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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band.

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auf die Apostel des modernen Katholicismus, ans die Romantiker selbst ein¬
geht, so geschieht das immer nur in der Weise, als ob die Frivolität derselben
und ihre Gleichartigkeit gegen den eigentlichen Inhalt des Princips nur ein
Abfall von ihrem ursprünglichen Streben gewesen sei, während sie doch in dem
Wesen desselben lag, und mit ihm unmittelbar zusammenfällt. Ja, wenn Eichen-
dorff weiter ginge, so würde er erkennen, wie sich in seiner eigenen Dichtung
und seiner eigenen Kritik die Spuren jener Frivolität auffinden, jener über Alles
hinaus seienden Ironie, die er an den Uebrigen mit Recht tadelt.

Ans dieser Betrachtung ergiebt es sich von selbst, daß eigentlich in seiner
Kritik der Zufall waltet, daß mau auch bei den richtigen, feinen und treffenden
Bemerkungen, die sich uicht selten bei ihm vorfinden, immer das Gefühl hat, er
habe an der nämlichen Stelle auch etwas Unrichtiges und Unpassendes sagen
können. Sie ist zwar ernster gehalten und inhaltreicher, als die Juugdcutsche
Heine'sche, aber im Wesen doch nicht vou ihr verschieden. Die Hauptsache ist
immer der Geist, den der Kritiker entwickelt, sein Witz, sein Scharfsinn und
>ein Pathos, nicht die Gerechtigkeit gegen die Erscheinungen, nicht jene unbefan¬
gene Objectivität, die er doch selber als Princip der Dichtung proclamirt.

Was aber dieses Princip betrifft, so müssen wir ihm beipflichten. Zwar finden
wir die Festigkeit in den Charakteren, die Sicherheit in den sittlichen Grundsätzen
und die Unerschütterlichkeit des Glaubens nicht, wie er, in der alleinseligmachenden
Kirche: wir halten vielmehr den absoluten Protestantismus für deu einzigen Weg,
5U dieser objectiven Sicherheit zu gelange", allein an sich sind diese Ideale auch
"usre Ideale, und wir müssen daher bis ans einen gewissen Grad jeden anch noch
^' fehlerhaften Versuch, aus der Unbestimmtheit, der Zerfahrenheit und der sie¬
ben Unklarheit unsres maßlosen SubjectiviSmnS herauszukommen, mit Theil-
""s I- S- ine verfolgen.




Das Mmwpvlwcsen in Rußland.

Die Behauptung, daß die Nnsstsche Regierung mehr als irgend eine aultre
Gewerbe und ^übel ans ihrem Gebiete emporhebe, ist anch in uuseu Deutsch.n
Leitungen, die sich sonst eben nicht sehr um die Russische WirtlMM kümmern.
"Ub daher nicht für Miethlinge gehalten werde., können, oft gesunde,, worden
Nur vor wenigen Wochen erst sagte eine Preußische Zeitung: Wenn man Hau el
""d Gewerbe als die Grundlage des Wohlstandes, und den Wohlstand als le
Grundlage des Völkerglückes betrachte, dann aber Nordamerika wegen se.ner Ve-
"ünstignng dieser Glücköbasis preise, so müsse man doch wol Rußland, um gerecht


Grenzboten. IV. -ILü-l.

auf die Apostel des modernen Katholicismus, ans die Romantiker selbst ein¬
geht, so geschieht das immer nur in der Weise, als ob die Frivolität derselben
und ihre Gleichartigkeit gegen den eigentlichen Inhalt des Princips nur ein
Abfall von ihrem ursprünglichen Streben gewesen sei, während sie doch in dem
Wesen desselben lag, und mit ihm unmittelbar zusammenfällt. Ja, wenn Eichen-
dorff weiter ginge, so würde er erkennen, wie sich in seiner eigenen Dichtung
und seiner eigenen Kritik die Spuren jener Frivolität auffinden, jener über Alles
hinaus seienden Ironie, die er an den Uebrigen mit Recht tadelt.

Ans dieser Betrachtung ergiebt es sich von selbst, daß eigentlich in seiner
Kritik der Zufall waltet, daß mau auch bei den richtigen, feinen und treffenden
Bemerkungen, die sich uicht selten bei ihm vorfinden, immer das Gefühl hat, er
habe an der nämlichen Stelle auch etwas Unrichtiges und Unpassendes sagen
können. Sie ist zwar ernster gehalten und inhaltreicher, als die Juugdcutsche
Heine'sche, aber im Wesen doch nicht vou ihr verschieden. Die Hauptsache ist
immer der Geist, den der Kritiker entwickelt, sein Witz, sein Scharfsinn und
>ein Pathos, nicht die Gerechtigkeit gegen die Erscheinungen, nicht jene unbefan¬
gene Objectivität, die er doch selber als Princip der Dichtung proclamirt.

Was aber dieses Princip betrifft, so müssen wir ihm beipflichten. Zwar finden
wir die Festigkeit in den Charakteren, die Sicherheit in den sittlichen Grundsätzen
und die Unerschütterlichkeit des Glaubens nicht, wie er, in der alleinseligmachenden
Kirche: wir halten vielmehr den absoluten Protestantismus für deu einzigen Weg,
5U dieser objectiven Sicherheit zu gelange», allein an sich sind diese Ideale auch
"usre Ideale, und wir müssen daher bis ans einen gewissen Grad jeden anch noch
^' fehlerhaften Versuch, aus der Unbestimmtheit, der Zerfahrenheit und der sie¬
ben Unklarheit unsres maßlosen SubjectiviSmnS herauszukommen, mit Theil-
""s I- S- ine verfolgen.




Das Mmwpvlwcsen in Rußland.

Die Behauptung, daß die Nnsstsche Regierung mehr als irgend eine aultre
Gewerbe und ^übel ans ihrem Gebiete emporhebe, ist anch in uuseu Deutsch.n
Leitungen, die sich sonst eben nicht sehr um die Russische WirtlMM kümmern.
«Ub daher nicht für Miethlinge gehalten werde., können, oft gesunde,, worden
Nur vor wenigen Wochen erst sagte eine Preußische Zeitung: Wenn man Hau el
""d Gewerbe als die Grundlage des Wohlstandes, und den Wohlstand als le
Grundlage des Völkerglückes betrachte, dann aber Nordamerika wegen se.ner Ve-
»ünstignng dieser Glücköbasis preise, so müsse man doch wol Rußland, um gerecht


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[0013] auf die Apostel des modernen Katholicismus, ans die Romantiker selbst ein¬ geht, so geschieht das immer nur in der Weise, als ob die Frivolität derselben und ihre Gleichartigkeit gegen den eigentlichen Inhalt des Princips nur ein Abfall von ihrem ursprünglichen Streben gewesen sei, während sie doch in dem Wesen desselben lag, und mit ihm unmittelbar zusammenfällt. Ja, wenn Eichen- dorff weiter ginge, so würde er erkennen, wie sich in seiner eigenen Dichtung und seiner eigenen Kritik die Spuren jener Frivolität auffinden, jener über Alles hinaus seienden Ironie, die er an den Uebrigen mit Recht tadelt. Ans dieser Betrachtung ergiebt es sich von selbst, daß eigentlich in seiner Kritik der Zufall waltet, daß mau auch bei den richtigen, feinen und treffenden Bemerkungen, die sich uicht selten bei ihm vorfinden, immer das Gefühl hat, er habe an der nämlichen Stelle auch etwas Unrichtiges und Unpassendes sagen können. Sie ist zwar ernster gehalten und inhaltreicher, als die Juugdcutsche Heine'sche, aber im Wesen doch nicht vou ihr verschieden. Die Hauptsache ist immer der Geist, den der Kritiker entwickelt, sein Witz, sein Scharfsinn und >ein Pathos, nicht die Gerechtigkeit gegen die Erscheinungen, nicht jene unbefan¬ gene Objectivität, die er doch selber als Princip der Dichtung proclamirt. Was aber dieses Princip betrifft, so müssen wir ihm beipflichten. Zwar finden wir die Festigkeit in den Charakteren, die Sicherheit in den sittlichen Grundsätzen und die Unerschütterlichkeit des Glaubens nicht, wie er, in der alleinseligmachenden Kirche: wir halten vielmehr den absoluten Protestantismus für deu einzigen Weg, 5U dieser objectiven Sicherheit zu gelange», allein an sich sind diese Ideale auch "usre Ideale, und wir müssen daher bis ans einen gewissen Grad jeden anch noch ^' fehlerhaften Versuch, aus der Unbestimmtheit, der Zerfahrenheit und der sie¬ ben Unklarheit unsres maßlosen SubjectiviSmnS herauszukommen, mit Theil- ""s I- S- ine verfolgen. Das Mmwpvlwcsen in Rußland. Die Behauptung, daß die Nnsstsche Regierung mehr als irgend eine aultre Gewerbe und ^übel ans ihrem Gebiete emporhebe, ist anch in uuseu Deutsch.n Leitungen, die sich sonst eben nicht sehr um die Russische WirtlMM kümmern. «Ub daher nicht für Miethlinge gehalten werde., können, oft gesunde,, worden Nur vor wenigen Wochen erst sagte eine Preußische Zeitung: Wenn man Hau el ""d Gewerbe als die Grundlage des Wohlstandes, und den Wohlstand als le Grundlage des Völkerglückes betrachte, dann aber Nordamerika wegen se.ner Ve- »ünstignng dieser Glücköbasis preise, so müsse man doch wol Rußland, um gerecht Grenzboten. IV. -ILü-l.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280616/13>, abgerufen am 26.04.2024.