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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band.

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des andern, unendlich zahlreichern Theils der Interessenten aus. In seinem
Abhängigkeitsverhältniß hatte der Bauer doch fast immer so viel vom Guts¬
herrn erhalten, daß seine rohesten Bedürfnisse nothdürftig dabei ihre Befriedigung
fanden; an den Arbeitstagen erhielt er sein Essen, er durfte sein Vieh im herr¬
schaftlichen Walde weiden, von eben da holte er sein Brennholz, meistens mußte
ihm der Gutsherr sein Haus unter Dach und Fach erhalten; das Alles hört
nun für ihn auf -- es ist ihm ja bei Ermittelung seiner Rente zu Gute gerechnet
worden, er soll nun selbstständig dastehen, von seiner Scholle oder durch frei¬
willige Tagelöhnerarbeit sein Brod und baares Geld zur Bezahlung seiner Rente
gewinnen; er muß arbeiten lernen -- auf dem Felde seines Gutsherrn hatte er
das nicht gethan -- und speculiren, Arbeit suchen. Das siud Forderungen,
welche die moralische Kraft eines großen Theils jenes vernachlässigten und ver¬
sumpften Volks übersteigen dürften. -- Die Negierung hat hier die ernstlichste
Aufforderung, durch Beschaffung öffentlicher Arbeiten -- an Gelegenheit fehlt es
nicht -- durch Belebung jeder Gewerblichkeit den sonst sehr schwierigen Uebergang
zum Bessern zu erleichtern -- sie hat hier alte Sünden gut zu machen. Hof¬
fentlich ist sie darauf bedacht, und nicht etwa darauf, wie auch diesem Gesetze
durch nachträgliche Revision die Spijze abzubrechen sei.




Wochenschau.

Der permanente laudstäudische Ausschuß in Kurhessen vor dem
Kriegsgerichte. Vcrtheidigungs schrift mit an g eh ä n g t en Rechtsgutachten
der Juristcnfacultäten zu Heidelberg und Göttingen nebst weiterer
staatsrechtlicher Ausführung. Cassel, Theod. Fischer. -- Ein höchst lehrreicher
Beitrag für die Kenntniß und juristische Beurtheilung der empörenden Vorgänge in
Hessen. -- Wir entnehme" aus der Vertheidigungsschrift den kurz angegebenen That¬
bestand. -- "Nach der Kurhcssischen Verfassungs-Urkunde vom S. Januar 1831 §. 144
erfolgt die laudstäudische Bewilligung des StaatSbedarss in der Regel sür die nächsten
drei Jahre. Eine solche Finanzpcriode ging mit dem Jahre 1848 zu Ende. Vor
dessen Ablauf mußte den Landständen ein neues Fincmzgcsetz proponirt werden. Die
Ausgaben, welche jene Zeit erforderte, waren zu sehr außerordentliche, als daß man den
damaligen Bedarf zum Maßstabe eines dreijährigen Budgets glaubte nehmen
zu dürfen; auch die Einnahmen schienen augenblicklich zu große" Schwankungen aus¬
gesetzt zu sein, als daß sie für drei Jahre im Voraus festgestellt werden konnten.
So einigte sich die Regierung mit den Landständen über ein Finanzgesetz für 18 49
als das erste Jahr der siebenten Finauzpcriode. Im Lause jenes Jahres legte die
Negierung den Entwurf eines neuen Voranschlags der Einnahmen und Ausgaben für
1830 und 18S1 den Landständen vor. Da die Letzten zu einer Beschlußnahme am
Ende des Jahres 1849 noch nicht gekommen waren, so verfügte die Regierung einst-


des andern, unendlich zahlreichern Theils der Interessenten aus. In seinem
Abhängigkeitsverhältniß hatte der Bauer doch fast immer so viel vom Guts¬
herrn erhalten, daß seine rohesten Bedürfnisse nothdürftig dabei ihre Befriedigung
fanden; an den Arbeitstagen erhielt er sein Essen, er durfte sein Vieh im herr¬
schaftlichen Walde weiden, von eben da holte er sein Brennholz, meistens mußte
ihm der Gutsherr sein Haus unter Dach und Fach erhalten; das Alles hört
nun für ihn auf — es ist ihm ja bei Ermittelung seiner Rente zu Gute gerechnet
worden, er soll nun selbstständig dastehen, von seiner Scholle oder durch frei¬
willige Tagelöhnerarbeit sein Brod und baares Geld zur Bezahlung seiner Rente
gewinnen; er muß arbeiten lernen — auf dem Felde seines Gutsherrn hatte er
das nicht gethan — und speculiren, Arbeit suchen. Das siud Forderungen,
welche die moralische Kraft eines großen Theils jenes vernachlässigten und ver¬
sumpften Volks übersteigen dürften. — Die Negierung hat hier die ernstlichste
Aufforderung, durch Beschaffung öffentlicher Arbeiten — an Gelegenheit fehlt es
nicht — durch Belebung jeder Gewerblichkeit den sonst sehr schwierigen Uebergang
zum Bessern zu erleichtern — sie hat hier alte Sünden gut zu machen. Hof¬
fentlich ist sie darauf bedacht, und nicht etwa darauf, wie auch diesem Gesetze
durch nachträgliche Revision die Spijze abzubrechen sei.




Wochenschau.

Der permanente laudstäudische Ausschuß in Kurhessen vor dem
Kriegsgerichte. Vcrtheidigungs schrift mit an g eh ä n g t en Rechtsgutachten
der Juristcnfacultäten zu Heidelberg und Göttingen nebst weiterer
staatsrechtlicher Ausführung. Cassel, Theod. Fischer. — Ein höchst lehrreicher
Beitrag für die Kenntniß und juristische Beurtheilung der empörenden Vorgänge in
Hessen. — Wir entnehme» aus der Vertheidigungsschrift den kurz angegebenen That¬
bestand. — „Nach der Kurhcssischen Verfassungs-Urkunde vom S. Januar 1831 §. 144
erfolgt die laudstäudische Bewilligung des StaatSbedarss in der Regel sür die nächsten
drei Jahre. Eine solche Finanzpcriode ging mit dem Jahre 1848 zu Ende. Vor
dessen Ablauf mußte den Landständen ein neues Fincmzgcsetz proponirt werden. Die
Ausgaben, welche jene Zeit erforderte, waren zu sehr außerordentliche, als daß man den
damaligen Bedarf zum Maßstabe eines dreijährigen Budgets glaubte nehmen
zu dürfen; auch die Einnahmen schienen augenblicklich zu große» Schwankungen aus¬
gesetzt zu sein, als daß sie für drei Jahre im Voraus festgestellt werden konnten.
So einigte sich die Regierung mit den Landständen über ein Finanzgesetz für 18 49
als das erste Jahr der siebenten Finauzpcriode. Im Lause jenes Jahres legte die
Negierung den Entwurf eines neuen Voranschlags der Einnahmen und Ausgaben für
1830 und 18S1 den Landständen vor. Da die Letzten zu einer Beschlußnahme am
Ende des Jahres 1849 noch nicht gekommen waren, so verfügte die Regierung einst-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086/84>, abgerufen am 04.05.2024.