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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band.

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erleben! den lieben Gästen zu Ehren wurde sogar Ludwig XIV. von seinem Pie-
destale gehoben, der l'sol o'est moi muß sich einiger Fabrikanten und bürger¬
lichen Packö willen von seinem solet erheben und in einen Winkel verkrieche".
Die Legitimisten haben Recht, an uns ist Hopfen und Malz verloren.




Wochenschau.
Die königliche Majestät in ihrem Verhältniß zum Volk --

Wir theilen die nachfolgende Korrespondenz mit, wenn der Gegenstand an sich auch
nicht von großem Interesse sei" mag, weil sich eine allgemeine Bemerkung daran knü¬
pfen läßt.

A us der Reise nach Ostpreußen hat Se. Majestät der König
auch Pommern berührt, und da die verschiedensten Gerüchte über Vorfälle sich verbreitet
haben, die an diese Durchreise sich knüpfen, so halten wir es für angemessen, den
wahren Sachverhalt näher anzugeben. Auf dem Bahnhöfe zu Tautow, der letzten
Station zwischen Berlin und Stettin, traf Se. Majestät am 2ö. Juli Vormittags ein,
und es waren von Seiten der landräthlichcn Behörde des Kreises Aufforderungen zum
Empfange Deshalben nach verschiedenen Seiten erlassen worden. Die in der Nachbar¬
schaft wohnenden Ständemitgliedcr hatten sich nur sehr spärlich eingefunden, desto zahl¬
reicher die Geistlichen, vou denen zwei vom Könige angeredet wurden. Den Ständc-
mitglicdcrn war aufgegeben worden, in der Ständcuniform zu erscheinen, und da manche
unabhängige Männer sich gar nicht im Besitze einer solchen befinden, so wurden sie
schon durch einen äußerlichen Grund am Erscheinen verhindert. Vor der in der Nähe
liegenden Stadt Garz hatte sich die Schützengilde mit einem Musikcorps eingefunden, das alle
mögliche patriotische Melodien: Heil Dir im Siegerkranz, Ich bin ein Preuße ze. aufspielte,
ohne daß jedoch Se. Majestät Veranlassung fanden, von dieser Gilde Notiz zu nehmen.
Nach kurzem Verweilen setzte der König seine Reise nach Stettin fort. Besondere
Empfangsfeierlichkeiten waren weder erwartet, noch vorbereitet worden, und wenn der
König zum ersten Male nach Erneuerung der Allianz mit Rußland und Oestreich in
Warschau die alten Provinzen durchreiste, so lag wol in diesem Factum kein besonderer
Grund, den öfter erscheinenden Monarchen auf eine ganz besondere Weise zu empfangen.
Der König durchfuhr in einem einfachen Wagen die Straßen; ausfallen mußte es,
daß mehrere angesehene Kaufleute darüber vernommen wurden, warum sie Se. Majestät
nicht gegrüßt hätten. Auch wurden Nachforschungen angestellt, wieweit eine Absicht diesem
Nichtgrüßen zu Grunde gelegen hätte. Bei Tische siel die Aeußerung, es sei eine
Flegelei, daß mau den Gruß nicht einmal erwiedert hätte. Vom Schlosse hat Se.
Majestät mit dem Prinzen Adelbert das Panorama der Umgegend genossen, und bei
dieser Gelegenheit aus einem Grundstücke von Grabow die Deutsche Fahne erblickt,
die noch bis vor Kurzem das Stettiner Rathhaus geziert hatte. Kaum war sie Sr.
Majestät ausgefallen, als auch schon die Polizei sich beeilte, für die Einziehung Sorge
zu tragen. So unbedeutend der Gegenstand nach den großen Antecedentien er¬
scheinen mag, so verfehlte er doch nicht, auch in denjenigen Kreisen Aufmerksamkeit zu
erregen, die sonst keine besondere Vorliebe sür die Tricolore zu äußern pflege".


erleben! den lieben Gästen zu Ehren wurde sogar Ludwig XIV. von seinem Pie-
destale gehoben, der l'sol o'est moi muß sich einiger Fabrikanten und bürger¬
lichen Packö willen von seinem solet erheben und in einen Winkel verkrieche».
Die Legitimisten haben Recht, an uns ist Hopfen und Malz verloren.




Wochenschau.
Die königliche Majestät in ihrem Verhältniß zum Volk —

Wir theilen die nachfolgende Korrespondenz mit, wenn der Gegenstand an sich auch
nicht von großem Interesse sei» mag, weil sich eine allgemeine Bemerkung daran knü¬
pfen läßt.

A us der Reise nach Ostpreußen hat Se. Majestät der König
auch Pommern berührt, und da die verschiedensten Gerüchte über Vorfälle sich verbreitet
haben, die an diese Durchreise sich knüpfen, so halten wir es für angemessen, den
wahren Sachverhalt näher anzugeben. Auf dem Bahnhöfe zu Tautow, der letzten
Station zwischen Berlin und Stettin, traf Se. Majestät am 2ö. Juli Vormittags ein,
und es waren von Seiten der landräthlichcn Behörde des Kreises Aufforderungen zum
Empfange Deshalben nach verschiedenen Seiten erlassen worden. Die in der Nachbar¬
schaft wohnenden Ständemitgliedcr hatten sich nur sehr spärlich eingefunden, desto zahl¬
reicher die Geistlichen, vou denen zwei vom Könige angeredet wurden. Den Ständc-
mitglicdcrn war aufgegeben worden, in der Ständcuniform zu erscheinen, und da manche
unabhängige Männer sich gar nicht im Besitze einer solchen befinden, so wurden sie
schon durch einen äußerlichen Grund am Erscheinen verhindert. Vor der in der Nähe
liegenden Stadt Garz hatte sich die Schützengilde mit einem Musikcorps eingefunden, das alle
mögliche patriotische Melodien: Heil Dir im Siegerkranz, Ich bin ein Preuße ze. aufspielte,
ohne daß jedoch Se. Majestät Veranlassung fanden, von dieser Gilde Notiz zu nehmen.
Nach kurzem Verweilen setzte der König seine Reise nach Stettin fort. Besondere
Empfangsfeierlichkeiten waren weder erwartet, noch vorbereitet worden, und wenn der
König zum ersten Male nach Erneuerung der Allianz mit Rußland und Oestreich in
Warschau die alten Provinzen durchreiste, so lag wol in diesem Factum kein besonderer
Grund, den öfter erscheinenden Monarchen auf eine ganz besondere Weise zu empfangen.
Der König durchfuhr in einem einfachen Wagen die Straßen; ausfallen mußte es,
daß mehrere angesehene Kaufleute darüber vernommen wurden, warum sie Se. Majestät
nicht gegrüßt hätten. Auch wurden Nachforschungen angestellt, wieweit eine Absicht diesem
Nichtgrüßen zu Grunde gelegen hätte. Bei Tische siel die Aeußerung, es sei eine
Flegelei, daß mau den Gruß nicht einmal erwiedert hätte. Vom Schlosse hat Se.
Majestät mit dem Prinzen Adelbert das Panorama der Umgegend genossen, und bei
dieser Gelegenheit aus einem Grundstücke von Grabow die Deutsche Fahne erblickt,
die noch bis vor Kurzem das Stettiner Rathhaus geziert hatte. Kaum war sie Sr.
Majestät ausgefallen, als auch schon die Polizei sich beeilte, für die Einziehung Sorge
zu tragen. So unbedeutend der Gegenstand nach den großen Antecedentien er¬
scheinen mag, so verfehlte er doch nicht, auch in denjenigen Kreisen Aufmerksamkeit zu
erregen, die sonst keine besondere Vorliebe sür die Tricolore zu äußern pflege».


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086/232>, abgerufen am 04.05.2024.