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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band.

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sagen dem Erstaunten, daß sie alle bezahlt seien. Bezahlt?! Als Mercadet
Wechsel sieht, glaubt er noch immer an die Komödie de la Brive's -- das
baare Geld übersteigt noch immer nicht dreißigtausend Franken, also das ist Mi-
nard's Geld -- aber nun erscheint Dieser mit dreihundert Tausendfrankennoten!
Die Vorsehung hat Mercadet den Streich gespielt, seine Lüge zur Wahrheit zu
wachen! Die Scene, wie La Brive hereintritt nud spater Minard mit dem Gelde,
ist von so drastischen Effecte, daß man vor der losbrechenden Heiterkeit des Pu-
blicums die Schauspieler kaum hört. Mercadet schenkt de la Brive seine Schuld,
und borgt ihm uoch überdies zehntausend Franken: er will auch einmal das Be¬
wußtsein haben, Gläubiger zu sein!

Die Komödie hatte ursprünglich fünf Acte, und sie wurde nun zur Vorstellung
M drei abgerundet, so wie noch sonstige Veränderungen vorgenommen wurden.
Bei Balzac steht Minard wirklich von der Heirath zurück, so wie er aus den
Büchern Mercadet's dessen Ruin erfährt. Das Gymnase konnte sich zu solcher
Häresie nicht hergeben, ohne hausbackene Tugend läßt es den Vorhang nicht fallen,
und diesmal wollen wir ihm anch gern Recht geben. Die hohe Finanz applaudirte
natürlich uur wenig, aber ihrem Wit,e muß es nachgesagt werden, daß sie herz¬
lich mitgelacht, da die Herren nur sich gegenseitig auslachten. ES kommt nämlich
i" dem Stücke eine so reiche Sammlung von Börsenhelden vor, daß die Schaden¬
freude über das gelungene Portrait der Nachbarn den Verdruß über das eigene
verdrängte. Mercadet wird bereits ins Deutsche übertrage", und uach der Probe,
die ich aus der Uebersejzuug gesehen, muß diese als sehr gelungen bezeichnet
werden. Es hat hier ein Verein Deutscher Literaten eine Uebersejznngscvmpaguie
gebildet, welche es sich zur Aufgabe stellt, bessere Bearbeitungen als die gewöhn¬
lichen z" liefern, und auch eine bessere Auswahl zu treffe". Mit den Bühnen
correspondirt sie unter der Firma Woim"?, "t Carp., und die übertragenen Stücke
werden alle gedruckt nach Deutschland besorgt.




Schulwesen in Polen.
' , - 3-

Das Tanbstummeninstitnt in Warschau erfreut sich einer Berncksichügung von
Seiten der Regierung, wie sie sonst keinem Institute zu Theil wnd. Die Anstalt
befindet sich in der schönen Vorstadt am Alexanderplatze, dicht vor der Alexander-
kirche. Ans der Stelle, wo die Kirche steht, empfing man Abändern, als er
vor 3K Jahren mit der Pariser Lorbeerkrone zurückkehrte. Das war em großer
Augenblick, ein Augenblick, in welchem der Polnischen Phantasie die Polnischen


sagen dem Erstaunten, daß sie alle bezahlt seien. Bezahlt?! Als Mercadet
Wechsel sieht, glaubt er noch immer an die Komödie de la Brive's — das
baare Geld übersteigt noch immer nicht dreißigtausend Franken, also das ist Mi-
nard's Geld — aber nun erscheint Dieser mit dreihundert Tausendfrankennoten!
Die Vorsehung hat Mercadet den Streich gespielt, seine Lüge zur Wahrheit zu
wachen! Die Scene, wie La Brive hereintritt nud spater Minard mit dem Gelde,
ist von so drastischen Effecte, daß man vor der losbrechenden Heiterkeit des Pu-
blicums die Schauspieler kaum hört. Mercadet schenkt de la Brive seine Schuld,
und borgt ihm uoch überdies zehntausend Franken: er will auch einmal das Be¬
wußtsein haben, Gläubiger zu sein!

Die Komödie hatte ursprünglich fünf Acte, und sie wurde nun zur Vorstellung
M drei abgerundet, so wie noch sonstige Veränderungen vorgenommen wurden.
Bei Balzac steht Minard wirklich von der Heirath zurück, so wie er aus den
Büchern Mercadet's dessen Ruin erfährt. Das Gymnase konnte sich zu solcher
Häresie nicht hergeben, ohne hausbackene Tugend läßt es den Vorhang nicht fallen,
und diesmal wollen wir ihm anch gern Recht geben. Die hohe Finanz applaudirte
natürlich uur wenig, aber ihrem Wit,e muß es nachgesagt werden, daß sie herz¬
lich mitgelacht, da die Herren nur sich gegenseitig auslachten. ES kommt nämlich
i» dem Stücke eine so reiche Sammlung von Börsenhelden vor, daß die Schaden¬
freude über das gelungene Portrait der Nachbarn den Verdruß über das eigene
verdrängte. Mercadet wird bereits ins Deutsche übertrage», und uach der Probe,
die ich aus der Uebersejzuug gesehen, muß diese als sehr gelungen bezeichnet
werden. Es hat hier ein Verein Deutscher Literaten eine Uebersejznngscvmpaguie
gebildet, welche es sich zur Aufgabe stellt, bessere Bearbeitungen als die gewöhn¬
lichen z» liefern, und auch eine bessere Auswahl zu treffe». Mit den Bühnen
correspondirt sie unter der Firma Woim«?, «t Carp., und die übertragenen Stücke
werden alle gedruckt nach Deutschland besorgt.




Schulwesen in Polen.
' , - 3-

Das Tanbstummeninstitnt in Warschau erfreut sich einer Berncksichügung von
Seiten der Regierung, wie sie sonst keinem Institute zu Theil wnd. Die Anstalt
befindet sich in der schönen Vorstadt am Alexanderplatze, dicht vor der Alexander-
kirche. Ans der Stelle, wo die Kirche steht, empfing man Abändern, als er
vor 3K Jahren mit der Pariser Lorbeerkrone zurückkehrte. Das war em großer
Augenblick, ein Augenblick, in welchem der Polnischen Phantasie die Polnischen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086/423>, abgerufen am 03.05.2024.