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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band.

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ohne von der sinnlichen Wahrheit in Gestaltung und Ausdruck das Geringste
aufzuopfern. Fremd mag das erste Bild uns erscheinen, es ist historisch gedacht,
aber unwahr weder in der Composition, noch in der Ausführung. In allen vier
Gemälden wurde das Naturleben in feiernder, gleichmäßig plastischer Ruhe er¬
griffe", und doch -- wie reich, wie bewegt, wie mannichfaltig gestimmt in dieser
leise athmenden Stille! Nur ein dichterisches Gemüth konnte so mit der Seele
A. G. der Natur zusammenklingen. .




Der Deutsche Roman des tG. Jahrhunderts in feinem
Verhältniß zum Christenthum.
Joseph Freiherr v. Eichendorff. Von

Der Verfasser hat bereits vor einigen Jahren in seiner Schrift: "Ueber die
ethische und religiöse Bedeutung der neuen romantischen Poesie in Deutschland"
den vielfachen Angriffen gegen die Romantik mit einem gewissen Selbstgefühl ein
romantisches Glaubensbekenntniß entgegengesetzt und die sogenannte romantische
Schule in Deutschland nicht, wie es bisher zu geschehen pflegte, vom Standpunkt
des Rationalismus, sondern vom Standpunkt der "wahren" Romantik bekämpft-
Es ist in diesen Begriff dnrch verschiedene scharfsinnige Untersuchungen eine solche
Fülle von Inhalt eingeführt worden, daß man bei der Anwendung desselben sehr
behutsam sein muß und sich stets klar machen, welches vou den verschiedenen
Attribute" der Romantik man in dem Augenblick gerade meint. Einfacher und zweck¬
mäßiger Ist es daher, wenn man diese Bezeichnung überhaupt aufgiebt und in
jedem einzelnen Fall gerade auf den Punkt losgeht, den man im Auge hat.

So ist Eichendorff selbst nur in einem bestimmten Sinn ein Romantiker zu
nennen. Diejenige Eigenschaft, die man vorzugsweise romantisch zu nennen pflegt,
nämlich den subjectiven Hochmuth, mit welchem man Gesetz, Regel und Vernunft
zu einem Spiel der freien Willkür herabsetzt, wird von Eichendorff eben so leb¬
haft bekämpft, als von uus Rationalisten; ja mit einer Bitterkeit, die uns zu¬
weilen in Erstaunen setzen muß. Er adoptirt die nämlichen Vorwürfe, die wir
gegen die Genialitätspcriode erhoben haben, namentlich gegen Goethe, zuweilen
so vollständig, daß wir uns selbst wiederzufinden glauben. Ein Zeichen, daß man
von sehr entgegengesetzten Standpunkten ausgehen kann, und daß man doch, wenn
man wahr und ehrlich gegen sich selber ist, zuletzt aus demselben Punkt ankommt;
auf der andern Seite aber anch eine Warnung, unser Gefühl, das in der Ncactwn
gegen eine verkehrte Richtung der Zeit nur zu häufig das Wesen mit der Er¬
scheinung verwechselt, dadurch zu corrigiren, daß wir in jedem Augenblick die


ohne von der sinnlichen Wahrheit in Gestaltung und Ausdruck das Geringste
aufzuopfern. Fremd mag das erste Bild uns erscheinen, es ist historisch gedacht,
aber unwahr weder in der Composition, noch in der Ausführung. In allen vier
Gemälden wurde das Naturleben in feiernder, gleichmäßig plastischer Ruhe er¬
griffe», und doch — wie reich, wie bewegt, wie mannichfaltig gestimmt in dieser
leise athmenden Stille! Nur ein dichterisches Gemüth konnte so mit der Seele
A. G. der Natur zusammenklingen. .




Der Deutsche Roman des tG. Jahrhunderts in feinem
Verhältniß zum Christenthum.
Joseph Freiherr v. Eichendorff. Von

Der Verfasser hat bereits vor einigen Jahren in seiner Schrift: „Ueber die
ethische und religiöse Bedeutung der neuen romantischen Poesie in Deutschland"
den vielfachen Angriffen gegen die Romantik mit einem gewissen Selbstgefühl ein
romantisches Glaubensbekenntniß entgegengesetzt und die sogenannte romantische
Schule in Deutschland nicht, wie es bisher zu geschehen pflegte, vom Standpunkt
des Rationalismus, sondern vom Standpunkt der „wahren" Romantik bekämpft-
Es ist in diesen Begriff dnrch verschiedene scharfsinnige Untersuchungen eine solche
Fülle von Inhalt eingeführt worden, daß man bei der Anwendung desselben sehr
behutsam sein muß und sich stets klar machen, welches vou den verschiedenen
Attribute» der Romantik man in dem Augenblick gerade meint. Einfacher und zweck¬
mäßiger Ist es daher, wenn man diese Bezeichnung überhaupt aufgiebt und in
jedem einzelnen Fall gerade auf den Punkt losgeht, den man im Auge hat.

So ist Eichendorff selbst nur in einem bestimmten Sinn ein Romantiker zu
nennen. Diejenige Eigenschaft, die man vorzugsweise romantisch zu nennen pflegt,
nämlich den subjectiven Hochmuth, mit welchem man Gesetz, Regel und Vernunft
zu einem Spiel der freien Willkür herabsetzt, wird von Eichendorff eben so leb¬
haft bekämpft, als von uus Rationalisten; ja mit einer Bitterkeit, die uns zu¬
weilen in Erstaunen setzen muß. Er adoptirt die nämlichen Vorwürfe, die wir
gegen die Genialitätspcriode erhoben haben, namentlich gegen Goethe, zuweilen
so vollständig, daß wir uns selbst wiederzufinden glauben. Ein Zeichen, daß man
von sehr entgegengesetzten Standpunkten ausgehen kann, und daß man doch, wenn
man wahr und ehrlich gegen sich selber ist, zuletzt aus demselben Punkt ankommt;
auf der andern Seite aber anch eine Warnung, unser Gefühl, das in der Ncactwn
gegen eine verkehrte Richtung der Zeit nur zu häufig das Wesen mit der Er¬
scheinung verwechselt, dadurch zu corrigiren, daß wir in jedem Augenblick die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280616/10>, abgerufen am 27.04.2024.