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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band.

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Erinnerung an Sibirien.
(Aus Nufi" Piotrowski's Gedächtnißblättcrn.^

Während meines Aufenthalts in Kaminiez fiel mir ein in Petersburg ge¬
drucktes und für das gemeine Volk bestimmtes Büchlein in die Hand, welches in
^°her, doch deshalb gerade dem gemeinen Mann verständlicher und eindringlicher
Sprache die Größe und Herrlichkeit des Czaren besang. Der Zweck deS Autors
^"r, zu zeigen, Rußland sei groß und glücklich, dessen Bewohner mächtig und
""gesehen, und die Quelle aller Wohlfahrt der Czar, dessen schöpferisches "Werde"
dies alles aus dem Nichts hervorgerufen habe.

Der Autor beginnt mit einer Schilderung der Vorzüglichkeit Rußlands, vergleicht
die Russen mit anderen Nationen, und beweist, wie viel niedriger diese stehen müssen,
^ sie Jahrhunderte gebraucht haben, um sich zu einer gewissen Höhe emporzuarbeiten.
"Bei uns -- fährt er fort -- ist es anders; bei uns befahl der Czar Allen
^'g zu sein, und sie wurden es; jeder Russe kann heute den Engländer oder
^'anzosen gleich einem Handschuh in den Gürtel stecken."

Mich hatte der Czar nach Sibirien verbannt und ich kann diese Ansicht
'"ehe theilen.

Es liegt viel Abschreckendes und Wehmüthiges darin, daß Tausende von
Menschen durch den Machtspruch des "Rechts" in die unwirthliche Wüste Nord-
Asiens gejagt werden. Ich sah eine solche Abtheilung aus Kiew transportiren;
sie brauchte ein Jahr', um nach Tobolsk zu kommen, und mehr als das
zweite, um den Nertschinsker Bergwerks-Bezirk im Daurischen Gebirge zu er¬
reichen, und dort das Silber zu den russischen Rubeln, das Blei für die Ge¬
schosse der Soldaten heraufzuholen. Mehr als zwei Jahre Zeit also, um zu
Mß und unter kaum erdenklichen Mühseligkeiten einen Weg zurückzulegen, der
'u gerader Linie nicht ganz 800 geographische Meilen beträgt; ist das nicht ent-



die y?, .^Wehende Auszüge siud einem größer" polnischen Werke entlehnt, welches nächste"-,
hat.. >> "^"iseu wird, und in Auszügen in der Posener Revue 4 2, Heft, dein potui-
>Public"", mitgetheilt wurde.
Grenzboten. IV. t8ut. 16
Erinnerung an Sibirien.
(Aus Nufi» Piotrowski's Gedächtnißblättcrn.^

Während meines Aufenthalts in Kaminiez fiel mir ein in Petersburg ge¬
drucktes und für das gemeine Volk bestimmtes Büchlein in die Hand, welches in
^°her, doch deshalb gerade dem gemeinen Mann verständlicher und eindringlicher
Sprache die Größe und Herrlichkeit des Czaren besang. Der Zweck deS Autors
^"r, zu zeigen, Rußland sei groß und glücklich, dessen Bewohner mächtig und
""gesehen, und die Quelle aller Wohlfahrt der Czar, dessen schöpferisches „Werde"
dies alles aus dem Nichts hervorgerufen habe.

Der Autor beginnt mit einer Schilderung der Vorzüglichkeit Rußlands, vergleicht
die Russen mit anderen Nationen, und beweist, wie viel niedriger diese stehen müssen,
^ sie Jahrhunderte gebraucht haben, um sich zu einer gewissen Höhe emporzuarbeiten.
„Bei uns — fährt er fort — ist es anders; bei uns befahl der Czar Allen
^'g zu sein, und sie wurden es; jeder Russe kann heute den Engländer oder
^'anzosen gleich einem Handschuh in den Gürtel stecken."

Mich hatte der Czar nach Sibirien verbannt und ich kann diese Ansicht
'"ehe theilen.

Es liegt viel Abschreckendes und Wehmüthiges darin, daß Tausende von
Menschen durch den Machtspruch des „Rechts" in die unwirthliche Wüste Nord-
Asiens gejagt werden. Ich sah eine solche Abtheilung aus Kiew transportiren;
sie brauchte ein Jahr', um nach Tobolsk zu kommen, und mehr als das
zweite, um den Nertschinsker Bergwerks-Bezirk im Daurischen Gebirge zu er¬
reichen, und dort das Silber zu den russischen Rubeln, das Blei für die Ge¬
schosse der Soldaten heraufzuholen. Mehr als zwei Jahre Zeit also, um zu
Mß und unter kaum erdenklichen Mühseligkeiten einen Weg zurückzulegen, der
'u gerader Linie nicht ganz 800 geographische Meilen beträgt; ist das nicht ent-



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[0125] Erinnerung an Sibirien. (Aus Nufi» Piotrowski's Gedächtnißblättcrn.^ Während meines Aufenthalts in Kaminiez fiel mir ein in Petersburg ge¬ drucktes und für das gemeine Volk bestimmtes Büchlein in die Hand, welches in ^°her, doch deshalb gerade dem gemeinen Mann verständlicher und eindringlicher Sprache die Größe und Herrlichkeit des Czaren besang. Der Zweck deS Autors ^"r, zu zeigen, Rußland sei groß und glücklich, dessen Bewohner mächtig und ""gesehen, und die Quelle aller Wohlfahrt der Czar, dessen schöpferisches „Werde" dies alles aus dem Nichts hervorgerufen habe. Der Autor beginnt mit einer Schilderung der Vorzüglichkeit Rußlands, vergleicht die Russen mit anderen Nationen, und beweist, wie viel niedriger diese stehen müssen, ^ sie Jahrhunderte gebraucht haben, um sich zu einer gewissen Höhe emporzuarbeiten. „Bei uns — fährt er fort — ist es anders; bei uns befahl der Czar Allen ^'g zu sein, und sie wurden es; jeder Russe kann heute den Engländer oder ^'anzosen gleich einem Handschuh in den Gürtel stecken." Mich hatte der Czar nach Sibirien verbannt und ich kann diese Ansicht '"ehe theilen. Es liegt viel Abschreckendes und Wehmüthiges darin, daß Tausende von Menschen durch den Machtspruch des „Rechts" in die unwirthliche Wüste Nord- Asiens gejagt werden. Ich sah eine solche Abtheilung aus Kiew transportiren; sie brauchte ein Jahr', um nach Tobolsk zu kommen, und mehr als das zweite, um den Nertschinsker Bergwerks-Bezirk im Daurischen Gebirge zu er¬ reichen, und dort das Silber zu den russischen Rubeln, das Blei für die Ge¬ schosse der Soldaten heraufzuholen. Mehr als zwei Jahre Zeit also, um zu Mß und unter kaum erdenklichen Mühseligkeiten einen Weg zurückzulegen, der 'u gerader Linie nicht ganz 800 geographische Meilen beträgt; ist das nicht ent- die y?, .^Wehende Auszüge siud einem größer» polnischen Werke entlehnt, welches nächste»-, hat.. >> "^"iseu wird, und in Auszügen in der Posener Revue 4 2, Heft, dein potui- >Public»», mitgetheilt wurde. Grenzboten. IV. t8ut. 16

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280616/125>, abgerufen am 26.04.2024.