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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band.

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spalte links gegen die Gegner der östreichischen Märzverfassung zu Felde, rechts
und links mit jedem Schritt einen Fußtritt austheilend, manchmal beide zu glei¬
cher Zeit. Häufig war der Zweck seiner Herzensergießungen ganz unverständlich,
wenn man nicht wußte, daß M. Warreus ein leidenschaftlicher Nachahmer der
"Times" ist. Wenn Mr. Warrens in einem Timesartikel eine recht saftige und
kernige Grobheit oder eine, in seinen Augen unbezahlbar feine Wendung findet,
so entkleidet er erst die Grobheit sorgfältig des Humors, durch den sie in der
Times genießbar wurde, und schreibt zwei, auch drei Lloydartikel, um besagte
Grobheit darin triumphirend anzubringen; und nie war er glücklicher, als wenn
er mit den Worten der Times einem andern Journal sagen konnte, er gehe ihm
mit einem Gefühl, welches von Achtung sehr verschieden ist (witti a leetinA rs-
tlier öilkereut kroui osteem), aus dem Wege.

Da vor einigen Monaten das Cabinet endlich merkte, wie sehr der unge¬
schickte Eifer seines Ritters es bloßstellt, so mußte die Wiener Zeitung erklären,
daß der Lloyd zwar zu den gutgesinnten Blättern gehöre, aber durchaus keinen
offiziellen Charakter habe. Der Lloyd hatte mehrmals dasselbe erklärt und mann¬
haft seine Unabhängigkeit behauptet. Er ist in der That nicht ministeriell, sondern
das Ministerium ist Lloydisch. Zwischen Mr. Warrens und dem Fürsten Schwar¬
zenberg herrscht zufällig eine so wunderbare geistige Wahlverwandtschaft, daß sie
sich stets in ihren Gedanken, Plänen und Gründen begegnen. Mr. Wa>rens könnte,
wenn der große November-Staatsmann je zurückträte, füglich seinen Platz einnehmen.

In neuester Zeit hat der Lloyd einen verdienstlichen Kampf gegen die
schreienden Monopole der Bank begonnen; wie man sagt, wird er darin vom
Minister Brück unterstützt. Auch gegen andre Mißbräuche läßt er dann und wann
ein Wort fallen, welches ihn von den gutgesinnten Blättern untern Ranges vor¬
theilhaft unterscheidet. Er beginnt sich zu civilisiren. Ich zweifle nicht daran,
Mr. Warrens wird allmälig sein Terrain kennen lernen, ein tactvolleres Beneh¬
men, ein geschmeidigeres Deutsch sich aneignen, kurz, er wird am Barte Oestreichs,
wie man zu sagen pflegt, scheeren lernen.

Indem wir diese neuesten Fortschritte des Lloyd bereitwillig anerkennen, neh¬
mer wir Abschied von ihm mit einem Gefühl, welches noch immer "von Bewun¬
derung sehr verschieden ist!" --


2. Der Oestreichische Korrespondenz.

Lloyd, Presse, Wanderer und Ostdeutsche Post mögen es mir verzeihen, daß
der Oestreichische Korrespondent hier mitten unter ihnen erscheint. Obgleich er
sich ein ernsthaftes Ansehen zu geben versucht, Glacehandschuhe trägt und zuweilen
sich mit französischen Phrasen parfumirt, ja obgleich er allgemein für das spezielle
Organ und den Busenfreund des Ministerpräsidenten gilt, gehört er doch in die
Reihe der traurigen Bajazzos, die ich kurz vor Ende des verflossenen Jahrganges


spalte links gegen die Gegner der östreichischen Märzverfassung zu Felde, rechts
und links mit jedem Schritt einen Fußtritt austheilend, manchmal beide zu glei¬
cher Zeit. Häufig war der Zweck seiner Herzensergießungen ganz unverständlich,
wenn man nicht wußte, daß M. Warreus ein leidenschaftlicher Nachahmer der
„Times" ist. Wenn Mr. Warrens in einem Timesartikel eine recht saftige und
kernige Grobheit oder eine, in seinen Augen unbezahlbar feine Wendung findet,
so entkleidet er erst die Grobheit sorgfältig des Humors, durch den sie in der
Times genießbar wurde, und schreibt zwei, auch drei Lloydartikel, um besagte
Grobheit darin triumphirend anzubringen; und nie war er glücklicher, als wenn
er mit den Worten der Times einem andern Journal sagen konnte, er gehe ihm
mit einem Gefühl, welches von Achtung sehr verschieden ist (witti a leetinA rs-
tlier öilkereut kroui osteem), aus dem Wege.

Da vor einigen Monaten das Cabinet endlich merkte, wie sehr der unge¬
schickte Eifer seines Ritters es bloßstellt, so mußte die Wiener Zeitung erklären,
daß der Lloyd zwar zu den gutgesinnten Blättern gehöre, aber durchaus keinen
offiziellen Charakter habe. Der Lloyd hatte mehrmals dasselbe erklärt und mann¬
haft seine Unabhängigkeit behauptet. Er ist in der That nicht ministeriell, sondern
das Ministerium ist Lloydisch. Zwischen Mr. Warrens und dem Fürsten Schwar¬
zenberg herrscht zufällig eine so wunderbare geistige Wahlverwandtschaft, daß sie
sich stets in ihren Gedanken, Plänen und Gründen begegnen. Mr. Wa>rens könnte,
wenn der große November-Staatsmann je zurückträte, füglich seinen Platz einnehmen.

In neuester Zeit hat der Lloyd einen verdienstlichen Kampf gegen die
schreienden Monopole der Bank begonnen; wie man sagt, wird er darin vom
Minister Brück unterstützt. Auch gegen andre Mißbräuche läßt er dann und wann
ein Wort fallen, welches ihn von den gutgesinnten Blättern untern Ranges vor¬
theilhaft unterscheidet. Er beginnt sich zu civilisiren. Ich zweifle nicht daran,
Mr. Warrens wird allmälig sein Terrain kennen lernen, ein tactvolleres Beneh¬
men, ein geschmeidigeres Deutsch sich aneignen, kurz, er wird am Barte Oestreichs,
wie man zu sagen pflegt, scheeren lernen.

Indem wir diese neuesten Fortschritte des Lloyd bereitwillig anerkennen, neh¬
mer wir Abschied von ihm mit einem Gefühl, welches noch immer „von Bewun¬
derung sehr verschieden ist!" —


2. Der Oestreichische Korrespondenz.

Lloyd, Presse, Wanderer und Ostdeutsche Post mögen es mir verzeihen, daß
der Oestreichische Korrespondent hier mitten unter ihnen erscheint. Obgleich er
sich ein ernsthaftes Ansehen zu geben versucht, Glacehandschuhe trägt und zuweilen
sich mit französischen Phrasen parfumirt, ja obgleich er allgemein für das spezielle
Organ und den Busenfreund des Ministerpräsidenten gilt, gehört er doch in die
Reihe der traurigen Bajazzos, die ich kurz vor Ende des verflossenen Jahrganges


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92822/167>, abgerufen am 04.05.2024.