Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

l"nge, lauge Sitzungöpauseu bis zum Beginne des Octobers; Zeit genug, um
durch den Gang der äußeren Ereignisse, wie des innern Staatslebens, jede noch
etwa nachklingende Begeisterung für nationale Dinge erstarren zu lassen. Auch
drangt^ das wieder in Apathie versunkene Publicum nach Behandlung der mate¬
riellem Bayerischen Frage", und die laugen Reden über die Nationalpolitik des
Ministeriums wurden zu Spreu im Winde. Vielleicht wäre heute noch Manches
aus jenen Bertheidigungöredeu des Hrn. v. d. Pfordten zur Belehrung zu sam¬
meln; aber die Hand erlahmet , der Mund verstummt. Sind wir diesem Mimi'
stcrium nicht willfährig bis anf's Aeußerste, so folgt ein Abel-Seinsheim'sches System
-- dieser Schlachtruf ward immer allgemeiner. Es konnte jetzt wahrlich kaum Hrn.
v. d. Pfordten und seinen Kollegen ein Sieg mehr scheinen, so oft sie siegten.
Ja, man erkannte daran, daß sie bei jeder etwaigen Differenz der Kammerbeschlüsse
mit dem Negicrungsbefehl ihren Rücktritt in Aussicht stellten, wie ihnen selbst die
Nähe des parlamentarischen Kampfes zu groß für den geringen- Triumph erschien.
So dauerte der Landtag bis zum Juli 1830.

Und der neue Landtag begann im Februar -I8S1. Er begann uuter denselben
Konstellationen, wo der vorige geendet. Nur waren jetzt Gegner des Ministeriums,
die sich vorher als Freunde und Gönner angestellt -- die Aristokratie und der Ultra-
montanismus. Das Ministerium war ihnen, gerade ihnen zu "stark" geworden.
Der Constitutionalismus hat mit Hru. v. d. Pfordten Friede geschlossen, die
"Legaldemokratie" liegt besiegt. Die Zukunft muß lehren, ob Ultramontanismus
und Juukerthum über dem Ministerium, oder dieses über jenem herrscht.




Der verlorene Schatz von Bern.

Die viel besprochene Berner Schatzgeschichte aus dem Jahre 1798 ist
bekanntlich immer noch zu keinem Resultate gediehen. Im Gegentheil ist die
ganze Allgelegenheit noch eben so wirr wie damals, ^ und wird es noch mehr,
wenn man die Blätter der verschiedenen politischen Richtungen die Sache beur¬
theilen sieht. Die einen erklären die ganze Angelegenheit für eine bloße Erfin-
dung, die anderen stellen die Behauptung, daß eine beträchtliche Summe aus
dem Berner Staatsschatze in jener Zeit, statt an die Franzosen, in die Hände von
Berner Patriciern übergegangen sei, als eine ausgemachte Thatsache hin. Du'
letztere Partei ist bis jetzt die einzige, die sich mit detaillirter Besprechung der An¬
gelegenheit vom Parieistandpnnkte aus abgegeben hat. Beide Parteien kämpfen
natürlich für ihre Ansichten und vorgefaßten Stimmungen mit der größten Heftig¬
keit, und suchen das zuschauende Publicum zu den verschiedenen Parleilagern
heranzuziehen, um es zu Theilnehmern deS bevorstehenden Kampfes zu machen.


l»nge, lauge Sitzungöpauseu bis zum Beginne des Octobers; Zeit genug, um
durch den Gang der äußeren Ereignisse, wie des innern Staatslebens, jede noch
etwa nachklingende Begeisterung für nationale Dinge erstarren zu lassen. Auch
drangt^ das wieder in Apathie versunkene Publicum nach Behandlung der mate¬
riellem Bayerischen Frage», und die laugen Reden über die Nationalpolitik des
Ministeriums wurden zu Spreu im Winde. Vielleicht wäre heute noch Manches
aus jenen Bertheidigungöredeu des Hrn. v. d. Pfordten zur Belehrung zu sam¬
meln; aber die Hand erlahmet , der Mund verstummt. Sind wir diesem Mimi'
stcrium nicht willfährig bis anf's Aeußerste, so folgt ein Abel-Seinsheim'sches System
— dieser Schlachtruf ward immer allgemeiner. Es konnte jetzt wahrlich kaum Hrn.
v. d. Pfordten und seinen Kollegen ein Sieg mehr scheinen, so oft sie siegten.
Ja, man erkannte daran, daß sie bei jeder etwaigen Differenz der Kammerbeschlüsse
mit dem Negicrungsbefehl ihren Rücktritt in Aussicht stellten, wie ihnen selbst die
Nähe des parlamentarischen Kampfes zu groß für den geringen- Triumph erschien.
So dauerte der Landtag bis zum Juli 1830.

Und der neue Landtag begann im Februar -I8S1. Er begann uuter denselben
Konstellationen, wo der vorige geendet. Nur waren jetzt Gegner des Ministeriums,
die sich vorher als Freunde und Gönner angestellt — die Aristokratie und der Ultra-
montanismus. Das Ministerium war ihnen, gerade ihnen zu „stark" geworden.
Der Constitutionalismus hat mit Hru. v. d. Pfordten Friede geschlossen, die
„Legaldemokratie" liegt besiegt. Die Zukunft muß lehren, ob Ultramontanismus
und Juukerthum über dem Ministerium, oder dieses über jenem herrscht.




Der verlorene Schatz von Bern.

Die viel besprochene Berner Schatzgeschichte aus dem Jahre 1798 ist
bekanntlich immer noch zu keinem Resultate gediehen. Im Gegentheil ist die
ganze Allgelegenheit noch eben so wirr wie damals, ^ und wird es noch mehr,
wenn man die Blätter der verschiedenen politischen Richtungen die Sache beur¬
theilen sieht. Die einen erklären die ganze Angelegenheit für eine bloße Erfin-
dung, die anderen stellen die Behauptung, daß eine beträchtliche Summe aus
dem Berner Staatsschatze in jener Zeit, statt an die Franzosen, in die Hände von
Berner Patriciern übergegangen sei, als eine ausgemachte Thatsache hin. Du'
letztere Partei ist bis jetzt die einzige, die sich mit detaillirter Besprechung der An¬
gelegenheit vom Parieistandpnnkte aus abgegeben hat. Beide Parteien kämpfen
natürlich für ihre Ansichten und vorgefaßten Stimmungen mit der größten Heftig¬
keit, und suchen das zuschauende Publicum zu den verschiedenen Parleilagern
heranzuziehen, um es zu Theilnehmern deS bevorstehenden Kampfes zu machen.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0104" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/280721"/>
          <p xml:id="ID_325" prev="#ID_324"> l»nge, lauge Sitzungöpauseu bis zum Beginne des Octobers; Zeit genug, um<lb/>
durch den Gang der äußeren Ereignisse, wie des innern Staatslebens, jede noch<lb/>
etwa nachklingende Begeisterung für nationale Dinge erstarren zu lassen. Auch<lb/>
drangt^ das wieder in Apathie versunkene Publicum nach Behandlung der mate¬<lb/>
riellem Bayerischen Frage», und die laugen Reden über die Nationalpolitik des<lb/>
Ministeriums wurden zu Spreu im Winde. Vielleicht wäre heute noch Manches<lb/>
aus jenen Bertheidigungöredeu des Hrn. v. d. Pfordten zur Belehrung zu sam¬<lb/>
meln; aber die Hand erlahmet , der Mund verstummt. Sind wir diesem Mimi'<lb/>
stcrium nicht willfährig bis anf's Aeußerste, so folgt ein Abel-Seinsheim'sches System<lb/>
&#x2014; dieser Schlachtruf ward immer allgemeiner. Es konnte jetzt wahrlich kaum Hrn.<lb/>
v. d. Pfordten und seinen Kollegen ein Sieg mehr scheinen, so oft sie siegten.<lb/>
Ja, man erkannte daran, daß sie bei jeder etwaigen Differenz der Kammerbeschlüsse<lb/>
mit dem Negicrungsbefehl ihren Rücktritt in Aussicht stellten, wie ihnen selbst die<lb/>
Nähe des parlamentarischen Kampfes zu groß für den geringen- Triumph erschien.<lb/>
So dauerte der Landtag bis zum Juli 1830.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_326"> Und der neue Landtag begann im Februar -I8S1. Er begann uuter denselben<lb/>
Konstellationen, wo der vorige geendet. Nur waren jetzt Gegner des Ministeriums,<lb/>
die sich vorher als Freunde und Gönner angestellt &#x2014; die Aristokratie und der Ultra-<lb/>
montanismus. Das Ministerium war ihnen, gerade ihnen zu &#x201E;stark" geworden.<lb/>
Der Constitutionalismus hat mit Hru. v. d. Pfordten Friede geschlossen, die<lb/>
&#x201E;Legaldemokratie" liegt besiegt. Die Zukunft muß lehren, ob Ultramontanismus<lb/>
und Juukerthum über dem Ministerium, oder dieses über jenem herrscht.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Der verlorene Schatz von Bern.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_327" next="#ID_328"> Die viel besprochene Berner Schatzgeschichte aus dem Jahre 1798 ist<lb/>
bekanntlich immer noch zu keinem Resultate gediehen. Im Gegentheil ist die<lb/>
ganze Allgelegenheit noch eben so wirr wie damals, ^ und wird es noch mehr,<lb/>
wenn man die Blätter der verschiedenen politischen Richtungen die Sache beur¬<lb/>
theilen sieht. Die einen erklären die ganze Angelegenheit für eine bloße Erfin-<lb/>
dung, die anderen stellen die Behauptung, daß eine beträchtliche Summe aus<lb/>
dem Berner Staatsschatze in jener Zeit, statt an die Franzosen, in die Hände von<lb/>
Berner Patriciern übergegangen sei, als eine ausgemachte Thatsache hin. Du'<lb/>
letztere Partei ist bis jetzt die einzige, die sich mit detaillirter Besprechung der An¬<lb/>
gelegenheit vom Parieistandpnnkte aus abgegeben hat. Beide Parteien kämpfen<lb/>
natürlich für ihre Ansichten und vorgefaßten Stimmungen mit der größten Heftig¬<lb/>
keit, und suchen das zuschauende Publicum zu den verschiedenen Parleilagern<lb/>
heranzuziehen, um es zu Theilnehmern deS bevorstehenden Kampfes zu machen.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0104] l»nge, lauge Sitzungöpauseu bis zum Beginne des Octobers; Zeit genug, um durch den Gang der äußeren Ereignisse, wie des innern Staatslebens, jede noch etwa nachklingende Begeisterung für nationale Dinge erstarren zu lassen. Auch drangt^ das wieder in Apathie versunkene Publicum nach Behandlung der mate¬ riellem Bayerischen Frage», und die laugen Reden über die Nationalpolitik des Ministeriums wurden zu Spreu im Winde. Vielleicht wäre heute noch Manches aus jenen Bertheidigungöredeu des Hrn. v. d. Pfordten zur Belehrung zu sam¬ meln; aber die Hand erlahmet , der Mund verstummt. Sind wir diesem Mimi' stcrium nicht willfährig bis anf's Aeußerste, so folgt ein Abel-Seinsheim'sches System — dieser Schlachtruf ward immer allgemeiner. Es konnte jetzt wahrlich kaum Hrn. v. d. Pfordten und seinen Kollegen ein Sieg mehr scheinen, so oft sie siegten. Ja, man erkannte daran, daß sie bei jeder etwaigen Differenz der Kammerbeschlüsse mit dem Negicrungsbefehl ihren Rücktritt in Aussicht stellten, wie ihnen selbst die Nähe des parlamentarischen Kampfes zu groß für den geringen- Triumph erschien. So dauerte der Landtag bis zum Juli 1830. Und der neue Landtag begann im Februar -I8S1. Er begann uuter denselben Konstellationen, wo der vorige geendet. Nur waren jetzt Gegner des Ministeriums, die sich vorher als Freunde und Gönner angestellt — die Aristokratie und der Ultra- montanismus. Das Ministerium war ihnen, gerade ihnen zu „stark" geworden. Der Constitutionalismus hat mit Hru. v. d. Pfordten Friede geschlossen, die „Legaldemokratie" liegt besiegt. Die Zukunft muß lehren, ob Ultramontanismus und Juukerthum über dem Ministerium, oder dieses über jenem herrscht. Der verlorene Schatz von Bern. Die viel besprochene Berner Schatzgeschichte aus dem Jahre 1798 ist bekanntlich immer noch zu keinem Resultate gediehen. Im Gegentheil ist die ganze Allgelegenheit noch eben so wirr wie damals, ^ und wird es noch mehr, wenn man die Blätter der verschiedenen politischen Richtungen die Sache beur¬ theilen sieht. Die einen erklären die ganze Angelegenheit für eine bloße Erfin- dung, die anderen stellen die Behauptung, daß eine beträchtliche Summe aus dem Berner Staatsschatze in jener Zeit, statt an die Franzosen, in die Hände von Berner Patriciern übergegangen sei, als eine ausgemachte Thatsache hin. Du' letztere Partei ist bis jetzt die einzige, die sich mit detaillirter Besprechung der An¬ gelegenheit vom Parieistandpnnkte aus abgegeben hat. Beide Parteien kämpfen natürlich für ihre Ansichten und vorgefaßten Stimmungen mit der größten Heftig¬ keit, und suchen das zuschauende Publicum zu den verschiedenen Parleilagern heranzuziehen, um es zu Theilnehmern deS bevorstehenden Kampfes zu machen.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280616
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280616/104
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280616/104>, abgerufen am 25.04.2024.