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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band.

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ihnen das Volk jederzeit öffentlich Dank wußte. Die Processe häuften sich, statt
abzunehmen; -- wir erinnern blos an die Verfolgungen, denen der Drucker des
t'utile .^c1vor>.i"(!r wegen der 69 Junius-Briefe ausgesetzt war*) -- aber es
wurde wenigstens nicht mehr gehängt und gestäupt.

Im Jahre -1788 gründete Walter die Times, und schon ihre erste Nummer
beweist die materiellen Fortschritte, welche die Tagespresse im 18. Jahrhundert
gemacht hatte. Die erste Nummer enthielt vier Seiten zu vier Spalten, nebst
63 Annoncen, ein Reichthum, nach dem gar manche Deutsche Zeitung heut zu
Tage jahrelang vergebens strebt. Sie erschien in einer günstigen Zeit, denn mit
dem Ausbruch der Französischen Revolution war für die Tagespresse Stoff in
Ueberfluß gekommen. Jeder las, Jeder wollte das Neueste wissen. Von Paine's
Wichts of Neu" sollen in sehr kurzer Zeit 130,000 und von Burke's Erwide¬
rung 30,000 Exemplare verkauft worden sein. Die Schriften von Cobbet und
Macintosh hatten eine" ungeheuren Leserkreis. Im Jahre 17ö3 betrug die Circu-
lation der Zeitung 7, i 11,4ö7 Exemplare; 1760: 9,484,791; 1790: 15,035,739;
1791: 14,794,1S3; 1792: 1ö,00",760 Exemplare.




Bayerische Parteistimmen.

In wenigen Tagen werden die Hundstage und mit ihnen Bayerns poli¬
tische Ferien zu Eude sein. Wir haben sie weidlich genossen, das politische Leben
war tvdtcnstil! und provisorische Hände leiteten das Steuerruder des Staatsschif-
fes durch die schläfrig plätschernden Wellen, wozu die sanften Gesänge der Re-
demptoristenmission in Tolz gleich Erinnerungen seliger Abel'scher Zeiten ertönten.
Unterdessen waren die vielverwünschten Schriftsteller doch nicht ganz ruhig, trotz¬
dem daß die Polizei in München und Nürnberg ihr Möglichstes that, um mit
immer neuen Confiscationen jedem Menschen, der etwas Besseres zu thun hat, die
Lust zu put'licistischer Kritik zu vertreiben. In den Zeitungen erreichte sie's
"Reh ziemlich; sie wurden so matt und langweilig wie ein Bayerisches Gespräch
"ach weitem Gange im Sommersvnnenbrand, dessen Zielpunkt die Hoffnung aus
Mes Bier enttäuscht hat. Aber dafür kamen zwei Brochüren, die beide zwar
..zu spät" oder "zu früh" geschrieben sein mögen, trotzdem nicht ohne Interesse
sind. Sie stehen, ihren Verfassern nach, gewissermaßen auf dem Standpunkte
der Extreme. Denn der eine, Herr I. Gorthclf, schon früher dem wettern Pu-
l'unum bekannt durch eine Preisschrift über die Verhältnisse der Juden, gilt ge¬
wöhnlich für einen Vertreter der sogenannten Legaldemokratic, während der an-



') Sie erschiene" im jrenaunlen Blatte in de" Jahren 1767, 17UU,-I?t>9, 4770 und-I77-I.
Grenzboten. Ill. - j,/,.

ihnen das Volk jederzeit öffentlich Dank wußte. Die Processe häuften sich, statt
abzunehmen; — wir erinnern blos an die Verfolgungen, denen der Drucker des
t'utile .^c1vor>.i«(!r wegen der 69 Junius-Briefe ausgesetzt war*) — aber es
wurde wenigstens nicht mehr gehängt und gestäupt.

Im Jahre -1788 gründete Walter die Times, und schon ihre erste Nummer
beweist die materiellen Fortschritte, welche die Tagespresse im 18. Jahrhundert
gemacht hatte. Die erste Nummer enthielt vier Seiten zu vier Spalten, nebst
63 Annoncen, ein Reichthum, nach dem gar manche Deutsche Zeitung heut zu
Tage jahrelang vergebens strebt. Sie erschien in einer günstigen Zeit, denn mit
dem Ausbruch der Französischen Revolution war für die Tagespresse Stoff in
Ueberfluß gekommen. Jeder las, Jeder wollte das Neueste wissen. Von Paine's
Wichts of Neu» sollen in sehr kurzer Zeit 130,000 und von Burke's Erwide¬
rung 30,000 Exemplare verkauft worden sein. Die Schriften von Cobbet und
Macintosh hatten eine» ungeheuren Leserkreis. Im Jahre 17ö3 betrug die Circu-
lation der Zeitung 7, i 11,4ö7 Exemplare; 1760: 9,484,791; 1790: 15,035,739;
1791: 14,794,1S3; 1792: 1ö,00»,760 Exemplare.




Bayerische Parteistimmen.

In wenigen Tagen werden die Hundstage und mit ihnen Bayerns poli¬
tische Ferien zu Eude sein. Wir haben sie weidlich genossen, das politische Leben
war tvdtcnstil! und provisorische Hände leiteten das Steuerruder des Staatsschif-
fes durch die schläfrig plätschernden Wellen, wozu die sanften Gesänge der Re-
demptoristenmission in Tolz gleich Erinnerungen seliger Abel'scher Zeiten ertönten.
Unterdessen waren die vielverwünschten Schriftsteller doch nicht ganz ruhig, trotz¬
dem daß die Polizei in München und Nürnberg ihr Möglichstes that, um mit
immer neuen Confiscationen jedem Menschen, der etwas Besseres zu thun hat, die
Lust zu put'licistischer Kritik zu vertreiben. In den Zeitungen erreichte sie's
"Reh ziemlich; sie wurden so matt und langweilig wie ein Bayerisches Gespräch
»ach weitem Gange im Sommersvnnenbrand, dessen Zielpunkt die Hoffnung aus
Mes Bier enttäuscht hat. Aber dafür kamen zwei Brochüren, die beide zwar
..zu spät" oder „zu früh" geschrieben sein mögen, trotzdem nicht ohne Interesse
sind. Sie stehen, ihren Verfassern nach, gewissermaßen auf dem Standpunkte
der Extreme. Denn der eine, Herr I. Gorthclf, schon früher dem wettern Pu-
l'unum bekannt durch eine Preisschrift über die Verhältnisse der Juden, gilt ge¬
wöhnlich für einen Vertreter der sogenannten Legaldemokratic, während der an-



') Sie erschiene» im jrenaunlen Blatte in de» Jahren 1767, 17UU,-I?t>9, 4770 und-I77-I.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086/353>, abgerufen am 04.05.2024.