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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band.

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Deutsche Staatsmänner,
n.
Otto Freiherr von Manteuffel.



Als Camphausen zu Anfang der verflossenen Session den Antrag stellte, das
in der Verfassung vom 5. December gewahrte Recht der Krone, die mit der Reichs-
verfassung nicht übereinstimmenden Punkte der preußischen Constitution abzuändern,
vorbehaltlich der nachträglichen Einwilligung der Stände, auf den Verfassungs-
entwurf vom 26. Mai zu übertragen, trat Gerlach diesem Antrag, der scheinbar
eine Unterstützung der ministeriellen Politik enthielt, eigentlich aber darauf berech¬
net war, das Ministerium in einer Bahn festzuhalten, die nicht in allen Punkten
mit seinen sonstigen Grundsätzen übereinstimmte, mit der sehr bezeichnenden Be¬
merkung entgegen, ,er finde das Hauptverdienst des Ministeriums nicht in seiner
Consequenz, sondern in seiner Inconsequenz, in der Fähigkeit, den passenden
Augenblick zu ergreifen, in dem es seine Concessionen an den Geist der Neuerung
zurücknehmen dürfe, und er hoffe ans eine ähnliche heilsame Inconsequenz in der
deutschen Frage.

Diese Bemerkung enthält Alles, was sich zu Gunsten und zum Nachtheil des
Ministeriums Manteuffel sagen läßt. Ich nenne es so, weil Manteuffel der ein¬
zige unter den gegenwärtigen Ministern ist, der sich von Zeit zu Zeit bemüsfigt
findet, allgemeine politische Grundsätze nusznsprechen. Er gilt mir hier uicht als
Persönlichkeit, wie Radowitz, sondern als Typus. Ich übergehe daher die ein¬
zelnen Züge, die mau aus seinem Privatleben erzählt, z. B. daß er ein guter Vater ist,
was er bei einem Concert zeigte, als er sein Söhnchen durch das Gedränge eigenhän¬
dig nach Hause trug; ein Zug väterlichen Wohlwollens, der einen guten Bürger
in der Vosstschen dergestalt rührte, daß er ausrief: wo so ein guter Vater am
Ruder des Staates sitzt, da kann Preußen nicht untergehn.

Manteuffel's Departement ist dasjenige, welches man als das eigentlich
politische der jetzigen Regierung bezeichnen kann. Wie man sagt, hat er anch auf
die auswärtige, namentlich auf die deutsche Politik des Cabinets einen großen
Einfluß; doch ist hier seine persönliche Ueberzeugung stets höheren Ansichten unter-
geordnet. Was die andern Zweige der Regierung betrifft -- Finanzen, Handel,
Justiz, Lehre und Cultus -- so hat das Cabinet noch nicht Muße gefunden,
einen selbstständigen Weg einzuschlagen, und das Militärwesen, die eigentliche
Stütze des Staats, ruht ans zu festen Grundlagen, als daß es einem politischen
Einfluß erheblich unterliegen könnte. Im Ministerium des Innern oder der Po-


Deutsche Staatsmänner,
n.
Otto Freiherr von Manteuffel.



Als Camphausen zu Anfang der verflossenen Session den Antrag stellte, das
in der Verfassung vom 5. December gewahrte Recht der Krone, die mit der Reichs-
verfassung nicht übereinstimmenden Punkte der preußischen Constitution abzuändern,
vorbehaltlich der nachträglichen Einwilligung der Stände, auf den Verfassungs-
entwurf vom 26. Mai zu übertragen, trat Gerlach diesem Antrag, der scheinbar
eine Unterstützung der ministeriellen Politik enthielt, eigentlich aber darauf berech¬
net war, das Ministerium in einer Bahn festzuhalten, die nicht in allen Punkten
mit seinen sonstigen Grundsätzen übereinstimmte, mit der sehr bezeichnenden Be¬
merkung entgegen, ,er finde das Hauptverdienst des Ministeriums nicht in seiner
Consequenz, sondern in seiner Inconsequenz, in der Fähigkeit, den passenden
Augenblick zu ergreifen, in dem es seine Concessionen an den Geist der Neuerung
zurücknehmen dürfe, und er hoffe ans eine ähnliche heilsame Inconsequenz in der
deutschen Frage.

Diese Bemerkung enthält Alles, was sich zu Gunsten und zum Nachtheil des
Ministeriums Manteuffel sagen läßt. Ich nenne es so, weil Manteuffel der ein¬
zige unter den gegenwärtigen Ministern ist, der sich von Zeit zu Zeit bemüsfigt
findet, allgemeine politische Grundsätze nusznsprechen. Er gilt mir hier uicht als
Persönlichkeit, wie Radowitz, sondern als Typus. Ich übergehe daher die ein¬
zelnen Züge, die mau aus seinem Privatleben erzählt, z. B. daß er ein guter Vater ist,
was er bei einem Concert zeigte, als er sein Söhnchen durch das Gedränge eigenhän¬
dig nach Hause trug; ein Zug väterlichen Wohlwollens, der einen guten Bürger
in der Vosstschen dergestalt rührte, daß er ausrief: wo so ein guter Vater am
Ruder des Staates sitzt, da kann Preußen nicht untergehn.

Manteuffel's Departement ist dasjenige, welches man als das eigentlich
politische der jetzigen Regierung bezeichnen kann. Wie man sagt, hat er anch auf
die auswärtige, namentlich auf die deutsche Politik des Cabinets einen großen
Einfluß; doch ist hier seine persönliche Ueberzeugung stets höheren Ansichten unter-
geordnet. Was die andern Zweige der Regierung betrifft — Finanzen, Handel,
Justiz, Lehre und Cultus — so hat das Cabinet noch nicht Muße gefunden,
einen selbstständigen Weg einzuschlagen, und das Militärwesen, die eigentliche
Stütze des Staats, ruht ans zu festen Grundlagen, als daß es einem politischen
Einfluß erheblich unterliegen könnte. Im Ministerium des Innern oder der Po-


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[0461] Deutsche Staatsmänner, n. Otto Freiherr von Manteuffel. Als Camphausen zu Anfang der verflossenen Session den Antrag stellte, das in der Verfassung vom 5. December gewahrte Recht der Krone, die mit der Reichs- verfassung nicht übereinstimmenden Punkte der preußischen Constitution abzuändern, vorbehaltlich der nachträglichen Einwilligung der Stände, auf den Verfassungs- entwurf vom 26. Mai zu übertragen, trat Gerlach diesem Antrag, der scheinbar eine Unterstützung der ministeriellen Politik enthielt, eigentlich aber darauf berech¬ net war, das Ministerium in einer Bahn festzuhalten, die nicht in allen Punkten mit seinen sonstigen Grundsätzen übereinstimmte, mit der sehr bezeichnenden Be¬ merkung entgegen, ,er finde das Hauptverdienst des Ministeriums nicht in seiner Consequenz, sondern in seiner Inconsequenz, in der Fähigkeit, den passenden Augenblick zu ergreifen, in dem es seine Concessionen an den Geist der Neuerung zurücknehmen dürfe, und er hoffe ans eine ähnliche heilsame Inconsequenz in der deutschen Frage. Diese Bemerkung enthält Alles, was sich zu Gunsten und zum Nachtheil des Ministeriums Manteuffel sagen läßt. Ich nenne es so, weil Manteuffel der ein¬ zige unter den gegenwärtigen Ministern ist, der sich von Zeit zu Zeit bemüsfigt findet, allgemeine politische Grundsätze nusznsprechen. Er gilt mir hier uicht als Persönlichkeit, wie Radowitz, sondern als Typus. Ich übergehe daher die ein¬ zelnen Züge, die mau aus seinem Privatleben erzählt, z. B. daß er ein guter Vater ist, was er bei einem Concert zeigte, als er sein Söhnchen durch das Gedränge eigenhän¬ dig nach Hause trug; ein Zug väterlichen Wohlwollens, der einen guten Bürger in der Vosstschen dergestalt rührte, daß er ausrief: wo so ein guter Vater am Ruder des Staates sitzt, da kann Preußen nicht untergehn. Manteuffel's Departement ist dasjenige, welches man als das eigentlich politische der jetzigen Regierung bezeichnen kann. Wie man sagt, hat er anch auf die auswärtige, namentlich auf die deutsche Politik des Cabinets einen großen Einfluß; doch ist hier seine persönliche Ueberzeugung stets höheren Ansichten unter- geordnet. Was die andern Zweige der Regierung betrifft — Finanzen, Handel, Justiz, Lehre und Cultus — so hat das Cabinet noch nicht Muße gefunden, einen selbstständigen Weg einzuschlagen, und das Militärwesen, die eigentliche Stütze des Staats, ruht ans zu festen Grundlagen, als daß es einem politischen Einfluß erheblich unterliegen könnte. Im Ministerium des Innern oder der Po-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92822/461>, abgerufen am 04.05.2024.