Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite
Neue Dramen.
Der Genius und die Gesellschaft, Trauerspiel.



Der Name des Verfassers ist nicht genannt, das Bühnenmanuscript wurde
mit einem lobenden Vorwort Nötscher's von Berlin aus versendet; man erzählt,
der Dichter sei eine Dame; die Behandlung der Charaktere, die Situationen und
der Dialog erinnern zuweilen so sehr an Gutzkow, daß man, wenn nicht bestimmte
Versicherungen entgegenstanden, versucht wäre zu glauben, der Herr habe sicher
die Hand dabei im Spiele gehabt.

Lord Byron, welcher Gedichte gemacht hat, ein vornehmer Gentleman, reiz¬
bar, leidenschaftlich und von großem Zartgefühl ist, hat ein Weib, mit welcher
er nicht glücklich lebt, eine Modedame, kühl und unempfindlich ge.M den Gatten,
von der liebenswürdigsten Fa?vn gegen den fremden Gecken, der ihr Thorheiten erzählt.
Eine Schauspielerin vom Drurylane-Theater, Clara, macht dem Lord Byron einen
Geschäftsbesuch, er faßt sogleich ein leidenschaftliches Interesse für sie, weil sie
dem Porträt eiuer alten Geliebten sprechend ähnlich sieht. Die junge Dame wird
von ihm begeistert. Er trennt sich von ihr, indem er den dringenden Wunsch
ausspricht, sie möchten einander nie wiedersehen. Als sie fort ist, muß er anhö¬
ren, wie ein Herr Brummel -- Mann mit steifen Vatermördern und unverschäm¬
ter Gefühllosigkeit -- seinem Weib gegenüber renommirt, er wolle die neue Schau¬
spielerin, nach der Rolle der Ophelia auch wider ihren Willen nach Hause
begleiten, sie zwingen, ihm den Strohkranz aus ihrem Haar zu schenken. Byron
geräth über diese Frechheit im Stillen in Wuth, sein Gemahl bittet ihn dringend,
sie doch zu dieser Vorstellung in's Theater zu begleiten, zögernd willigt er ein.

Im Anfange des zweiten Akts führt Byron die schöne Clara, welche er vor
der Unverschämtheit Brummels bewahrt hat, in ihr Quartier, zarte, leidenschaft¬
liche Annäherungen von zwei tugendhaften Menschen. Brummel überrascht in dieser
Situation, klagt höhnisch, daß Byron ihm den Rang abgelaufen habe, und wird
von Clara mit Hoheit zurecht gewiesen, entfernt sich gedemüthiget. Die Lieben¬
den schwärmen fort, Byron entfernt sich mit Ophelias Strohkranz. Sein Weib
hat ihn unterdeß bis in die Nacht herein eifersüchtig erwartet, bei seiner Rückkehr
gibt es eine kleine Scene, welche den Verdacht der Frau bestätigt. Das Ver¬
hältniß Claras zu Byron ist durch Brummel entstellt in's Publikum gebracht wor¬
den, seine Frau gilt der Gesellschaft als Opfer einer abscheulichen Leidenschaft.
Brummel beschließt die Künstlerin vom Theater wegzupfeifen, Lady Byron weiß
darum, sie hat hinter dem Rücken ihres Mannes seine Papiere durchsucht und je¬
nes alte Portrait gesunden, welches ihr als das Bild von Miß Clara erscheint


Neue Dramen.
Der Genius und die Gesellschaft, Trauerspiel.



Der Name des Verfassers ist nicht genannt, das Bühnenmanuscript wurde
mit einem lobenden Vorwort Nötscher's von Berlin aus versendet; man erzählt,
der Dichter sei eine Dame; die Behandlung der Charaktere, die Situationen und
der Dialog erinnern zuweilen so sehr an Gutzkow, daß man, wenn nicht bestimmte
Versicherungen entgegenstanden, versucht wäre zu glauben, der Herr habe sicher
die Hand dabei im Spiele gehabt.

Lord Byron, welcher Gedichte gemacht hat, ein vornehmer Gentleman, reiz¬
bar, leidenschaftlich und von großem Zartgefühl ist, hat ein Weib, mit welcher
er nicht glücklich lebt, eine Modedame, kühl und unempfindlich ge.M den Gatten,
von der liebenswürdigsten Fa?vn gegen den fremden Gecken, der ihr Thorheiten erzählt.
Eine Schauspielerin vom Drurylane-Theater, Clara, macht dem Lord Byron einen
Geschäftsbesuch, er faßt sogleich ein leidenschaftliches Interesse für sie, weil sie
dem Porträt eiuer alten Geliebten sprechend ähnlich sieht. Die junge Dame wird
von ihm begeistert. Er trennt sich von ihr, indem er den dringenden Wunsch
ausspricht, sie möchten einander nie wiedersehen. Als sie fort ist, muß er anhö¬
ren, wie ein Herr Brummel — Mann mit steifen Vatermördern und unverschäm¬
ter Gefühllosigkeit — seinem Weib gegenüber renommirt, er wolle die neue Schau¬
spielerin, nach der Rolle der Ophelia auch wider ihren Willen nach Hause
begleiten, sie zwingen, ihm den Strohkranz aus ihrem Haar zu schenken. Byron
geräth über diese Frechheit im Stillen in Wuth, sein Gemahl bittet ihn dringend,
sie doch zu dieser Vorstellung in's Theater zu begleiten, zögernd willigt er ein.

Im Anfange des zweiten Akts führt Byron die schöne Clara, welche er vor
der Unverschämtheit Brummels bewahrt hat, in ihr Quartier, zarte, leidenschaft¬
liche Annäherungen von zwei tugendhaften Menschen. Brummel überrascht in dieser
Situation, klagt höhnisch, daß Byron ihm den Rang abgelaufen habe, und wird
von Clara mit Hoheit zurecht gewiesen, entfernt sich gedemüthiget. Die Lieben¬
den schwärmen fort, Byron entfernt sich mit Ophelias Strohkranz. Sein Weib
hat ihn unterdeß bis in die Nacht herein eifersüchtig erwartet, bei seiner Rückkehr
gibt es eine kleine Scene, welche den Verdacht der Frau bestätigt. Das Ver¬
hältniß Claras zu Byron ist durch Brummel entstellt in's Publikum gebracht wor¬
den, seine Frau gilt der Gesellschaft als Opfer einer abscheulichen Leidenschaft.
Brummel beschließt die Künstlerin vom Theater wegzupfeifen, Lady Byron weiß
darum, sie hat hinter dem Rücken ihres Mannes seine Papiere durchsucht und je¬
nes alte Portrait gesunden, welches ihr als das Bild von Miß Clara erscheint


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0301" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/93124"/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Neue Dramen.</head><lb/>
          <div n="2">
            <head> Der Genius und die Gesellschaft, Trauerspiel.</head><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
            <p xml:id="ID_1035"> Der Name des Verfassers ist nicht genannt, das Bühnenmanuscript wurde<lb/>
mit einem lobenden Vorwort Nötscher's von Berlin aus versendet; man erzählt,<lb/>
der Dichter sei eine Dame; die Behandlung der Charaktere, die Situationen und<lb/>
der Dialog erinnern zuweilen so sehr an Gutzkow, daß man, wenn nicht bestimmte<lb/>
Versicherungen entgegenstanden, versucht wäre zu glauben, der Herr habe sicher<lb/>
die Hand dabei im Spiele gehabt.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1036"> Lord Byron, welcher Gedichte gemacht hat, ein vornehmer Gentleman, reiz¬<lb/>
bar, leidenschaftlich und von großem Zartgefühl ist, hat ein Weib, mit welcher<lb/>
er nicht glücklich lebt, eine Modedame, kühl und unempfindlich ge.M den Gatten,<lb/>
von der liebenswürdigsten Fa?vn gegen den fremden Gecken, der ihr Thorheiten erzählt.<lb/>
Eine Schauspielerin vom Drurylane-Theater, Clara, macht dem Lord Byron einen<lb/>
Geschäftsbesuch, er faßt sogleich ein leidenschaftliches Interesse für sie, weil sie<lb/>
dem Porträt eiuer alten Geliebten sprechend ähnlich sieht. Die junge Dame wird<lb/>
von ihm begeistert. Er trennt sich von ihr, indem er den dringenden Wunsch<lb/>
ausspricht, sie möchten einander nie wiedersehen. Als sie fort ist, muß er anhö¬<lb/>
ren, wie ein Herr Brummel &#x2014; Mann mit steifen Vatermördern und unverschäm¬<lb/>
ter Gefühllosigkeit &#x2014; seinem Weib gegenüber renommirt, er wolle die neue Schau¬<lb/>
spielerin, nach der Rolle der Ophelia auch wider ihren Willen nach Hause<lb/>
begleiten, sie zwingen, ihm den Strohkranz aus ihrem Haar zu schenken. Byron<lb/>
geräth über diese Frechheit im Stillen in Wuth, sein Gemahl bittet ihn dringend,<lb/>
sie doch zu dieser Vorstellung in's Theater zu begleiten, zögernd willigt er ein.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1037" next="#ID_1038"> Im Anfange des zweiten Akts führt Byron die schöne Clara, welche er vor<lb/>
der Unverschämtheit Brummels bewahrt hat, in ihr Quartier, zarte, leidenschaft¬<lb/>
liche Annäherungen von zwei tugendhaften Menschen. Brummel überrascht in dieser<lb/>
Situation, klagt höhnisch, daß Byron ihm den Rang abgelaufen habe, und wird<lb/>
von Clara mit Hoheit zurecht gewiesen, entfernt sich gedemüthiget. Die Lieben¬<lb/>
den schwärmen fort, Byron entfernt sich mit Ophelias Strohkranz. Sein Weib<lb/>
hat ihn unterdeß bis in die Nacht herein eifersüchtig erwartet, bei seiner Rückkehr<lb/>
gibt es eine kleine Scene, welche den Verdacht der Frau bestätigt. Das Ver¬<lb/>
hältniß Claras zu Byron ist durch Brummel entstellt in's Publikum gebracht wor¬<lb/>
den, seine Frau gilt der Gesellschaft als Opfer einer abscheulichen Leidenschaft.<lb/>
Brummel beschließt die Künstlerin vom Theater wegzupfeifen, Lady Byron weiß<lb/>
darum, sie hat hinter dem Rücken ihres Mannes seine Papiere durchsucht und je¬<lb/>
nes alte Portrait gesunden, welches ihr als das Bild von Miß Clara erscheint</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0301] Neue Dramen. Der Genius und die Gesellschaft, Trauerspiel. Der Name des Verfassers ist nicht genannt, das Bühnenmanuscript wurde mit einem lobenden Vorwort Nötscher's von Berlin aus versendet; man erzählt, der Dichter sei eine Dame; die Behandlung der Charaktere, die Situationen und der Dialog erinnern zuweilen so sehr an Gutzkow, daß man, wenn nicht bestimmte Versicherungen entgegenstanden, versucht wäre zu glauben, der Herr habe sicher die Hand dabei im Spiele gehabt. Lord Byron, welcher Gedichte gemacht hat, ein vornehmer Gentleman, reiz¬ bar, leidenschaftlich und von großem Zartgefühl ist, hat ein Weib, mit welcher er nicht glücklich lebt, eine Modedame, kühl und unempfindlich ge.M den Gatten, von der liebenswürdigsten Fa?vn gegen den fremden Gecken, der ihr Thorheiten erzählt. Eine Schauspielerin vom Drurylane-Theater, Clara, macht dem Lord Byron einen Geschäftsbesuch, er faßt sogleich ein leidenschaftliches Interesse für sie, weil sie dem Porträt eiuer alten Geliebten sprechend ähnlich sieht. Die junge Dame wird von ihm begeistert. Er trennt sich von ihr, indem er den dringenden Wunsch ausspricht, sie möchten einander nie wiedersehen. Als sie fort ist, muß er anhö¬ ren, wie ein Herr Brummel — Mann mit steifen Vatermördern und unverschäm¬ ter Gefühllosigkeit — seinem Weib gegenüber renommirt, er wolle die neue Schau¬ spielerin, nach der Rolle der Ophelia auch wider ihren Willen nach Hause begleiten, sie zwingen, ihm den Strohkranz aus ihrem Haar zu schenken. Byron geräth über diese Frechheit im Stillen in Wuth, sein Gemahl bittet ihn dringend, sie doch zu dieser Vorstellung in's Theater zu begleiten, zögernd willigt er ein. Im Anfange des zweiten Akts führt Byron die schöne Clara, welche er vor der Unverschämtheit Brummels bewahrt hat, in ihr Quartier, zarte, leidenschaft¬ liche Annäherungen von zwei tugendhaften Menschen. Brummel überrascht in dieser Situation, klagt höhnisch, daß Byron ihm den Rang abgelaufen habe, und wird von Clara mit Hoheit zurecht gewiesen, entfernt sich gedemüthiget. Die Lieben¬ den schwärmen fort, Byron entfernt sich mit Ophelias Strohkranz. Sein Weib hat ihn unterdeß bis in die Nacht herein eifersüchtig erwartet, bei seiner Rückkehr gibt es eine kleine Scene, welche den Verdacht der Frau bestätigt. Das Ver¬ hältniß Claras zu Byron ist durch Brummel entstellt in's Publikum gebracht wor¬ den, seine Frau gilt der Gesellschaft als Opfer einer abscheulichen Leidenschaft. Brummel beschließt die Künstlerin vom Theater wegzupfeifen, Lady Byron weiß darum, sie hat hinter dem Rücken ihres Mannes seine Papiere durchsucht und je¬ nes alte Portrait gesunden, welches ihr als das Bild von Miß Clara erscheint

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92822
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92822/301
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92822/301>, abgerufen am 04.05.2024.