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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band.

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als der Professor Waagen in seinem Kataloge zur Gemäldegallerie, dessen klare
und belehrende Anordnung überall zum Muster dienen sollte. Jenen kunstge¬
schichtlichen Werth zu ergänzen, hat man sich offenbar bei Erbauung des neuen
Museums zum Hauptziele gesetzt, und sucht das Gebäude daher in allen Theilen,
in seinen Formen wie in seinem Inhalte, wissenschaftlich und historisch instructiv
zu halten. Hier und da mag immerhin eine Pedanterie, eine Ostentation mit
untergelaufen sein; im Ganzen ist doch viel gefordert. Kaulbach's Schöpfun¬
gen aber erfüllen die gleiche Aufgabe in großartiger Weise, indem sie ein um¬
fassendes Panorama der Kulturgeschichte bilden, die Symphonie zu den einzelnen
A. G. Acten der verschiedenen Culturperioden..




Se" Beuve.

Durch die neue Ausgabe seiner literarischen Portraits hat Se. Beuvc von
neuem die Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Es ist aber eigenthümlich, daß sein
Urtheil sich seit 20 Jahren vollkommen verändert hat. Die Lobsprüche, die er
damals den Führern der romantischen Schule ertheilte, haben sich jetzt in ihr
Gegentheil verwandelt, und nicht allein gegen Victor Hugo und Lamartine, die
durch spätere Schriften hinlängliche Veranlassung zur Modifikation des früher"
Urtheils gegeben haben, souderu auch gegen Chateaubriand, Buranger und An¬
dere, deren literarische Thätigkeit damals schon ziemlich abgeschlossen war, finden
wir jetzt die bittersten Angriffe, die aber weniger diesen Dichten gelten, als der
vorschnellen Verehrung, welche der Kritiker ihnen früher hatte zu Theil wer¬
den lassen.

Se. Beroe gehörte in der Zeit, als die romantische Schule auftauchte, zu
den rüstigsten Vertheidigern derselben. In dem 'l'al>l<;an et" W >>c><-si" trau-
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cipiellen Kampf gegen die damals allmächtigen Theorien Boileau's begonnen, und
den schnurgeraden Weg, in dem sich die französische Literatur bis dahin bewegt,
dnrch eine Abweichung in deu Irrgarten jener vielseitigen, aber kritiklosen Schrift¬
steller des 16. Jahrhunderts unterbrochen, die mau nach dem scharf prononcirten
Geschmack des 18. Jahrhunderts zu sehr herabgewürdigt hatte. Es war ihm we¬
nigstens theilweise gelungen, Ronsard n. s. w. bessere Seiten abzugewinnen, und
wenn er auf dieses Positive ihrer Leistungen ein zu großes Gewicht legte, so
war das durch seine polemische Tendenz gerechtfertigt. -- Im folgenden Jahre
(1829) erschien von ihm: l.u ol";. Jos poösivK 1"" pvnsök" et">. .losvjch
wi'mo. In dem kritischen Theil dieses Buchs ward die Polemik gegen Boileau
fortgesetzt und die neue Schule in Beziehung auf ihre technischen Mittel, Vers-


als der Professor Waagen in seinem Kataloge zur Gemäldegallerie, dessen klare
und belehrende Anordnung überall zum Muster dienen sollte. Jenen kunstge¬
schichtlichen Werth zu ergänzen, hat man sich offenbar bei Erbauung des neuen
Museums zum Hauptziele gesetzt, und sucht das Gebäude daher in allen Theilen,
in seinen Formen wie in seinem Inhalte, wissenschaftlich und historisch instructiv
zu halten. Hier und da mag immerhin eine Pedanterie, eine Ostentation mit
untergelaufen sein; im Ganzen ist doch viel gefordert. Kaulbach's Schöpfun¬
gen aber erfüllen die gleiche Aufgabe in großartiger Weise, indem sie ein um¬
fassendes Panorama der Kulturgeschichte bilden, die Symphonie zu den einzelnen
A. G. Acten der verschiedenen Culturperioden..




Se« Beuve.

Durch die neue Ausgabe seiner literarischen Portraits hat Se. Beuvc von
neuem die Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Es ist aber eigenthümlich, daß sein
Urtheil sich seit 20 Jahren vollkommen verändert hat. Die Lobsprüche, die er
damals den Führern der romantischen Schule ertheilte, haben sich jetzt in ihr
Gegentheil verwandelt, und nicht allein gegen Victor Hugo und Lamartine, die
durch spätere Schriften hinlängliche Veranlassung zur Modifikation des früher»
Urtheils gegeben haben, souderu auch gegen Chateaubriand, Buranger und An¬
dere, deren literarische Thätigkeit damals schon ziemlich abgeschlossen war, finden
wir jetzt die bittersten Angriffe, die aber weniger diesen Dichten gelten, als der
vorschnellen Verehrung, welche der Kritiker ihnen früher hatte zu Theil wer¬
den lassen.

Se. Beroe gehörte in der Zeit, als die romantische Schule auftauchte, zu
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cipiellen Kampf gegen die damals allmächtigen Theorien Boileau's begonnen, und
den schnurgeraden Weg, in dem sich die französische Literatur bis dahin bewegt,
dnrch eine Abweichung in deu Irrgarten jener vielseitigen, aber kritiklosen Schrift¬
steller des 16. Jahrhunderts unterbrochen, die mau nach dem scharf prononcirten
Geschmack des 18. Jahrhunderts zu sehr herabgewürdigt hatte. Es war ihm we¬
nigstens theilweise gelungen, Ronsard n. s. w. bessere Seiten abzugewinnen, und
wenn er auf dieses Positive ihrer Leistungen ein zu großes Gewicht legte, so
war das durch seine polemische Tendenz gerechtfertigt. — Im folgenden Jahre
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[0224] als der Professor Waagen in seinem Kataloge zur Gemäldegallerie, dessen klare und belehrende Anordnung überall zum Muster dienen sollte. Jenen kunstge¬ schichtlichen Werth zu ergänzen, hat man sich offenbar bei Erbauung des neuen Museums zum Hauptziele gesetzt, und sucht das Gebäude daher in allen Theilen, in seinen Formen wie in seinem Inhalte, wissenschaftlich und historisch instructiv zu halten. Hier und da mag immerhin eine Pedanterie, eine Ostentation mit untergelaufen sein; im Ganzen ist doch viel gefordert. Kaulbach's Schöpfun¬ gen aber erfüllen die gleiche Aufgabe in großartiger Weise, indem sie ein um¬ fassendes Panorama der Kulturgeschichte bilden, die Symphonie zu den einzelnen A. G. Acten der verschiedenen Culturperioden.. Se« Beuve. Durch die neue Ausgabe seiner literarischen Portraits hat Se. Beuvc von neuem die Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Es ist aber eigenthümlich, daß sein Urtheil sich seit 20 Jahren vollkommen verändert hat. Die Lobsprüche, die er damals den Führern der romantischen Schule ertheilte, haben sich jetzt in ihr Gegentheil verwandelt, und nicht allein gegen Victor Hugo und Lamartine, die durch spätere Schriften hinlängliche Veranlassung zur Modifikation des früher» Urtheils gegeben haben, souderu auch gegen Chateaubriand, Buranger und An¬ dere, deren literarische Thätigkeit damals schon ziemlich abgeschlossen war, finden wir jetzt die bittersten Angriffe, die aber weniger diesen Dichten gelten, als der vorschnellen Verehrung, welche der Kritiker ihnen früher hatte zu Theil wer¬ den lassen. Se. Beroe gehörte in der Zeit, als die romantische Schule auftauchte, zu den rüstigsten Vertheidigern derselben. In dem 'l'al>l<;an et» W >>c><-si« trau- >?in8«z, welches er in seinem 24. Jahre schrieb (1828), hatte er bereits einen prin¬ cipiellen Kampf gegen die damals allmächtigen Theorien Boileau's begonnen, und den schnurgeraden Weg, in dem sich die französische Literatur bis dahin bewegt, dnrch eine Abweichung in deu Irrgarten jener vielseitigen, aber kritiklosen Schrift¬ steller des 16. Jahrhunderts unterbrochen, die mau nach dem scharf prononcirten Geschmack des 18. Jahrhunderts zu sehr herabgewürdigt hatte. Es war ihm we¬ nigstens theilweise gelungen, Ronsard n. s. w. bessere Seiten abzugewinnen, und wenn er auf dieses Positive ihrer Leistungen ein zu großes Gewicht legte, so war das durch seine polemische Tendenz gerechtfertigt. — Im folgenden Jahre (1829) erschien von ihm: l.u ol«;. Jos poösivK 1«» pvnsök» et«>. .losvjch wi'mo. In dem kritischen Theil dieses Buchs ward die Polemik gegen Boileau fortgesetzt und die neue Schule in Beziehung auf ihre technischen Mittel, Vers-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280616/224>, abgerufen am 18.04.2024.