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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band.

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Die Fremdenlegion in Algerien.

! Im festen Carro geschlossen stand eine Compagnie Soldaten ganz allein
aus weiter Thalebene. Brausend nmsprengte eine Tribus Beduinischcr Reiter, an
800 Mann stark, das "eine Häuflein in weiten Umkreisen, jeden Augenblick bereit,
sich ans dasselbe zu stürzen. Die langen Mähnen der feurigen Bcrberrosse flat¬
terten wild im Winde, ans den schlanken Hals der Pferde niedergebeugt, waren
die Reiter in ihren faltigen weiße" Burunsseu kaum von ihren Pferden zu unter¬
scheide", und böte" so de" Kugel" el" möglichst kleines Ziel. Hier und da son¬
derte sich ein einzelner Scheik von dem großen Häuser ab, sprengte bis an
300 Schritt an das feindliche Carre; vor, riß sein gelenkiges Schlachtroß auf
den Hinterbeinen herum, daß es sich schnell wie ein Kreisel drehte, schwenkte die
mit blitzenden MetallarabcSken reich verzierte lauge Flinte einige Mal um das Haupt,
legte dann rasch ein, feuerte, und stürmte wieder im vollsten Lauf des Rosses Z"
den Seinen zurück. Wenn auch seine Kugel ihr Ziel nicht verfehlte, ein Soldat
im Gliede vielleicht eine tüchtige Wunde erhalte" hatte, aus dein Carro donnerte
ihm dennoch kein Schuß nach; als ginge sie der ganze große Reitertrupp, der
mordgierig um sie schwärmte, nicht das Mindeste an, so unbekümmert standen die
Soldaten im Gliede, nachlässig war ihre Haltung, nachlässig bequem ihre Klei¬
dung. Ein Deutscher Gardeofstcier würde bei oberflächlicher Besichtigung diese
Compagnie, wie sie dastand, kaum für wohldiöciplinirtes Militair gehalten habe".
Viele Soldaten hatten ihre Gewehre beim Fuß, und lehnten sich in bequemer
Stellung auf dieselben, andere hielten sie im Arm oder in der Hand, ganz wie
es ihnen behagte. Die kleine Pfeife dampfte im Munde, wieder andere speiste"
wohlgefällig einige Datteln oder Feigen, oder nahmen auch wol mit wohlge¬
übten raschem Griffe einen Schluck ans der umgehängrcu Feldflasche. Lachen und
rohe Witzeleien aller Art horte mau in den Gliedern, und häufig riefen einzelne
Soldaten ans denselben den näher Hera" sprengenden Arabern mit aller Kraft
ihrer Lungen das verächtliche "de-u <-l K-ivlib^" (Sohn der Hure) zu, was als
größtes Arabisches Schimpfwort gilt; oder spreizten ihre beiden ausgebreiteten
Hände, mit dem Daumen auf der Nase, gegen sie aus, nach arabischen Begriffe"
ebenfalls ein Zeichen des größten Hohnes, oder zeigten ihnen die Zunge".
Kurz, sie suchten die Wuth der Feinde eifrig noch mehr aufzustacheln. Auch der
Hauptmann der Compagnie erschien trotz der vierfach überlegene" feindlichen
Reiterschaar fast vo" gleicher Sorglosigkeit. Ein kleines zusammengetrocknetes
Männlein, hielt er in seinem grauen Capot vo" grobem Soldatentuch auf einem
dürren Maulesel in der Mitte des Carr<^. Statt der linken Hand, die er i"
Spanien verlor, umfaßte eine Art von eiserner Zange, die am Unterarme an¬
geschraubt war, den Zügel; das rechte Auge, welches bei Borodino dem f""f'


Die Fremdenlegion in Algerien.

! Im festen Carro geschlossen stand eine Compagnie Soldaten ganz allein
aus weiter Thalebene. Brausend nmsprengte eine Tribus Beduinischcr Reiter, an
800 Mann stark, das «eine Häuflein in weiten Umkreisen, jeden Augenblick bereit,
sich ans dasselbe zu stürzen. Die langen Mähnen der feurigen Bcrberrosse flat¬
terten wild im Winde, ans den schlanken Hals der Pferde niedergebeugt, waren
die Reiter in ihren faltigen weiße» Burunsseu kaum von ihren Pferden zu unter¬
scheide», und böte» so de» Kugel» el» möglichst kleines Ziel. Hier und da son¬
derte sich ein einzelner Scheik von dem großen Häuser ab, sprengte bis an
300 Schritt an das feindliche Carre; vor, riß sein gelenkiges Schlachtroß auf
den Hinterbeinen herum, daß es sich schnell wie ein Kreisel drehte, schwenkte die
mit blitzenden MetallarabcSken reich verzierte lauge Flinte einige Mal um das Haupt,
legte dann rasch ein, feuerte, und stürmte wieder im vollsten Lauf des Rosses Z"
den Seinen zurück. Wenn auch seine Kugel ihr Ziel nicht verfehlte, ein Soldat
im Gliede vielleicht eine tüchtige Wunde erhalte» hatte, aus dein Carro donnerte
ihm dennoch kein Schuß nach; als ginge sie der ganze große Reitertrupp, der
mordgierig um sie schwärmte, nicht das Mindeste an, so unbekümmert standen die
Soldaten im Gliede, nachlässig war ihre Haltung, nachlässig bequem ihre Klei¬
dung. Ein Deutscher Gardeofstcier würde bei oberflächlicher Besichtigung diese
Compagnie, wie sie dastand, kaum für wohldiöciplinirtes Militair gehalten habe».
Viele Soldaten hatten ihre Gewehre beim Fuß, und lehnten sich in bequemer
Stellung auf dieselben, andere hielten sie im Arm oder in der Hand, ganz wie
es ihnen behagte. Die kleine Pfeife dampfte im Munde, wieder andere speiste»
wohlgefällig einige Datteln oder Feigen, oder nahmen auch wol mit wohlge¬
übten raschem Griffe einen Schluck ans der umgehängrcu Feldflasche. Lachen und
rohe Witzeleien aller Art horte mau in den Gliedern, und häufig riefen einzelne
Soldaten ans denselben den näher Hera» sprengenden Arabern mit aller Kraft
ihrer Lungen das verächtliche „de-u <-l K-ivlib^" (Sohn der Hure) zu, was als
größtes Arabisches Schimpfwort gilt; oder spreizten ihre beiden ausgebreiteten
Hände, mit dem Daumen auf der Nase, gegen sie aus, nach arabischen Begriffe»
ebenfalls ein Zeichen des größten Hohnes, oder zeigten ihnen die Zunge».
Kurz, sie suchten die Wuth der Feinde eifrig noch mehr aufzustacheln. Auch der
Hauptmann der Compagnie erschien trotz der vierfach überlegene» feindlichen
Reiterschaar fast vo» gleicher Sorglosigkeit. Ein kleines zusammengetrocknetes
Männlein, hielt er in seinem grauen Capot vo» grobem Soldatentuch auf einem
dürren Maulesel in der Mitte des Carr<^. Statt der linken Hand, die er i"
Spanien verlor, umfaßte eine Art von eiserner Zange, die am Unterarme an¬
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[0112] Die Fremdenlegion in Algerien. ! Im festen Carro geschlossen stand eine Compagnie Soldaten ganz allein aus weiter Thalebene. Brausend nmsprengte eine Tribus Beduinischcr Reiter, an 800 Mann stark, das «eine Häuflein in weiten Umkreisen, jeden Augenblick bereit, sich ans dasselbe zu stürzen. Die langen Mähnen der feurigen Bcrberrosse flat¬ terten wild im Winde, ans den schlanken Hals der Pferde niedergebeugt, waren die Reiter in ihren faltigen weiße» Burunsseu kaum von ihren Pferden zu unter¬ scheide», und böte» so de» Kugel» el» möglichst kleines Ziel. Hier und da son¬ derte sich ein einzelner Scheik von dem großen Häuser ab, sprengte bis an 300 Schritt an das feindliche Carre; vor, riß sein gelenkiges Schlachtroß auf den Hinterbeinen herum, daß es sich schnell wie ein Kreisel drehte, schwenkte die mit blitzenden MetallarabcSken reich verzierte lauge Flinte einige Mal um das Haupt, legte dann rasch ein, feuerte, und stürmte wieder im vollsten Lauf des Rosses Z" den Seinen zurück. Wenn auch seine Kugel ihr Ziel nicht verfehlte, ein Soldat im Gliede vielleicht eine tüchtige Wunde erhalte» hatte, aus dein Carro donnerte ihm dennoch kein Schuß nach; als ginge sie der ganze große Reitertrupp, der mordgierig um sie schwärmte, nicht das Mindeste an, so unbekümmert standen die Soldaten im Gliede, nachlässig war ihre Haltung, nachlässig bequem ihre Klei¬ dung. Ein Deutscher Gardeofstcier würde bei oberflächlicher Besichtigung diese Compagnie, wie sie dastand, kaum für wohldiöciplinirtes Militair gehalten habe». Viele Soldaten hatten ihre Gewehre beim Fuß, und lehnten sich in bequemer Stellung auf dieselben, andere hielten sie im Arm oder in der Hand, ganz wie es ihnen behagte. Die kleine Pfeife dampfte im Munde, wieder andere speiste» wohlgefällig einige Datteln oder Feigen, oder nahmen auch wol mit wohlge¬ übten raschem Griffe einen Schluck ans der umgehängrcu Feldflasche. Lachen und rohe Witzeleien aller Art horte mau in den Gliedern, und häufig riefen einzelne Soldaten ans denselben den näher Hera» sprengenden Arabern mit aller Kraft ihrer Lungen das verächtliche „de-u <-l K-ivlib^" (Sohn der Hure) zu, was als größtes Arabisches Schimpfwort gilt; oder spreizten ihre beiden ausgebreiteten Hände, mit dem Daumen auf der Nase, gegen sie aus, nach arabischen Begriffe» ebenfalls ein Zeichen des größten Hohnes, oder zeigten ihnen die Zunge». Kurz, sie suchten die Wuth der Feinde eifrig noch mehr aufzustacheln. Auch der Hauptmann der Compagnie erschien trotz der vierfach überlegene» feindlichen Reiterschaar fast vo» gleicher Sorglosigkeit. Ein kleines zusammengetrocknetes Männlein, hielt er in seinem grauen Capot vo» grobem Soldatentuch auf einem dürren Maulesel in der Mitte des Carr<^. Statt der linken Hand, die er i" Spanien verlor, umfaßte eine Art von eiserner Zange, die am Unterarme an¬ geschraubt war, den Zügel; das rechte Auge, welches bei Borodino dem f""f'

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280616/112>, abgerufen am 25.04.2024.