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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band.

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es für Preußen nur ein Mittel, und das heißt, Preußen an die Stelle vou
Deutschland setzen, mit andern Worten, Preußen so stark und kräftig machen,
daß es wieder wird, was es zu Friedrich des Große" Zeit war, der Beschul!"
der schwächeren deutschen Staaten, die leitende Macht im Herzen Europa'S, welche
der Zukunft vertrauen kann, weil sie die Gegenwart begreift.




Die Aristokratie und Demokratie im polnischen Adel.
Aus

Die republikanischen Schweizer sind die Leibwache absoluter Herren geworden,
und die Aristokraten-Polen gönnen ihre Dienste der Demokratie, und diene" ihr
treulich im Stäudcsaale wie auf den Barricaden und im Felde. Ans dein Wiener
Reichstage saßen die polnischen Edelleute auf der äußersten demokratischen Linken,
während ihre plebejischen Landsleute, die galizischen Bauern, Demokraten vou
Geburt, auf der Rechten Platz nahmen. Ju der Berliner Nationalversammlung
stimmten die altadeligen Abgeordneten ans dem Posen'schen mit den radicalen,
bürgerlichen Journalisten und Advocaten gegen ihre Standesgenossen, die Junker
und Rittergutsbesitzer aus der Mark, aus Pommern, Westphalen und Schlesien,
und wo es nur Barricaden gab, da fand mau die eleganten Kavaliere neben zer¬
lumpten Proletariern und unheimliche" Bassermann'schen "Gestalten", während
ste zugleich die größere" Jiisurrectione" mit geübten Officiere" und kriegskundigen
Condottieri versahen.

Von diesem revolutionairen Treiben der Polen ist oft genug die Rede ge¬
wesen, und nächst den Juden und den deutschen Professoren hat man vielleicht
keiner Volksklasse ihren Antheil nu den Bewegungen so übel genommen als dem
polnischen Adel.

Die Allianz dieses letztern mit der europäische" Revolution datirt indessen
schon aus einer frühen Zeit. Die erste Theilung Polens geschah nicht lange vor
dem Ausbrüche der französischen Revolution, und die beiden folgenden fielen fast mit
den Kriegen zusammen, welche die theilenden Mächte gegen die französische Republik
führten. Die französische Demokratie und die polnische Aristokratie hatten demnach
"u Rußland, Oestreich und Preuße" gemeinschaftliche Feinde. Dies knüpfte
Zwischen beiden ein Bündniß, trotz den-entgegengesetzten politischen Principien.
Die Pole" erwarteten von den Siegen der republikanischen Gleichmacher eine
Wiederherstellung der Adelsherrschaft in Polen, wie die französischen Royalisten
^'vn den Fortschritten der Koalition eine Restauration der Monarchie in Frank¬
reich erwarteten. Legionen ausgewanderter Polen kämpften daher in den Heeren


"renzlwten, IV. >8!!I. 29

es für Preußen nur ein Mittel, und das heißt, Preußen an die Stelle vou
Deutschland setzen, mit andern Worten, Preußen so stark und kräftig machen,
daß es wieder wird, was es zu Friedrich des Große» Zeit war, der Beschul!»
der schwächeren deutschen Staaten, die leitende Macht im Herzen Europa'S, welche
der Zukunft vertrauen kann, weil sie die Gegenwart begreift.




Die Aristokratie und Demokratie im polnischen Adel.
Aus

Die republikanischen Schweizer sind die Leibwache absoluter Herren geworden,
und die Aristokraten-Polen gönnen ihre Dienste der Demokratie, und diene» ihr
treulich im Stäudcsaale wie auf den Barricaden und im Felde. Ans dein Wiener
Reichstage saßen die polnischen Edelleute auf der äußersten demokratischen Linken,
während ihre plebejischen Landsleute, die galizischen Bauern, Demokraten vou
Geburt, auf der Rechten Platz nahmen. Ju der Berliner Nationalversammlung
stimmten die altadeligen Abgeordneten ans dem Posen'schen mit den radicalen,
bürgerlichen Journalisten und Advocaten gegen ihre Standesgenossen, die Junker
und Rittergutsbesitzer aus der Mark, aus Pommern, Westphalen und Schlesien,
und wo es nur Barricaden gab, da fand mau die eleganten Kavaliere neben zer¬
lumpten Proletariern und unheimliche» Bassermann'schen „Gestalten", während
ste zugleich die größere» Jiisurrectione» mit geübten Officiere» und kriegskundigen
Condottieri versahen.

Von diesem revolutionairen Treiben der Polen ist oft genug die Rede ge¬
wesen, und nächst den Juden und den deutschen Professoren hat man vielleicht
keiner Volksklasse ihren Antheil nu den Bewegungen so übel genommen als dem
polnischen Adel.

Die Allianz dieses letztern mit der europäische» Revolution datirt indessen
schon aus einer frühen Zeit. Die erste Theilung Polens geschah nicht lange vor
dem Ausbrüche der französischen Revolution, und die beiden folgenden fielen fast mit
den Kriegen zusammen, welche die theilenden Mächte gegen die französische Republik
führten. Die französische Demokratie und die polnische Aristokratie hatten demnach
"u Rußland, Oestreich und Preuße» gemeinschaftliche Feinde. Dies knüpfte
Zwischen beiden ein Bündniß, trotz den-entgegengesetzten politischen Principien.
Die Pole» erwarteten von den Siegen der republikanischen Gleichmacher eine
Wiederherstellung der Adelsherrschaft in Polen, wie die französischen Royalisten
^'vn den Fortschritten der Koalition eine Restauration der Monarchie in Frank¬
reich erwarteten. Legionen ausgewanderter Polen kämpften daher in den Heeren


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[0229] es für Preußen nur ein Mittel, und das heißt, Preußen an die Stelle vou Deutschland setzen, mit andern Worten, Preußen so stark und kräftig machen, daß es wieder wird, was es zu Friedrich des Große» Zeit war, der Beschul!» der schwächeren deutschen Staaten, die leitende Macht im Herzen Europa'S, welche der Zukunft vertrauen kann, weil sie die Gegenwart begreift. Die Aristokratie und Demokratie im polnischen Adel. Aus Die republikanischen Schweizer sind die Leibwache absoluter Herren geworden, und die Aristokraten-Polen gönnen ihre Dienste der Demokratie, und diene» ihr treulich im Stäudcsaale wie auf den Barricaden und im Felde. Ans dein Wiener Reichstage saßen die polnischen Edelleute auf der äußersten demokratischen Linken, während ihre plebejischen Landsleute, die galizischen Bauern, Demokraten vou Geburt, auf der Rechten Platz nahmen. Ju der Berliner Nationalversammlung stimmten die altadeligen Abgeordneten ans dem Posen'schen mit den radicalen, bürgerlichen Journalisten und Advocaten gegen ihre Standesgenossen, die Junker und Rittergutsbesitzer aus der Mark, aus Pommern, Westphalen und Schlesien, und wo es nur Barricaden gab, da fand mau die eleganten Kavaliere neben zer¬ lumpten Proletariern und unheimliche» Bassermann'schen „Gestalten", während ste zugleich die größere» Jiisurrectione» mit geübten Officiere» und kriegskundigen Condottieri versahen. Von diesem revolutionairen Treiben der Polen ist oft genug die Rede ge¬ wesen, und nächst den Juden und den deutschen Professoren hat man vielleicht keiner Volksklasse ihren Antheil nu den Bewegungen so übel genommen als dem polnischen Adel. Die Allianz dieses letztern mit der europäische» Revolution datirt indessen schon aus einer frühen Zeit. Die erste Theilung Polens geschah nicht lange vor dem Ausbrüche der französischen Revolution, und die beiden folgenden fielen fast mit den Kriegen zusammen, welche die theilenden Mächte gegen die französische Republik führten. Die französische Demokratie und die polnische Aristokratie hatten demnach "u Rußland, Oestreich und Preuße» gemeinschaftliche Feinde. Dies knüpfte Zwischen beiden ein Bündniß, trotz den-entgegengesetzten politischen Principien. Die Pole» erwarteten von den Siegen der republikanischen Gleichmacher eine Wiederherstellung der Adelsherrschaft in Polen, wie die französischen Royalisten ^'vn den Fortschritten der Koalition eine Restauration der Monarchie in Frank¬ reich erwarteten. Legionen ausgewanderter Polen kämpften daher in den Heeren «renzlwten, IV. >8!!I. 29

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280616/229>, abgerufen am 19.04.2024.