclamiren Pflegt,
mit dem jener alten typischen Figuren und ihres Beiwerkes zu vergleichen.

Dabei ergibt sich denn zuerst die unangenehme Entdeckung, daß ihre Zahl
sich bedeutend vermehrt hat. 6000 Mann, soviel commandirte Wrede 1806,
haben hingereicht, um ein unauslöschliches Andenken im ganzen Osten der preußischen


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[0377] Bairisches Militarwesen. In der Feldherrnhalle zu München, die dem Fremden, der aus den gebil¬ deten Theilen Deutschlands seinen Einzug in Jsar-Athen hält, den Prospect der Ludwigsstraße schließt, steht rechts das metallene Kolossalbild Tilly's, links Wrede. Ist der fremde in jenen nördlichen Gegenden, denen sie drohend das Gesicht zu¬ kehren, wirklich zu Hanse, so ist der erste klare Eindruck, deu er in München be¬ kommt, der, daß es die Heimath des Zerstörers von Magdeburg und des Gene¬ rals ist, der im bösen Jahre 6 unter allen die zuchtlosesten Hausen zu commandiren die Ehre hatte, Soldaten dem Namen nach, aber in der That furchtbarer den Hühnern, Gänsen und Enten, sowie sonstigen! Besitze der Wirthe, als die weiland berüchtigte Löffelgarde der Revolutionsarmee. Die ältere Generation in Schlesien, die 1806 gesehen hat, würde, glaube ich, weniger vor dem Besuch von Kroaten und Sereszauern als vor einer neuen bairischen Invasion bangen. Haut und Haar mochten bei beideu ungefähr auf gleiche Weise sicher sein, aber die bairische Stammeseigenthümlichkeit, die wir Andern als einen Nest des urgermanischen Bar- barenthums ansehen, macht, daß man sich am Ende mit mehr Vertrauen in die Hände eines Nothmantels überliefert, der selbst im schlimmsten Fall, wenn es über das Beutelschneider an das Kopfabschneiden geht, noch mit einer gewissen Bonhommie und der bekannten slavischen Subtilität zu verfahren pflegt. Man wird bei dein Baier zwar uicht den Verlust des Kopfes, wohl aber, namentlich wenn er sich in idealer Stimmung befindet, Prügel von allen Graden zu riskiren haben, und es fragt sich, ob es nicht rathsamer sei, sich mit einem Male durch eine kunstgeübte Hand des Hauptes entledigen zu lassen, als unter naturalistischen Faustschlägen langsam zu verenden. — Wir Kleiudeutschen außerhalb Preußen befinden uns, Dank sei es der Po¬ litik der ursprünglichen Erfinder und Pfleger von Kleindeutschland, gegenwärtig in der unangenehmen Situation, nicht mehr blos die Erinnerung an den Ruhm der bairischen Armee mit einem gewissen behaglichen Grauen fürchten zu müssen, sondern vielmehr vis K öl8 der ebenso unbehaglichen, als sicheren Erwartung, irgeud ein Stück derselben als Buudesexecutioustruppen bei uus einrücken zu scheu; daher mag es erlaubt sein, in wenig Zügen das Bild der jetzigen „Helden¬ söhne der Bavaria", wie Se. Durchlaucht der Fürst von Taxis seine blau- weißen Regimenter gewiß zu ihrer eignen Ueberraschung anzuproclamiren Pflegt, mit dem jener alten typischen Figuren und ihres Beiwerkes zu vergleichen. Dabei ergibt sich denn zuerst die unangenehme Entdeckung, daß ihre Zahl sich bedeutend vermehrt hat. 6000 Mann, soviel commandirte Wrede 1806, haben hingereicht, um ein unauslöschliches Andenken im ganzen Osten der preußischen Grenzboten. IV. 1850. 112

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92288/377>, abgerufen am 04.05.2024.