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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band.

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scandinavische Literatur.
II. Adam Oehleuschlager.

Durch die nachgelassenen Memoiren Oehlcnschläger's*) sind wir in den Stand
gesetzt, uns ein ziemlich genaues Bild von dem Wesen, der Persönlichkeit und
der literarischen Richtung dieses Dichters zu mache", der unter allen Dänischen
Dichtern vielleicht am Geeignetsten sein mochte, als Vermittler zwischen den beiden
Nationen zu dienen. Im Allgemeinen muß ich gestehen, daß man durch die¬
selben von dem Menschen ein noch viel günstigeres Bild erhält, als von dem
Dichter, dessen Werth wir immer nur unter Bedingungen gelten lassen können.
Zwar sind sie von ungleichem Werth. Die Jugendeindrücke siud mit großer Frische
und Lebendigkeit wiedergegeben, wenn auch das Detail Oehlenschläger's Lands-
leute mehr interessiren muß, als uns, denen viele Beziehungen fremd sind. Seine
eigentliche Bildungsperivde, d. h. sein Aufenthalt in Deutschland, Frankreich und
Italien ist für uns von doppeltem Werth, da er uns zugleich die Beobachtungen
eines unbefangenen Zuschauers über diejenigen Persönlichkeiten mittheilt, welche
damals in der Deutschen Literatur den Ton angaben. Dagegen nimmt das In¬
teresse ab, je weiter der Dichter in diejenige Zeit kommt, in der man eigentlich
nichts Neues mehr erlebt, sondern die alten Eindrücke nur concentrirt. In den
letzten Theilen vernehmen wir fast Nichts, als Nachrichten von dem Beifall und
von der Anfeindung, die seine Werke theils in seinem eigenen Vaterland, theils
w Deutschland erfuhren. Das ist immer ein sehr unfruchtbarer und einförmiger
Gegenstand, ans dem wir nicht viel lernen können. Allein von einer Seite kön¬
nen wir doch dem ganzen Werk das gleiche Lob ertheilen. Es ist nämlich durch¬
aus naiv gehalten. Der Dichter giebt unmittelbar aus seinen Erinnerungen,
was er empfunden, gedacht, erlebt; er nimmt nicht künstliche Attitüden an, er
legt nicht die später gewonnene Erfahrung in seine frühere Geschichte hinein, er



*) Meine Lebens'erinncrunacn. Ein Nachlaß von Adam Oehlcnschlägcr. Deutsche Original-
""öaabe, 4 Bände, Leipzig, Lvrck.
Grenzboten. III. 48ii-I. i-I
scandinavische Literatur.
II. Adam Oehleuschlager.

Durch die nachgelassenen Memoiren Oehlcnschläger's*) sind wir in den Stand
gesetzt, uns ein ziemlich genaues Bild von dem Wesen, der Persönlichkeit und
der literarischen Richtung dieses Dichters zu mache», der unter allen Dänischen
Dichtern vielleicht am Geeignetsten sein mochte, als Vermittler zwischen den beiden
Nationen zu dienen. Im Allgemeinen muß ich gestehen, daß man durch die¬
selben von dem Menschen ein noch viel günstigeres Bild erhält, als von dem
Dichter, dessen Werth wir immer nur unter Bedingungen gelten lassen können.
Zwar sind sie von ungleichem Werth. Die Jugendeindrücke siud mit großer Frische
und Lebendigkeit wiedergegeben, wenn auch das Detail Oehlenschläger's Lands-
leute mehr interessiren muß, als uns, denen viele Beziehungen fremd sind. Seine
eigentliche Bildungsperivde, d. h. sein Aufenthalt in Deutschland, Frankreich und
Italien ist für uns von doppeltem Werth, da er uns zugleich die Beobachtungen
eines unbefangenen Zuschauers über diejenigen Persönlichkeiten mittheilt, welche
damals in der Deutschen Literatur den Ton angaben. Dagegen nimmt das In¬
teresse ab, je weiter der Dichter in diejenige Zeit kommt, in der man eigentlich
nichts Neues mehr erlebt, sondern die alten Eindrücke nur concentrirt. In den
letzten Theilen vernehmen wir fast Nichts, als Nachrichten von dem Beifall und
von der Anfeindung, die seine Werke theils in seinem eigenen Vaterland, theils
w Deutschland erfuhren. Das ist immer ein sehr unfruchtbarer und einförmiger
Gegenstand, ans dem wir nicht viel lernen können. Allein von einer Seite kön¬
nen wir doch dem ganzen Werk das gleiche Lob ertheilen. Es ist nämlich durch¬
aus naiv gehalten. Der Dichter giebt unmittelbar aus seinen Erinnerungen,
was er empfunden, gedacht, erlebt; er nimmt nicht künstliche Attitüden an, er
legt nicht die später gewonnene Erfahrung in seine frühere Geschichte hinein, er



*) Meine Lebens'erinncrunacn. Ein Nachlaß von Adam Oehlcnschlägcr. Deutsche Original-
""öaabe, 4 Bände, Leipzig, Lvrck.
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[0329] scandinavische Literatur. II. Adam Oehleuschlager. Durch die nachgelassenen Memoiren Oehlcnschläger's*) sind wir in den Stand gesetzt, uns ein ziemlich genaues Bild von dem Wesen, der Persönlichkeit und der literarischen Richtung dieses Dichters zu mache», der unter allen Dänischen Dichtern vielleicht am Geeignetsten sein mochte, als Vermittler zwischen den beiden Nationen zu dienen. Im Allgemeinen muß ich gestehen, daß man durch die¬ selben von dem Menschen ein noch viel günstigeres Bild erhält, als von dem Dichter, dessen Werth wir immer nur unter Bedingungen gelten lassen können. Zwar sind sie von ungleichem Werth. Die Jugendeindrücke siud mit großer Frische und Lebendigkeit wiedergegeben, wenn auch das Detail Oehlenschläger's Lands- leute mehr interessiren muß, als uns, denen viele Beziehungen fremd sind. Seine eigentliche Bildungsperivde, d. h. sein Aufenthalt in Deutschland, Frankreich und Italien ist für uns von doppeltem Werth, da er uns zugleich die Beobachtungen eines unbefangenen Zuschauers über diejenigen Persönlichkeiten mittheilt, welche damals in der Deutschen Literatur den Ton angaben. Dagegen nimmt das In¬ teresse ab, je weiter der Dichter in diejenige Zeit kommt, in der man eigentlich nichts Neues mehr erlebt, sondern die alten Eindrücke nur concentrirt. In den letzten Theilen vernehmen wir fast Nichts, als Nachrichten von dem Beifall und von der Anfeindung, die seine Werke theils in seinem eigenen Vaterland, theils w Deutschland erfuhren. Das ist immer ein sehr unfruchtbarer und einförmiger Gegenstand, ans dem wir nicht viel lernen können. Allein von einer Seite kön¬ nen wir doch dem ganzen Werk das gleiche Lob ertheilen. Es ist nämlich durch¬ aus naiv gehalten. Der Dichter giebt unmittelbar aus seinen Erinnerungen, was er empfunden, gedacht, erlebt; er nimmt nicht künstliche Attitüden an, er legt nicht die später gewonnene Erfahrung in seine frühere Geschichte hinein, er *) Meine Lebens'erinncrunacn. Ein Nachlaß von Adam Oehlcnschlägcr. Deutsche Original- ""öaabe, 4 Bände, Leipzig, Lvrck. Grenzboten. III. 48ii-I. i-I

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086/329>, abgerufen am 03.05.2024.